Homeoffice: Betrachtung aus gewerkschaftlicher Sicht – mit Fokus auf das Unfallversicherungsrecht
Um die Folgen der pandemischen Ausbreitung zu begrenzen, ermöglichten in der Coronakrise immer mehr Unternehmen ihren Beschäftigten mobiles Arbeiten oder die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice. Durch diese Veränderungen ist der Gesetzgeber gefordert, die bestehenden Regelungen im Arbeits-, Sozial- und hier besonders im Unfallversicherungsrecht an die moderne Arbeitswelt anzupassen.
In immer mehr Unternehmen wird mobiles Arbeiten in Form von Homeoffice zum Alltag. Digitale Technologien ermöglichen es, zu jeder Zeit und von jedem Ort aus zu arbeiten. Schon das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom von 2018 zeigte, dass vier von zehn Unternehmen (39 Prozent) ihre Beschäftigten ganz oder teilweise Tätigkeiten von zu Hause aus ausüben lassen.[1] Mehr noch, jedes zweite Unternehmen erwartet, dass der Anteil von Beschäftigten, die im Homeoffice tätig sind, in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter steigt. Aus unterschiedlichen Befragungen wird deutlich, dass flexibles Arbeiten im Homeoffice auch bei den Beschäftigten ganz oben auf der Wunschliste steht, um Familie, Freizeit und Beruf besser zu vereinbaren.
So zeigt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung,[2] dass Beschäftigte, die im Homeoffice arbeiten, im Vergleich zu Beschäftigten ohne Homeoffice einsatzbereiter und zufriedener mit ihrem Job sind.[3] Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Homeoffice mit einer höheren Leistung, mehr Engagement und weniger Kündigungsabsichten verbunden ist. Schon allein die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können, reicht aus, damit Beschäftigte einsatzbereiter, zufriedener, engagierter und produktiver sind. Durch das Angebot, zu Hause arbeiten zu können, wird das Vertrauen zwischen Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitgeberin und Beschäftigten gestärkt.[4]
Der Trend zum Homeoffice hat sich, wenn auch ungeplant und "ad hoc", in der Coronapandemie verstärkt: Nicht nur, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland der Digitalisierung große Bedeutung beimisst. Zwei Drittel (65 Prozent) sind der Ansicht, dass digitale Technologien dabei helfen können, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, etwa durch Homeoffice. Mitte März 2020, also in einem frühen Stadium der Krise, arbeitete knapp die Hälfte (49 Prozent) der berufstätigen Befragten ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice.[5]
Gewerkschaften weisen schon lange darauf hin, dass mobile Arbeit nicht nur Probleme löst, sondern neue schaffen kann, wenn bestehende Regelungen nicht an eine moderne Arbeitswelt angepasst werden.
Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag festgehalten, mobile Arbeit zu fördern und zu erleichtern.[6] Zur Umsetzung erarbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit einen Gesetzentwurf, um ein gesetzlich verankertes Recht auf Homeoffice zu schaffen.[7] Hier sind klare Regelungen einzufordern. Gewerkschaften weisen schon lange darauf hin, dass mobile Arbeit nicht nur Probleme löst, sondern neue schaffen kann, wenn bestehende Regelungen nicht an eine moderne Arbeitswelt angepasst werden.
Homeoffice – was ist das?
"Homeoffice" ist kein rechtlicher Begriff, sondern dem allgemeinen Sprachgebrauch entlehnt. Gemeint ist zumeist der Fall, dass gelegentlich an einem anderen Arbeitsplatz als in dem Gebäude des Unternehmens gearbeitet wird, meist von zu Hause aus. Manche nennen es auch "mobiles Arbeiten" – und in beidseitigem Interesse (Beschäftigte und Arbeitgeber/Arbeitgeberin) bleibt ungeklärt, wo denn zumeist tatsächlich gearbeitet wird. Diese "Lösung" trägt auch dem Umstand Rechnung, dass es eben keine gesetzlichen Regelungen gibt. Bestehen allerdings kollektivrechtliche Vereinbarungen, geben diese die Ausgestaltung des Arbeitens im Homeoffice oder allgemein des mobilen Arbeitens vor.
Eine Abgrenzung gibt es aber doch: Die Telearbeit ist rechtlich geregelt. Es handelt sich um regelmäßige vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause. Gemäß § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sind Telearbeitsplätze vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die eine mit den Beschäftigten arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung geschaffene Regelung über die wöchentliche Arbeitszeit, die Dauer der Einrichtung und die Bedingungen der Telearbeit festgelegt ist. Die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen erfolgt durch den Arbeitgeber im Privatbereich des Beschäftigten.
Notwendigkeit eines gesetzlichen Rahmens
Selbstbestimmtes mobiles Arbeiten verspricht nicht nur größere, individuelle Freiheiten bei der Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung. Es wirft auch eine Reihe von Gestaltungsfragen auf. Die Tarifvertragsparteien haben in jüngsten Tarifverträgen innovative Regelungen für mobiles Arbeiten gefunden, allerdings arbeiten viele Beschäftigte ohne tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelungen nach wie vor in einer Grauzone der ungeregelten, "wilden mobilen Arbeit". Auch die aktuellen Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, einen gesetzlichen Ordnungsrahmen für mobiles Arbeiten zu schaffen: Nach den Wochen im Homeoffice werden nun Beschäftigte wieder ins Büro zurückgeholt. Auf die Wünsche der Beschäftigten kommt es oft nicht an. Dabei sollte das Arbeiten im Homeoffice gerade dann ermöglicht werden, wenn der Bedarf alleine von den Beschäftigten ausgeht. Deshalb brauchen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf selbstbestimmtes, freiwilliges und widerrufbares mobiles Arbeiten, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe dagegensprechen. Das selbstbestimmte mobile Arbeiten darf nicht zu Benachteiligungen oder zum Wegfall des Arbeitsplatzes im Betrieb führen. Schließlich soll es nicht darum gehen, betriebliche Arbeitsplätze wegzurationalisieren, sondern darum, mehr Souveränität und Zufriedenheit bei gleichbleibender Einbindung in die betrieblichen Strukturen zu ermöglichen.
Neben den Freiheiten in der Gestaltung braucht die Arbeit von zu Hause auch klare Grenzen. Ohne Regelungen zur Arbeitszeit in Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und ohne Erfassung der gesamten Arbeitszeit sind ausufernde Arbeitszeiten und permanente Erreichbarkeit vorprogrammiert – auch das hat sich in der letzten Zeit nachdrücklich gezeigt. Auswirkungen solcher Arbeitszeiten sind bekanntlich gesundheitsschädlich. Die Erfassung der gesamten erbrachten Arbeitszeit ist seit über einem Jahr ohnehin überfällig, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine generelle Pflicht zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit bestätigt hat.
Und schließlich muss gewährleistet werden, dass die Beschäftigtendaten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von zu Hause aus arbeiten, sicher sind und dass diese Personen einen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz erfahren, der mit dem der im Betrieb Beschäftigten vergleichbar ist.
Unfallversicherung und Homeoffice
Befasst sich die Rechtsprechung der Sozialgerichte mit dem Thema Homeoffice, gilt der Blick dem Unfallversicherungsrecht. Denn es macht für die anderen Bereiche des Sozialrechts erkennbar keinen Unterschied, ob die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit im Betrieb, in der Verwaltung oder eben zu Hause verrichtet wird. Im Rahmen des Homeoffice verliert das häusliche Umfeld teilweise seinen privaten Charakter, da es eben auch beruflich genutzt wird. Der gleiche Unfallhergang stellt sich damit entweder als ein unversichertes Geschehen dar, weil es sich im Rahmen der normalen Haushalt- oder Lebensführung ereignete, oder aber als versicherter Arbeitsunfall, wenn es im Zusammenhang mit der betrieblichen Verrichtung zum Unfall gekommen ist.
Die Abgrenzungsprobleme liegen auf der Hand: Bei der Prüfung, ob ein Arbeitsunfall in privaten Wohnräumen vorliegt, steht die Handlungstendenz der versicherten Person zum Unfallzeitpunkt im Vordergrund (subjektive Komponente). Zudem ist zu klären, ob sich diese Handlungstendenz anhand der konkreten Umstände im Einzelfall objektiv nachweisen lässt.
Die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Homeoffice
Klassische Unfälle wie beispielsweise das Stolpern über eine Türschwelle, das Abrutschen von einer Treppenstufe oder das Stoßen an einer Tischkante ereignen sich sowohl im häuslichen Bereich wie im betrieblichen Umfeld. Und statistisch betrachtet passieren die meisten Unfälle im Haushalt.
Gleichwohl hat das Bundessozialgericht (BSG) einen sicherlich praxisorientierten und auch für Beschäftigte im Homeoffice nachvollziehbaren Weg gefunden, wie mit Unfällen in Räumen oder auf Treppen im Homeoffice-Bereich umzugehen ist.[8] Der Zweite Senat des BSG hatte in seiner Entscheidung vom 27. November 2018 dargetan, dass schon zuvor innerhalb des Senats Zweifel bestanden, ob an der Rechtsprechung, die zur Feststellung eines versicherten Betriebswegs im häuslichen Bereich auf das Ausmaß der Nutzung des konkreten Unfallorts abgestellt hatte, festgehalten werden könne.[9] Nunmehr wird nicht mehr an die Häufigkeit der betrieblichen oder privaten Nutzung des konkreten Unfallorts angeknüpft – gleichsam einer wie auch immer gearteten objektiven "Widmung" der jeweiligen Räumlichkeiten oder der Messung der Häufigkeit der "betrieblichen" Nutzung des konkreten Unfallortes. Entscheidend ist bei der Feststellung eines Arbeitsunfalls im häuslichen Bereich die objektivierte Handlungstendenz der versicherten Person, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen.[10] Demnach setzt – geradezu klassisch und nicht beeinträchtigt von der "Widmung" des Unfallorts – ein Arbeitsunfall voraus, dass die oder der Verletzte durch eine Verrichtung während des fraglichen Unfallereignisses den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb unter den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz fällt. Diese versicherte Verrichtung hat zu einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt und dieses Unfallereignis hat einen Gesundheitserstschaden oder den Tod der versicherten Person verursacht.
So egalitär diese relativ neue Rechtsprechung in Behandlung von Unfällen während Verrichtung der versicherten Tätigkeit – egal ob im Betrieb oder zu Hause erlitten – ist, so ungleich ist die Bewertung von Unfallgeschehen in Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, je nachdem, ob die Verrichtung dem Unternehmen dienender Tätigkeit im Betrieb oder zu Hause stattfindet. Zuletzt im Januar dieses Jahres hat das BSG[11] dargetan, dass eine im Homeoffice arbeitende Versicherte, die auf dem Weg vom Verbringen ihres Kindes in den Kindergarten[12] hin zum Arbeitsort – dem Homeoffice – einen Unfall weder auf einem nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Betriebsweg noch auf einem Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten hat.[13] Es lässt sich nicht verkennen, dass der hier zu berücksichtigende Unfall nicht auf einem Betriebsweg geschah. Dass er aber nicht auf dem "mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg […] nach und von dem Ort der Tätigkeit" (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) oder "von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weg […], um Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen" (§ 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII) geschah, kann nur angenommen werden, wenn davon ausgegangen wird, dass der Ort des privaten Aufenthalts und der der versicherten Tätigkeit, zwischen denen der Weg zurückgelegt wird, räumlich auseinanderfallen.[14] Wird dem hingegen streng der objektivierten Handlungstendenz gefolgt, ließe sich die hier sichtbare Lücke konsequent schließen. Gleichwohl skizziert das BSG selbst den weiteren Weg: "Für den Fall der Arbeit in einem Home Office müsste eine Versicherung des Wegs zu einer Kinderbetreuung vom Senat im Wege der Rechtsfortbildung erst begründet werden. Eine solche Erweiterung des Versicherungsschutzes obliegt aber dem sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers."[15]
Das selbstbestimmte mobile Arbeiten darf nicht zu Benachteiligungen oder zum Wegfall des Arbeitsplatzes im Betrieb führen.
Zwischenergebnis: Nicht versichert sein werden weiterhin alle Wege im Haus im Zusammenhang mit privat geprägten Tätigkeiten, und zwar unabhängig davon, ob sie mittelbar mit der im Homeoffice zu erledigenden Arbeit im Zusammenhang stehen. Der Gang zur Toilette oder in die Küche im Homeoffice untersteht keinem Unfallversicherungsschutz.[16] Im Unterschied dazu besteht im Betrieb auf dem Weg dorthin Versicherungsschutz. Die Gründe dafür liegen unter anderem in der fehlenden Möglichkeit der Unfallversicherungsträger, präventiv tätig zu werden.
Die Notwendigkeit, den Weg vom Homeoffice hin zur oder weg von der Kinderbetreuung einem Versicherungsschutz zu unterstellen, ist offenkundig, will man eine Gleichsetzung von "Arbeiten im Betrieb" und "Arbeiten im Homeoffice" erreichen.
Prävention im Homeoffice
Im Rahmen der Prävention zur Überwachung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren haben die Unfallversicherungsträger weitgehende Befugnisse (§ 19 SGB VII). Diese gestatten ihnen, Maßnahmen gegenüber Unternehmen und Versicherten anzuordnen, und verleihen ihnen Rechte zur Überprüfung dieser Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem die Rechte, Arbeitsstätten zu besichtigen und Arbeitsmittel zu prüfen (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB VII). Dieser gesetzliche Auftrag bezieht sich jedoch nur auf Betriebe und ist in den Privatwohnungen von im Homeoffice Beschäftigten nicht durchzusetzen, weil dem die Unverletzlichkeit der Wohnung als Grundrecht entgegensteht. Darauf hat das BSG in seiner Entscheidung zum häuslichen Treppensturz aus dem Jahr 2016 bereits hingewiesen.[17] Nur in den sehr engen Grenzen, wenn von dem häuslichen Arbeitsplatz bekannte dringende Gefahren für Leib und Leben ausgehen, ist dieses Grundrecht eingeschränkt (§ 19 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB VII). Das BSG kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Unfallversicherungsträger nur eingeschränkt zu präventiven, der sicheren Gestaltung der Arbeitsplätze dienenden Maßnahmen in der Lage sind. Daher ist es nach Auffassung des BSG sachgerecht und nicht unbillig, das vom häuslichen und damit persönlichen Lebensbereich ausgehende Unfallrisiko den Versicherten und nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der gerade die Unternehmerhaftung abgelöst werden soll, anzulasten.[18] Diese Problematik gilt genauso für die sich aus dem Unfallversicherungsrecht ergebenden Pflichten des Arbeitgebers und der Arbeitgeberin, Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten undarbeitsbedingten Gesundheitsgefahren durchzuführen (§ 21 Abs. 1 SGB VII).
Im Verhältnis zu den Arbeitgebern wäre denkbar, dass im Rahmen der gesetzlichen Mitwirkungspflichten der Beschäftigten (§ 21 Abs. 3 SGB VII ), die Prävention zu unterstützen und den Weisungen des Arbeitgebers beziehungsweise der Arbeitgeberin zu folgen, Möglichkeiten zur Regelung durch Arbeitsvertrag bestünden. Einzelvertragliche Regelungen sind als eher unrealistisch anzusehen. Ebenso wie schärfere Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers zu verpflichtenden Zutritts- und Prüfmöglichkeiten im verfassungsrechtlichen Kontext nicht durchsetzbar sein dürften, ist es auch unrealistisch, dass einzelvertragliche Regelungen zwischen Beschäftigten und Unfallversicherungsträger zustande kämen.
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
Soweit Regelungen zur Einbeziehung von Beschäftigten in den Unfallversicherungsschutz in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen bestehen, dürften diese lediglich deklaratorischen Charakter haben. Daher ist zweifelhaft, inwieweit ein kollektivrechtliches Instrumentarium eine Lösungsoption bietet: Kollektivrechtliche Vereinbarungen drücken zwar den Regelungswillen der Tarifvertrags- und Betriebsparteien aus, dürften aber nicht zur Einbeziehung von Sachverhalten unter den Unfallversicherungsschutz des SGB VII führen: Hierzu wird regelmäßig die Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien fehlen. Denn dies ist Sache des Gesetzgebers. Also sind zur angemessenen Absicherung der Beschäftigten im Homeoffice spezielle gesetzliche Regelungen erforderlich.[19]
Handlungsnotwendigkeiten des Gesetzgebers
Auch wenn die Rechtsprechung den gesellschaftlichen Verhältnissen folgt, bleiben Uneindeutigkeiten. Möglich ist, dass die durch die COVID-19-Pandemie bedingte und vorher nicht zu erwartende Ausbreitung der Praxis, im Homeoffice zu arbeiten, auch in der Rechtsprechung Folgen nach sich zieht. Das wird die nähere Zukunft zeigen.
Bezogen auf das Unfallversicherungsrecht ist die Rechtsprechung in Bewegung, ohne Lücken in der Gleichsetzung von Arbeiten im Betrieb und Arbeiten im Homeoffice zu schließen.
In Bezug auf Arbeitsschutz und Prävention ist der Unterschied zwischen dem eingerichteten Arbeitsplatz in Betrieb oder Verwaltung und dem (eher nicht eingerichteten) Arbeitsplatz im Homeoffice evident. Auch wenn bislang hierzu keine empirischen Forschungsergebnisse vorliegen, dürfte es prima facie so sein: Gerade in der Zeit der COVID-19-Krise hat sich, den Folgen einer pandemischen Ausbreitung vorbeugend, durch das massenhafte Arbeiten im Homeoffice oder "mobil" ein Wildwuchs an der Ausstattung der Arbeitsplätze ergeben.
Hier wird der Gesetzgeber, der sich ohnehin des mobilen Arbeitens annehmen möchte,[20] gefordert sein. Es bedarf, wie der Bundesminister für Arbeit und Soziales es ausdrückt, "fairer Regeln".[21]
Und der Gesetzgeber muss handeln. Beschäftigte, die mobil arbeiten, müssen ohne jeden Zweifel unfallversichert sein und dürfen sich nicht nur aufgrund rechtlich unverbindlicher Erklärungen in Sicherheit wähnen. Sie dürfen nicht schlechter gestellt werden als Beschäftigte, die am Sitz des Unternehmens ihre Tätigkeit ausüben. Das gilt in Bezug auf die Ausgestaltung der Arbeitsplätze, die zu verrichtende Arbeitszeit und es gilt grundsätzlich in Bezug auf die Freiwilligkeit ob des "Arbeitens zu Hause".
Schon vor Jahresfrist hat der DGB ein Diskussionspapier für einen gesetzlichen Ordnungsrahmen für selbstbestimmtes mobiles Arbeiten veröffentlicht.[22] Kernforderungen sind das Recht auf selbstbestimmtes mobiles Arbeiten, die unmittelbar aus dem Unionsrecht [23] folgende vollständige Erfassung der Arbeitszeiten, die Stärkung der Nichterreichbarkeit und, wie skizziert, die Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. Die Domäne der kollektiven Mitbestimmung ist zu berücksichtigen und den technischen Gegebenheiten entsprechend auszuweiten.
All diese Erwartungen folgen lediglich der Entwicklung der Produktivkräfte als Kommunikations- und Arbeitsmittel. Keinesfalls ist es angemessen, einer nicht vorhandenen Bürokratisierung das Wort zu reden, in dem der (noch gar nicht gesetzlich geregelte) Arbeitsschutz für Homeoffice-Arbeitsplätze zu entbürokratisieren wäre. Auch mag es sein, dass in Unternehmenskreisen "gesetzliche Regelungen und faktische Hürden für mobiles Arbeiten, etwa durch veraltete Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung" für nicht sinnvoll gehalten werden.[24] Um aber den Status quo des Arbeits- und Sozialrechts als Schutzschirm zu bewahren, ist ein gesetzlicher Gestaltungsrahmen für selbstbestimmtes mobiles Arbeiten – inklusive Homeoffice – erforderlich.[25]