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Ausgabe 11/2024

Umgang mit den Risiken des Cannabiskonsums bei der Arbeit

Angesichts der Legalisierung von Cannabis ist eine gute Aufklärung auch im betrieblichen Kontext wichtig. Dieser Beitrag fasst die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit zusammen, gibt Hinweise, woran missbräuchlicher Konsum im Arbeitskontext erkannt werden kann, und geht auf betriebliche Präventionsmöglichkeiten ein.

Key Facts

  • Die Aufmerksamkeit, die das Thema derzeit erfährt, kann als Chance für die betriebliche Aufklärungsarbeit genutzt werden
  • Führungskräfte müssen handeln, sobald Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Versicherte nicht in der Lage sind, Arbeiten gefahrlos auszuführen – unabhängig davon, welche Ursachen die Verhaltensauffälligkeiten haben
  • Grundsätzlich gelten für Cannabis die gleichen betrieblichen Präventionsmöglichkeiten wie für andere Suchtmittel auch

Mit der Legalisierung des Cannabiskonsums verfolgt die Bundesregierung unter anderem das Ziel, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen und die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken.[1]Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass Cannabis trotz des bis vor Kurzem bestehenden Erwerbs- und Besitzverbots vielerorts konsumiert wurde und der Konsum in den vergangenen drei Jahrzehnten sogar zugenommen hat.[2][3]Ob das Gesetz seine Hauptziele, den Gesundheitsschutz zu verbessern, die organisierte Drogenkriminalität einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken, erreichen wird, das wird sich zeigen. Was sich aktuell aber abzeichnet, ist, dass im Kontext Arbeit und Gesundheit das Interesse für das Thema Cannabis gestiegen ist. Die Aufmerksamkeit, die das Thema derzeit erfährt, kann als Chance für die betriebliche Suchtprävention und die Aufklärungsarbeit genutzt werden.

Gesundheitliche Auswirkungen

Die Legalisierung darf nicht dazu führen, dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Cannabiskonsums und die potenziellen Risiken im Zusammenhang mit der Arbeit verharmlost und unterschätzt werden.

Konsumierende assoziieren die erlebte Wirkung oft positiv, da sie unter anderem zu einer physischen und psychischen Entspannung beitragen kann. Allerdings können diese vermeintlich positiven Wirkungen von zahlreichen Nebenwirkungen begleitet sein, auf die im Rahmen von Aufklärungsarbeit hingewiesen werden sollte.

Die häufigsten kurzfristigen Wirkungen von Cannabiskonsum[4][5][6]sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Häufige kurzfristige Wirkungen des Cannabiskonsums | © DGUV
Tabelle 1: Häufige kurzfristige Wirkungen des Cannabiskonsums © DGUV

Die Art und Weise sowie die Intensität der psychoaktiven Wirkung hängt von vielen Einflussfaktoren, wie zum Beispiel vom konsumierten Produkt, dem Tetrahydrocannabinol (THC-)-Gehalt, der aufgenommenen Menge, aber auch von der Stimmungslage, dem Gesundheitszustand, der Persönlichkeit sowie der Konsumerfahrung der konsumierenden Person ab. Eine pauschale Aussage über die Wirkung von Cannabis ist daher nicht möglich.[7][8]

Bei regelmäßigem und über eine längere Zeit anhaltendem Konsum sind Lungen- und Bronchialerkrankungen (bei Aufnahme durch Rauchen oder Dampfeinatmen), Herz-Kreislauf- und Hormonstörungen sowie schwerwiegendere Folgeschäden der Hirnleistung möglich. Abhängig vom Konsumverhalten zeigen sich zum Teil erhebliche Beeinträchtigungen der Lern- und Gedächtnisleistung, aber auch anderer kognitiver Fähigkeiten wie die des Problemlösens oder der Aufmerksamkeit. Langfristiger Cannabiskonsum kann zudem die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an depressiven Störungen, Angststörungen und bipolaren Störungen zu erkranken. Ebenso wie bei Alkohol oder anderen Drogen und Medikamenten kann bei regelmäßigem Konsum von Cannabis eine körperliche und psychische Abhängigkeit entstehen.[9][10]

Auswirkungen auf die Arbeit

Die vielfältigen Wirkungen eines Cannabiskonsums können zu einer erhöhten Unfall- und Verletzungsgefahr am Arbeitsplatz führen. Insbesondere die Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit und die erhöhte Risikobereitschaft stellen im Arbeitskontext eine Gefährdung dar. Die konsumierende Person gefährdet dabei nicht nur sich selbst, sondern möglicherweise auch andere Beschäftigte. Doch auch ohne Unfälle können die abnehmende Konzentrations- und Leistungsfähigkeit sowie andere Verhaltensauffälligkeiten von konsumierenden Personen zu Produktivitätseinbußen bei der Arbeit oder zu Konflikten im Team führen.[11]

Die leistungseinschränkende Wirkung von Cannabis ist zwar individuell von verschiedenen Faktoren abhängig, allerdings sind die von Cannabis ausgehenden Risiken keinesfalls mit gefährlichen Arbeiten vereinbar. Besonders die Unvorhersehbarkeit der Wirkung und ihrer Dauer sowie die damit oftmals verbundene Unterschätzung von Risiken macht den Konsum im Zusammenhang mit der Arbeit problematisch.[12]

Das Gefahrenpotenzial von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern neu einzuordnen, vorhandene Präventionsmaßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und gegebenenfalls ergänzende Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.

Cannabiskonsum erkennen

Die in Tabelle 1 dargestellten Wirkungen wie zum Beispiel verschlechterte psychomotorische Koordination oder undeutliche Sprache, gestörte Aufmerksamkeit, erweiterte Pupillen, erhöhte Risikobereitschaft oder auch übertriebene Albernheit können darauf hindeuten, dass eine Person bei der Arbeit unter Cannabiseinfluss steht.

Rückzugstendenzen bis hin zur sozialen Isolation können Symptome und gleichzeitig Hinweise für eine Abhängigkeit sein. Auch berichten Betroffene oft von Nervosität, Panikattacken, Depressionen und durch Cannabis induzierten psychotischen Symptomen wie Paranoia oder Halluzinationen. Im Arbeitskontext können darüber hinaus auch Verhaltensauffälligkeiten wie veränderte Leistungsfähigkeit, verminderte Konzentration, Unzuverlässigkeit, verlangsamte Reaktionszeiten, Desinteresse und Antriebslosigkeit gegenüber dem alltäglichen Leben sowie gehäufte Fehlzeiten auf eine Cannabiskonsumstörung hindeuten.[13]

Zu beachten ist allerdings, dass solche Veränderungen und Auffälligkeiten auch andere Ursachen haben können, zum Beispiel (private) Konflikte und Probleme oder andere Erkrankungen.

Spätestens wenn Beschäftigte bei der Arbeit einen Zustand aufweisen, in dem sie sich selbst oder andere gefährden können, müssen Arbeitgebende eingreifen. Dabeiist es unerheblich, ob die Ursache für die Verhaltensauffälligkeiten in einem Cannabiskonsum begründet liegt oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Denn nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Unternehmer und Unternehmerinnen Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.

Betriebliche Präventionsmöglichkeiten

Mit der Legalisierung von Cannabis kommt in vielen Unternehmen die Frage auf, ob neue oder erweiterte Ansätze zur betrieblichen Suchtprävention notwendig sind.

Grundsätzlich gelten für Cannabis die gleichen Präventionsmöglichkeiten wie für andere Suchtmittel auch. Sofern es im Unternehmen zum Beispiel bereits Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zum Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz gibt, bietet es sich an, diese in Bezug auf Cannabis zu aktualisieren und eine Unterweisung der Beschäftigten durchzuführen.

Betriebliche Suchtprävention setzt auf:

  • Aufklärung und Enttabuisierung
  • Schaffung von Rahmenbedingungen, die dem Suchtmittelkonsum im Arbeitskontext vorbeugen
  • klare Regeln in Bezug auf Suchtmittelkonsum bei der Arbeit und den Umgang mit auffälligen Beschäftigten
  • die Gestaltung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen
  • Stärkung persönlicher Fähigkeiten der Beschäftigten im Umgang mit der Belastung bei der Arbeit und im Umgang mit Suchtmitteln

Die Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) inklusive Ableitung entsprechender Maßnahmen trägt maßgeblich zur betrieblichen Suchtprävention bei. Menschen entwickeln unterschiedliche Strategien, um mit Belastungen, sei es die Belastung bei der Arbeit oder im privaten Umfeld, umzugehen. Die Schaffung sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen ist eine wichtige Aufgabe von Unternehmerinnen und Unternehmern. Damit tragen sie dazu bei, dass die Arbeitsbelastung nicht oder in geringerem Maße zu einer Ermüdung oder zu einem Stresserleben bei den Beschäftigten führt und diese seltener schädliche Verhaltensmuster zur Stressbewältigung, wie den Konsum von Cannabis, entwickeln.

Fußnoten

  1. Bundesgesundheitsministerium (2024): Fragen und Antworten zum Cannabisgesetz, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html (abgerufen am 15.08.2024).

  2. Rauschert, C.; Möckl, J.; Hoch, E. et al. (2023): Kurzbericht Epidemiologischer Suchtsurvey 2021. Tabellenband: Trends der Prävalenz des (problematischen) Konsums illegaler Drogen nach Geschlecht und Alter 1990–2021. München: IFT Institut für Therapieforschung.

  3. Rauschert, C.; Möckl, J.; Seitz, N. N. et al. (2022): Der Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland – Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2021. In: Deutsches Ärzteblatt, 119, S. 527–534.

  4. Hoch, E. & Putzig, U. (2019): Cannabis, Cannabinoide und Cannabiskonsumstörungen. In: PSYCH up2date, 13(5), S. 395–409.

  5. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (o. J.): Cannabis. Basisinformationen. Hamm: DHS.

  6. Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.) (2019): Cannabis: Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Heidelberg: Springer.

  7. Hoch, E. & Putzig, U. (2019).

  8. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (o. J.).

  9. Hoch, E. & Putzig, U. (2019).

  10. Hoch, E. & Friemel, C. M. (Hrsg.) (2019).

  11. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) (2024): Fachbereich AKTUELL. Die Cannabislegalisierung und ihre Bedeutung für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Antworten auf häufige Fragen (FBGiB-005), www.dguv.de, Webcode: p022629 (abgerufen am 15.08.2024).

  12. DGUV (2024).

  13. DGUV (2024).

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