Therapie maligner Mesotheliome – neue Ansätze
In den vergangenen Jahren wurden für Mesotheliome medizinische Behandlungen neu entwickelt oder optimiert, die im Zusammenspiel mit neuen Biomarkern wichtige Bausteine für die Früherkennung und moderne Behandlungskonzepte sein können. Der Beitrag beleuchtet den Status quo der Diagnostik und Therapie dieser Tumoren, die häufig Folge einer beruflichen Asbestexposition sind, und gibt einen Ausblick.
Einführung
Maligne Mesotheliome des Rippenfells, des Bauchfells, des Perikards und der Tunica vaginalis testis sind, gemessen an ihrem Auftreten in der Allgemeinbevölkerung, seltene Tumorerkrankungen. Trotz hoch entwickelter moderner Therapieansätze ist die Prognose bislang meist infaust.
Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen können maligne Mesotheliome als Berufskrankheit nach Nummer 4105 (im Folgenden: BK-Nr. 4105) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anerkannt werden. Im Jahr 2019 wurden 827 Erkrankungen als BK-Nr. 4105 neu anerkannt. Fast 30 Jahre nach dem Asbestverwendungsverbot aus dem Jahr 1993 kommt der BK-Nr. 4105 damit weiterhin eine große Bedeutung innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung zu.
DGUV-Fachgespräch „Mesotheliomtherapie“
Neue diagnostische Methoden, insbesondere die Verfügbarkeit von Biomarkern für die Früherkennung maligner Mesotheliome, neue medikamentöse Therapieansätze, aber auch das Fehlen einer aktuellen deutschsprachigen Mesotheliom-Leitlinie waren für die DGUV Anlass, den Status quo der Therapie maligner Mesotheliome in einem Kreis von Fachleuten zu erörtern. Dazu veranstaltete sie in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Essen – Ruhrlandklinik am 16. November 2019 in Bochum das DGUV-Fachgespräch „Mesotheliomtherapie“.
Ziel war, den Status quo bei Therapien des malignen Mesothelioms herauszuarbeiten sowie den medizinisch-wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch zum Thema anzustoßen und zu fördern. Entsprechend richtete sich die Veranstaltung vorrangig an Ärztinnen und Ärzte, die mit der Therapie des malignen Mesothelioms befasst sind, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Unfallversicherungsträger sowie an beratende Ärztinnen und Ärzte. Rund 90 Expertinnen und Experten, je etwa zur Hälfte aus den Bereichen Medizin und Unfallversicherung, nahmen an der Veranstaltung teil.
Bedeutung von Biomarkern
Sowohl für die Diagnostik als auch die Therapie von Mesotheliomen ist zukünftig von grundlegender Bedeutung, dass sich durch die vielversprechenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Früherkennung von Mesotheliomen mittels Biomarkern neue Ansätze ergeben. Die Kombination der Biomarker Calretinin und Mesothelin ermöglicht, Tumoren bis zu einem Jahr vor ihrer klinischen Manifestation zu detektieren. In der „MoMar“-Studie konnte das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) damit erstmals die Möglichkeit der Früherkennung maligner Mesotheliome durch Biomarker in einer Hochrisikogruppe aufzeigen. Dies bedeutet in der Konsequenz auch, dass infolge des vorverlegten Diagnosezeitpunkts mutmaßlich früher als bisher mit der Therapie begonnen werden kann. Zugleich könnten Tumoren in noch frühen Entwicklungsstadien entdeckt werden, was die Behandlungsoptionen erweitert und die Langzeitprognose günstig beeinflussen kann.
Die Kombination aus Früherkennung, einem optimierten, vereinheitlichten Therapieangebot und der Berücksichtigung neuester Therapieansätze könnte die Basis bilden, um die Prognosen für die Erkrankten zukünftig zu verbessern.
Mesotheliomtherapie – State of the Art
Mesotheliome werden bisher meist erst entdeckt, wenn die Tumorentwicklung schon weit fortgeschritten ist und sich die betroffene Person in einem entsprechend schlechten Allgemeinzustand befindet. Dadurch können nur relativ wenige Patientinnen und Patienten einer kurativen Operation zugeführt werden. In der Regel kommen Chemo- und Strahlentherapie entweder in Kombination mit einer Operation zur Anwendung (multimodaler Ansatz) oder vorwiegend palliativ, wenn eine Operation nicht möglich ist.
Seit sich im Jahr 2003 die Kombination der Chemotherapeutika Pemetrexed/Cisplatin erstmals als wirksam erwiesen und sich daraufhin als Standard der Chemotherapie beim Mesotheliom entwickelt hat, schien es trotz zahlreicher Anstrengungen für lange Zeit keine neuen Durchbrüche in der Behandlung maligner Mesotheliome zu geben. Erst in den vergangenen Jahren konnten moderate Verbesserungen durch den zusätzlichen Einsatz von sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren oder Hemmern der Blutgefäßneubildung wie Bevacizumab erreicht werden.
Radikale chirurgische Eingriffe wie die extrapleurale Pneumonektomie (EPP) werden heutzutage nur noch selten durchgeführt, da hier der betroffene Lungenflügel und die betroffenen Pleuraanteile, meist auch Herzbeutel und Zwerchfell, komplett entfernt werden. Meist erfolgt eine besser verträgliche Pleurektomie-Dekortikation (P/D) oder die erweiterte P/D (EPD). In Kombination mit einer lokalen Chemotherapie (HITHOC, Hypertherme intrathorakale Chemotherapie) konnten in den vergangenen Jahren einige Erfolge erzielt werden.
Die vielversprechendsten neuen Ansätze ergeben sich bei der Immuntherapie, die sowohl in späten Stadien beziehungsweise vorbehandelten Tumoren eingesetzt wird als auch vor Kurzem als Erstlinientherapie zugelassen wurde. Neben den zahlreichen Ansätzen, die sich hinter dem Begriff Immuntherapie verbergen, sind vor allem die sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) am weitesten entwickelt. Diese können auch mit anderen Therapien wie zum Beispiel der Chemotherapie kombiniert werden.
Da oft nur bestimmte Gruppen von Patientinnen und Patienten von den diversen neuen Behandlungsmethoden profitieren, sind auch hier Biomarker wichtig. Biomarker werden in diesen Fällen als Verlaufskontrollen und als prädiktive Marker eingesetzt, um Erkrankte zielgerichteter zu behandeln und ihnen weniger zielführende oder unnötige Behandlungen zu ersparen.
Erwartungen aus der Praxis
Sowohl vonseiten der Unfallversicherungsträger als auch aus Sicht der betroffenen Versicherten besteht die Erwartung, dass die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zeitnah qualitätsgesichert in die Praxis umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere die Therapieoptionen, die sich aus der infolge der Biomarkerdiagnostik nun frühzeitiger möglichen Diagnose in früheren Entwicklungsstadien der Tumoren ergeben können.
Im Fokus steht dabei auch die Beratung Betroffener zu geeigneten Therapieoptionen. Von der Diagnose „Mesotheliom“ Betroffene erwarten eine umfassende und qualifizierte Beratung und die bestmögliche Therapie. Entsprechende Angebote sollten durch spezialisierte klinische Zentren mit besonderer Expertise in der Behandlung maligner Mesotheliome erfolgen; idealerweise bereits ab dem Anfangsverdacht auf eine mögliche Mesotheliomerkrankung.
In diesem Zusammenhang wird von den Unfallversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) geprüft, ob sogenannte Mesotheliomzentren etabliert werden können, die von Betroffenen und Unfallversicherungsträgern gleichermaßen als fachkompetente Beratungsstellen in allen Belangen der Mesotheliomtherapie genutzt werden könnten. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit der verbesserten und zielgerichteten Erfassung relevanter Daten als Grundlage für die wissenschaftliche Forschung zur Therapie maligner Mesotheliome.
Ausblick
Auch als ein Ergebnis des DGUV-Fachgesprächs „Mesotheliomtherapie“ wurde von den Unfallversicherungsträgern die Projektgruppe „Mesotheliomtherapie“ eingerichtet. Ihre Aufgabe: die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung der neuen Erkenntnisse im Bereich der Diagnostik und Therapie in die Arbeit der gesetzlichen Unfallversicherung zu prüfen.
Die Gruppe erarbeitet in Zusammenarbeit mit der DKG Kriterien für die weitergehende Zertifizierung geeigneter Lungenkrebszentren als zertifizierte Mesotheliomzentren. In den Zentren sollen unter anderem sogenannte Mesotheliomsprechstunden etabliert werden, die betroffenen Versicherten eine interdisziplinär ausgerichtete Beratung rund um Fragen der Diagnostik und Therapie maligner Mesotheliome bieten. Nach aktuellem Stand können die Zertifizierungen der Zentren voraussichtlich bereits 2021 beginnen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Projektgruppe ist die zeitnahe praktische Umsetzung des Biomarkerangebots zur Früherkennung von Mesotheliomerkrankungen durch die Unfallversicherungsträger mit entsprechender wissenschaftlicher Begleitung durch das IPA.