Plötzlich Homeoffice – Erkenntnisse zum erfolgreichen Einstieg ins Homeoffice aus dem Kontext der COVID-19-Pandemie

Das Homeoffice hat mit der COVID-19-Pandemie seinen endgültigen Durchbruch. Aber wie verändern sich die psychischen Belastungen für Beschäftigte beim Übergang ins Homeoffice? Und was kann diesen Übergang erleichtern?

Mobile Formen der Arbeit wie das Homeoffice haben schon vor der COVID-19-Pandemie stetig zugenommen und waren je nach Branche und Unternehmen keine Besonderheit mehr.[1] Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hat sich die Verschiebung der Arbeit ins heimische Büro noch einmal drastisch intensiviert. Viele Beschäftigte waren praktisch von heute auf morgen unvorbereitet angehalten, ihren Arbeitsplatz nach Hause zu verlegen. So arbeiteten vor dem Lockdown im Frühjahr 2020 lediglich vier Prozent der Beschäftigten vollständig im Homeoffice und während des Lockdowns dann 30 Prozent.[2] Die Situation bot daher eine einmalige Möglichkeit, Homeoffice unter besonderen Bedingungen zu untersuchen und neue Erkenntnisse für die Integration von Homeoffice in den Arbeitsalltag zu gewinnen.

Homeoffice-Studie im Kontext der COVID-19-Pandemie

Zu Beginn des ersten Lockdowns startete das Lehrgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie der FernUniversität in Hagen mit der Befragung von 599 Beschäftigten, die während des Lockdowns im Homeoffice arbeiteten. Die Befragung startete kurz nach dessen Beginn Ende März 2020 und endete im Juni 2020. Die Beschäftigten, die im Schnitt 42 Jahre alt waren, wurden mittels eines Online-Fragebogens befragt. Die Teilnehmenden arbeiteten durchschnittlich 37 Stunden in der Woche. Mehr als 60 Prozent von ihnen hatten einen Studienabschluss. Die Teilnehmenden waren überwiegend verwaltungstechnisch (30 Prozent), kaufmännisch (15 Prozent), lehrend (10 Prozent), sozial/beratend (8 Prozent), technisch/handwerklich (6 Prozent) oder im Verkauf/Vertrieb (5 Prozent) tätig. Insgesamt 66 Prozent der Teilnehmenden waren weiblich und 35 Prozent hatten Kinder.

Die Teilnehmenden wurden befragt, welche Vor- und Nachteile sie im Homeoffice wahrnehmen und wie sich ihre Arbeitsbedingungen im Vergleich zur Büroarbeit verändert haben (Stempel et al., 2020). Es nahmen sowohl Homeoffice-Erfahrene als auch absolute Homeoffice-Neulinge an der Befragung teil: Mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten gab an, vor dem Lockdown nie oder nur in Ausnahmefällen im Homeoffice gearbeitet zu haben, ein Drittel arbeitete auch vor dem Lockdown regelmäßig (mindestens einmal im Monat, überwiegend jedoch mindestens einmal die Woche) im Homeoffice.

Wahrgenommene Vor- und Nachteile des Homeoffices

Die Teilnehmenden wurden gebeten, in kurzen Stichworten jeweils die drei aus ihrer Sicht größten Vor- und Nachteile der Arbeit im Homeoffice zu benennen. Diese wurden in Kategorien zusammengefasst, um zu sehen welche Themenbereiche die Teilnehmenden besonders häufig als vor- oder nachteilig wahrnehmen. Tabelle 1 fasst die meistgenannten Vor- und Nachteile zusammen. So bezogen sich beispielsweise von 1.681 insgesamt genannten Vorteilen 31 Prozent auf die gewonnene Autonomie und Flexibilität im Homeoffice. Darüber hinaus wurden auch wegfallende Pendelzeiten sowie die gewonnene Ruhe und Konzentration besonders häufig als vorteilhaft benannt. Dominante Themen bei den genannten Nachteilen waren Probleme der sozialen Interaktion beziehungsweise der Kommunikation. Von allen 1.563 insgesamt genannten Nachteilen bezogen sich immerhin ein Viertel auf die im Vergleich zur Büroarbeit fehlende soziale Interaktion, sei es mit Kollegen und Kolleginnen oder zur Entspannung in der Freizeit mit Freunden und Freundinnen oder Familienangehörigen. Neben der sozialen Interaktion wurde auch die erschwerte professionelle Kommunikation vielfach hervorgehoben. Hier nannten die Teilnehmenden insbesondere Probleme mit der Kommunikation bei der täglichen Arbeit, unabhängig von der gewählten Kommunikationsform wie beispielsweise E-Mail oder Telefon. Der Austausch wurde ganz allgemein als gegenüber der Arbeit im Büro erschwert wahrgenommen. Die Kommunikation wurde häufig als „aufwendig“, „erschwert“ und „zeitraubend“ bezeichnet. Dabei waren weder eine schlechte technische Ausstattung noch Probleme mit der Netzverbindung hauptursächlich, sondern ganz allgemein der im Vergleich zum direkten Kontakt im Büroalltag verlangsamte und erschwerte Austausch. Es wurde bemängelt, dass im Vergleich zur Arbeit im Büro Kleinigkeiten nur mit unverhältnismäßig viel zeitlichem Aufwand und komplexe Sachverhalte häufig überhaupt nicht zufriedenstellend besprochen werden können. Häufig genannt wurden darüber hinaus neben den wenig überraschenden Problemen der nicht ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und schlechteren Verfügbarkeit benötigter Arbeitsmittel vor allem eine Überschreitung der regulären Arbeitszeit und ein Vermischen der Lebensbereiche.

Tabelle 1: Wahrgenommene Vor- und Nachteile an der Arbeit im Homeoffi ce in Prozent von insgesamt 1.681 genannten Vorteilen und 1.563 genannten Nachteilen | © Eigene Darstellung
Tabelle 1: Wahrgenommene Vor- und Nachteile an der Arbeit im Homeoffi ce in Prozent von insgesamt 1.681 genannten Vorteilen und 1.563 genannten Nachteilen ©Eigene Darstellung

Unterschiede zwischen Homeoffice und Arbeit im Büro

Um genauer zu verstehen, wie sich die Arbeitsbedingungen im Homeoffice gegenüber der Arbeit im Büro unterscheiden, wurden die Teilnehmenden im nächsten Schritt aufgefordert, Belastungsfaktoren ihres Heimarbeitsplatzes sowie Belastungsfaktoren ihres üblichen Büroarbeitsplatzes zu beschreiben. Zur systematischen Erfassung der psychischen Belastungsfaktoren im Homeoffice wurde hierbei der Fragebogen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen FGBU (Dettmers & Krause, 2020) verwendet.

Es zeigte sich, dass bei der Arbeit im Homeoffice im Vergleich zur Arbeit im Büro tatsächlich signifikant weniger Unterbrechungen und weniger Zeitdruck wahrgenommen wurden. Allerdings erlebten die Beschäftigten im Homeoffice auch signifikant weniger soziale Unterstützung und Feedback von Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten als am Büroarbeitsplatz.

Des Weiteren wurden die Beschäftigten zu ihrem Wohlbefinden befragt. Insgesamt stellten sich dabei besonders die erlebte Autonomie, Informationsdefizite sowie die Arbeitsumgebung als bedeutende Prädiktoren für das Wohlbefinden dar. Hier zeigten sich allerdings individuelle Unterschiede. Beispielsweise waren insbesondere mit Homeschooling betraute Eltern besonders belastet. Personen mit Kindern berichteten beispielsweise von mehr Konflikten zwischen der Arbeit und dem Privatleben. Statistisch signifikant waraußerdem, dass Teilnehmende, die sich die Kinderbetreuung mit jemand anderem teilten, etwas weniger erschöpft waren als Personen, die allein für die Betreuung zuständig waren.

Einige der Teilnehmenden waren in der Lage, die Auswirkungen erlebter negativer Belastungen selbstständig abzumildern. Insbesondere Teilnehmenden, die in der Lage waren, ihre Fähigkeiten im Homeoffice selbstständig weiterzuentwickeln, und zielgerichtet um Hilfe von Kolleginnen und Kollegen sowie Führungskräften baten, gelang es, negative Auswirkungen erlebter Anforderungen auf Wohlbefinden (gemessen als emotionale Erschöpfung) und Motivation abzumildern. So verringerte das beschriebene Verhalten beispielsweise die negativen Auswirkungen von Kommunikationsdefiziten auf die Arbeitsmotivation (berichtete Freude und Engagement) signifikant. Allerdings zeigten speziell diejenigen Beschäftigten solche Verhaltensweisen, die bereits vor der Pandemie Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice gesammelt hatten. Möglicherweise müssen die Beschäftigten sich für eine aktive Gestaltung ihrer Arbeit bereits ein wenig im Homeoffice eingerichtet haben. So zeigte sich nämlich auch, dass Homeoffice-Erfahrene insgesamt mehr Autonomie in ihrer Arbeit im Homeoffice erlebten. Darüber hinaus erlebte diese Gruppe auch weniger Probleme mit der Arbeitsumgebung und klagte weniger über Informationsdefizite.

Wird es mit der Zeit einfacher?

Die anhaltende Pandemie ermöglichte es, die Teilnehmenden langfristig zu beobachten und zu untersuchen, ob sie beispielsweise in weiteren Lockdowns bereits besser auf die Arbeit im Homeoffice vorbereitet waren. Einblick in diese Frage gewährt ein Vergleich mit einer Teilstichprobe von 200 Beschäftigten, die ein zweites Mal an einer Befragung zu Beginn des zweiten Lockdowns im November 2020 teilnahmen. Sie waren im Schnitt 46 Jahre alt und 66 Prozent von ihnen weiblich.

Vergleiche der Angaben der Teilstichprobe mit Angaben aus dem Frühjahr lassen vermuten, dass die wahrgenommenen Unterschiede zwischen der Arbeit im Homeoffice und der im Büro nach einiger Zeit abnehmen. Das gilt sowohl für Nachteile, wie beispielsweise soziale Spannungen oder Zeitdruck, die anfangs im Homeoffice weniger häufig als im Büro, später jedoch wieder etwa gleich häufig auftraten, aber auch für Vorteile. So erlebten die Beschäftigten im zweiten Lockdown zwar ähnlich viele emotionale Belastungen im Homeoffice, aber dafür auch wieder etwa gleich viel Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen wie vor dem Lockdown im Büro. Einige Faktoren wie weniger Unterbrechungen oder der Austausch mit der Führungskraft blieben jedoch erhalten. Darüber hinaus nahm die selbst eingeschätzte Produktivität eher zu als ab. So gaben zu beiden Befragungszeitpunkten mehr als 80 Prozent der Teilnehmenden an, im Homeoffice mindestens genauso produktiv zu arbeiten wie im Büro, und mehr als 70 Prozent berichteten, dort mindestens genauso viel Arbeit zu erledigen. Vom ersten zum zweiten Befragungszeitpunkt stiegen die Werte sogar leicht, wenn auch nicht statistisch signifikant.

Was geht, was bleibt?

Die Ergebnisse der beschriebenen Studie bestätigen an vielen Stellen die Studien zu Homeoffice aus den vergangenen Jahren (Begerow et al., 2020). Auch die Vielzahl weiterer neuer Forschungsergebnisse zum Homeoffice aus dem Pandemiejahr liefern nicht grundlegend neue Erkenntnisse zu wahrgenommenen Vor- und Nachteilen oder psychischen Belastungsfaktoren der Arbeit im Homeoffice, sondern bestätigen und unterstreichen bekannte Befunde (siehe beispielsweise Dettmers & Mülder, 2020; Ernst, 2020; Meyer, 2020). Wie aber sind neuere Berichte von überlasteten Beschäftigten, die sich nichts sehnlicher wünschen, als an ihren Büroarbeitsplatz zurückkehren zu können, oder alarmierende Warnungen über Produktivitätseinbußen einzuordnen?[3] Möglicherweise sind einige der wahrgenommenen Nachteile der Arbeit im Homeoffice auch durch die von der Pandemie mit ausgelösten Rahmenbedingungen verursacht. Belastende Aspekte wie beispielsweise Homeschooling, dauerhafte Arbeit ausschließlich von zu Hause aus ohne persönlichen Kontakt mit Kollegen und Kolleginnen, Kunden und Kundinnen dürften pandemiespezifische Probleme sein, die bei einer Rückkehr zum gelegentlichen oder regelmäßig alternierenden Homeoffice (etwa der Klassiker von zwei bis drei Tagen die Woche) wegfallen. In der oben beschriebenen Studie war es so, dass die Teilnehmenden auch nach mehreren Monaten noch durchaus motiviert waren und sich zufrieden mit ihrer Arbeitsleistung zeigten, aber sie wurden in Bezug auf ihre allgemeine Lebenssituation unzufriedener. Die Arbeit im Homeoffice wird also durchaus nach wie vor positiv wahrgenommen. Dieses Ergebnis bestätigt auch eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Sie kam im April 2021 zu dem Ergebnis, dass von den befragten Beschäftigten im Homeoffice mehr als die Hälfte auch in Zukunft gern von zu Hause aus arbeiten möchte (Tendenz steigend; Ahlers et al., 2021). Auch die Fellowes-Studie zeigte, dass Beschäftigte sich trotz der wahrgenommenen Belastung weiterhin die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice wünschten, allerdings bevorzugt nur an einigen Tagen in der Woche. Insgesamt muss sich also zeigen, ob die Pandemie gegebenenfalls als Einstieg fungiert hat, der sowohl Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als auch Beschäftigte mit den Chancen und Risiken der Arbeit im Homeoffice vertraut macht und eine Basis für eine erfolgreiche Integration von Homeoffice- und Büroarbeit bildet.

Literatur

Ahlers, E.; Mierich, S.; Zucco, A. (2021): Homeoffice – Was wir aus der Zeit der Pandemie für die zukünftige Gestaltung von Homeoffice lernen können. Report Nr. 65 04/2021

Begerow, E.; Jansen, N.; Roscher, S.; Taşkan-Karmürsel, E. (2020): Homeoffice gesund gestalten – ein Überblick zu aktuellen Erkenntnissen. In: DGUV forum, Ausgabe 8/2020, S. 3–9

Dettmers, J.; Mülder, L. M. (2020): Arbeitsgestaltungskompetenz im Homeoffice, https://www.researchgate.net/publication/343889665_Arbeitsgestaltungskompetenz_im_Homeoffice_Wirtschaftspsychologie_aktuell (abgerufen am 20.05.2021)

Dettmers, J., Krause, A.: Der Fragebogen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (FGBU). In: Zeitschrift für Arbeits-und Organisationspsychologie, Ausgabe 2/2020, S. 99–119

Ernst, C. (2020): Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie, https://www.th-koeln.de/hochschule/home-office-im-kontext-der-corona-pandemie_73783.php (abgerufen am 20.05.2021)

Fellowes GmbH (2021): Auswirkungen von Home Office auf die psychische und physische Gesundheit, https://www.presseportal.de/pm/73167/4823014 (abgerufen am 10.05.2021)

Meyer, B.; Zill, A.; Schuhmann, S. (2020): Arbeitssituation und Belastung zu Zeiten der Corona-Pandemie, https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/belastungen-der-menschen-waehrend-der-corona-pandemie-2095246 (abgerufen am 10.05.2021)

Stempel, C.; Siestrup, K.; Tstantidis, S.; Blume, J.; Kreft, J. (2020): Home Sweet Home – Belastungen und Unterstützungsfaktoren im Homeoffice, https://www.fernuni-hagen.de/universitaet/aktuelles/2020/11/homeoffice-ergebnisse-allgemein.shtml (abgerufen am 23.04.2021)

Tims, M.; Bakker, A. B.: Job crafting: Towards a new model of individual job redesign. In: SA Journal of Industrial Psychology, Ausgabe 2/2010, S. 1–9