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Ausgabe 12/2022

Asbest – ein neuer europäischer Grenzwert kommt

Asbestgefahr in Europas Gebäuden: Ein neues Maßnahmenpaket der EU-Kommission soll Handwerker besser schützen – doch der endgültige Grenzwert bleibt umstritten.

Darauf haben viele in Brüssel gewartet: Vor wenigen Wochen hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen neuen europäischen Grenzwert für die Exposition gegenüber Asbest am Arbeitsplatz vorgestellt. Sie plädiert für eine Absenkung des Grenzwertes um das Zehnfache – von derzeit 0,1 auf 0,01 Fasern pro Kubikzentimeter (f/cm³). Hierzu soll die Richtlinie zum Schutz gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz aktualisiert werden.

Für den Arbeitsschutz in Deutschland und der gesamten EU ist das Thema hoch relevant: Im Zuge des Green Deals der Europäischen Kommission soll die jährliche Quote von energetischen Gebäuderenovierungen in allen Mitgliedstaaten erhöht werden. Zwar darf in Deutschland seit 1993 und EU-weit seit 2005 der krebserregende Stoff nicht mehr in Gebäuden verbaut werden. Laut der Europäischen Kommission wurden in Europa aber seit dem Jahr 2005 noch mehr als 220 Millionen Gebäudeeinheiten errichtet, von denen ein Großteil Asbest enthält. In Deutschland sind gerade Bauten aus den 1960er- bis 1970er-Jahren betroffen. Zu asbesthaltigen Baumaterialien gehören etwa Asbestzementprodukte wie beispielsweise Dachplatten und Fallrohre sowie bestimmte Putze und Fliesenkleber. Im Zuge der anstehenden Renovierungswelle ist also davon auszugehen, dass Handwerkerinnen und Handwerker mit asbesthaltigen Baustoffen vermehrt in Kontakt kommen können. Eine Anpassung an den aktuellen wissenschaftlichen Stand des europäischen Grenzwertes ist deshalb mehr als sinnvoll.

Der Vorschlag für den neuen Expositionswert ist aber nicht die einzige Neuerung, die die Europäische Kommission im Sinn hat. Der vorgestellte Grenzwert ist nur ein Baustein eines umfassenden Maßnahmenpakets für einen besseren Schutz vor Asbest, das die Europäische Kommission geschnürt hat. Es sollen auch europaweit Gebäude und technische Anlagen auf Asbest überprüft und registriert werden. Die Europäische Kommission möchte hierzu im kommenden Jahr einen Gesetzentwurf vorlegen. Auch die Entsorgung von asbesthaltigem Material soll sicherer werden. Darüber hinaus möchte die Europäische Kommission die Diagnose und die Behandlung von Asbesterkrankungen optimieren. Finanziert werden sollen die Vorhaben über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und mit der „Aufbau- und Resilienzfazilität“ (ARF). Das ist ein befristetes Finanzierungsinstrument, mit dem die Europäische Kommission Mitgliedstaaten bei Reformen unterstützen kann, die mit den Prioritäten der EU in Einklang stehen.

Mit der Absenkung des europaweiten Grenzwertes müssen sich zunächst das Europaparlament und der Ministerrat befassen. Kritik gibt es momentan fraktionsübergreifend im Europäischen Parlament und von Gewerkschaftsseite. Demnach sei der europäische Grenzwert immer noch zu hoch, um Arbeitskräfte ausreichend zu schützen. Inwieweit das Parlament und die Gewerkschaften ihre Forderungen durchsetzen können, bleibt fraglich. Wir müssen uns weiterhin in Geduld üben, bis wir mit Sicherheit wissen, wie hoch der Grenzwert letztendlich sein wird. Das Warten ist also doch noch nicht zu Ende.

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