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Ausgabe 5/2025

Sieben Dinge, die Sicherheit und Gesundheit im Unternehmen spürbar beeinflussen

Seit November 2024 steht ein neuer Mustertext der überarbeiteten DGUV Vorschrift 2 bereit, um Sicherheit und Gesundheit im Betrieb mit Unterstützung von Fachleuten zu organisieren. Die trägerspezifischen Fassungen werden schrittweise in Kraft gesetzt.

Key Facts

  • Insbesondere sieben Änderungen in der überarbeiteten Vorschrift 2 eröffnen neue Möglichkeiten, um das Beste aus dem fachkundigen Rat von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten sowie Fachkräften für Arbeitssicherheit zu machen
  • Die Anpassungen unterstützen Unternehmen, bei der Organisation von Sicherheit und Gesundheit im Betrieb rechtlich auf der sicheren Seite zu sein
  • Unter anderem werden zentrale Begriffe klarer definiert und in einer neuen DGUV Regel konkret erläutert

Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstützen das Unternehmen bei der Organisation von Sicherheit und Gesundheit im Betrieb. Mit ihrem Fachwissen und ihrer Beratungskompetenz sorgen sie dafür, dass Beschäftigte sicher und gesund arbeiten können. Die Unternehmensführung beansprucht den fachkundigen Rat dieser Expertinnen und Experten auf Grundlage der DGUV Vorschrift 2.[1]Diese Unfallverhütungsvorschrift konkretisiert ihre rechtlichen Pflichten aus dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG).[2]Um die Anforderungen verständlicher zu gestalten und die Effektivität der bestellten Fachleute zu verbessern, wurde die DGUV Vorschrift 2 überarbeitet – verständlicher, moderner, zielgerichteter.

1
Die DGUV Vorschrift 2 wird verständlicher

Das ABC der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung: Zentrale Begriffe des verbindlichen Vorschriftentextes werden klarer definiert und in der neuen DGUV Regel 100-002[3]erläutert. Jetzt können Unternehmerinnen und Unternehmer die Vorschrift leichter verstehen. Die neue Regel enthält zudem praxisnahe Umsetzungsbeispiele. Für die Unternehmerinnen und Unternehmer wird es damit greifbarer, wie sie die Anforderungen für den Einsatz von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten sowie Fachkräften für Arbeitssicherheit in ihrem Betrieb erfüllen können.

2
Die DGUV Vorschrift 2 wird moderner

Ein Besuch vor Ort, der Griff zum Smartphone oder das nächste Online-Meeting? Zukünftig dürfen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit die Unternehmensführung auch telefonisch oder online beraten. Sie kann also schneller und flexibler fachkundigen Rat einholen – denn manchmal genügt schon ein kurzes Gespräch, um einfache Fragen zu klären. Wenn Fahrzeiten reduziert werden, finden vor allem kleine Betriebe leichter geeignete Fachleute. Damit digital unterstützte Beratung wirksam sein kann, sollten sich Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit allerdings zunächst selbst durch eine Betriebsbegehung einen Eindruck vom Betrieb verschaffen.

3
Die DGUV Vorschrift 2 wird interdisziplinärer

Neuerdings dürfen Absolventinnen und Absolventen aus weiteren Fachgebieten als Fachkräfte für Arbeitssicherheit qualifiziert und bestellt werden, wie beispielsweise aus der Arbeits- und Organisationspsychologie, der Biologie oder der Ergonomie. Mit dieser Ausweitung der Ausgangsqualifikation wird der Blick auf Sicherheit und Gesundheit im Betrieb ganzheitlicher. Die Unternehmerinnen und Unternehmer können ihre Fachkraft für Arbeitssicherheitalso zielgerichtet aussuchen – als „perfect match“ mit den Anforderungen der Branche und des Betriebs.

4
Die DGUV Vorschrift 2 wird hilfreicher

Mittlerweile können sich Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten bei einigen Berufsgenossenschaften durch ein Kompetenzzentrum betreuen lassen. Nachdem sich Unternehmerinnen und Unternehmer zur Organisation von Sicherheit und Gesundheit im Betrieb qualifiziert haben, können sie Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit des Kompetenzzentrums beanspruchen. Die Kompetenzzentren sind von den Berufsgenossenschaften eingerichtet und bieten qualitätsgesicherte und kostengünstige Beratungsleistungen aus einer Hand an. Früher stand dieses Angebot nur Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten offen.

5
Die DGUV Vorschrift 2 wird nachhaltiger

Lebenslanges Lernen der beauftragten Fachleute gewährleistet, dass Unternehmensführungen von aktuellen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Erkenntnissen profitieren. Deshalb verlangt der regelmäßigeBericht von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten sowie Fachkräften für Arbeitssicherheit ab sofort Nachweise über absolvierte Fortbildungen. Für die Unternehmensführung bedeutet diese Neuerung mehr Kontrolle über die Qualität der Fachleute bei gleichbleibendem Aufwand.

6
Die DGUV Vorschrift 2 wird zeitgemäßer

Betriebe werden in der DGUV Vorschrift 2 einer Betreuungsgruppe zugeordnet – abhängig von den Gefährdungen ihrer Branche. Je niedriger die Betreuungsgruppe (I, II oder III) ist, desto mehr müssen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit beansprucht werden. Die zugrunde liegende Aufschlüsselung der Wirtschaftszweige (WZ-Liste) wurde aktualisiert. Es wurden also Branchen gestrichen, ergänzt oder differenziert und somit an die aktuelle Wirtschaftsstruktur Deutschlands angepasst. Zugleich wurde die Zuordnung der Branchen zu den Betreuungsgruppen überarbeitet. Unternehmensführungen können ihren Betrieb damit leichter einer Betreuungsgruppe zuordnen und sicher sein, dass die Einsatzzeiten der Fachleute angemessen sind für die Gefährdungen im Betrieb.

7
Die DGUV Vorschrift 2 bleibt bedarfsorientiert

Unternehmerinnen und Unternehmer aus kleinen und mittleren Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten können an einer alternativen Betreuungsform der Berufsgenossenschaften teilnehmen.[4]Zunächst erwerben sie in Qualifizierungsangeboten die Kompetenz, Sicherheit und Gesundheit selbstständig zu beurteilen und zu organisieren. Danach entscheiden sie auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung, in welchem Umfang sie Betriebsärztinnen und Betriebsärzte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit einsetzen. Win-Win: Das „Mehr“ an Engagement der Unternehmensführung wird also mit einem „Mehr“ an Entscheidungsspielraum belohnt. Dadurch sollen Praxisnähe und Wirksamkeit der fachkundigen Beratung gefördert werden. Aktuelle Studien haben nachgewiesen,[5]dass insbesondere die Qualifizierungsangebote fruchten, weshalb diese Möglichkeit der Unternehmensführung in der überarbeiteten DGUV Vorschrift 2 erhalten bleibt. Übrigens: Unternehmerinnen und Unternehmer, die an der alternativen Betreuung teilnehmen, entscheiden auf Basis der Gefährdungsbeurteilung selbstständig über den Einsatz von digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie in der Betreuung.

Was ist sonst noch neu?

  • Grundbetreuung und betriebsspezifische Betreuung klarer abgegrenzt: Die Regelbetreuung für mittlere und große Betriebe (Anlage 2 DGUV Vorschrift 2) besteht aus zwei Komponenten: der Grundbetreuung und der betriebsspezifischen Betreuung. Beide Betreuungsartenbilden die Gesamtbetreuung und werden deutlicher voneinander unterschieden. Beispielsweise wurde nochmals klargestellt,dass die arbeitsmedizinische Vorsorge gemäß Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)[6] eine Aufgabe der betriebsspezifischen Betreuung ist – sie ist kein „Add-on“ der betrieblichen Betreuung, sondern eine verpflichtende Leistung abhängigvon den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die Grundbetreuung beinhaltet Aufgabenfelder, die in allen Betrieben anfallen. DerUmfang der Grundbetreuung hängt von der Betreuungsgruppe und der Beschäftigtenzahl eines Betriebs ab. Die betriebsspezifische Betreuung wird von der Unternehmensführung festgelegt, indem sie ermittelt, welche der dazugehörigen Aufgabenfelder auf ihrenBetrieb zutreffen. Die arbeitsmedizinische Vorsorge wird als Bestandteil der betriebsspezifischen Betreuung nicht auf die Einsatzzeitder Grundbetreuung angerechnet.
  • Mindestanteile gestrafft: Die verbindlichen Mindestanteile von beiden Berufsgruppen für die Regelbetreuung von mittleren und großen Betrieben (Anlage 2 DGUV Vorschrift 2) am Gesamtumfang der Leistungen werden auf 20 Prozent vereinheitlicht. Das bedeutet zum Beispiel, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit nicht mehr als 80 Prozent des gesamten Leistungsumfangs für den Betrieb erbringendürfen, während Betriebsärztinnen und Betriebsärzte mindestens 20 Prozent übernehmen müssen (oder umgekehrt).
  • Delegation ermöglicht: Betriebsärztinnen und Betriebsärzte dürfen unter bestimmten Bedingungen offiziell Aufgaben an qualifiziertes Assistenzpersonal delegieren – die Grundlage dafür ist die Arbeitsmedizinische Empfehlung „Delegation“ (AME Delegation). [7] Diegleichen Voraussetzungen gelten auch für Fachkräfte für Arbeitssicherheit.

„Zielgerichteter Einsatz von Ressourcen“

Statement von Andrea Kuhn, Leiterin des Fachbereichs Organisation von Sicherheit und Gesundheit der DGUV

Im Jahr 2011 ging die neue DGUV Vorschrift2 mit einem Paradigmenwechselan den Start: Im Mittelpunkt derdamaligen Reform standen die Gleichbehandlung gleichartiger Betriebe, die Stärkungder Eigenverantwortung des Unternehmersoder der Unternehmerin und dieBerücksichtigung zeitgemäßer Betreuungserfordernisse.Nach einer umfangreichen Evaluation dieser Reform wurde 2017 eineProjektgruppe des Fachbereichs Organisationvon Sicherheit und Gesundheit derDGUV ins Leben gerufen mit dem Ziel, dieDGUV Vorschrift 2 an die aktuellen Entwicklungenanzupassen. Die wesentlichenÄnderungen von 2011 sollten dabei erhaltenbleiben, denn diese wurden in der Evaluationdurchweg bestätigt. Zugleich solltedie DGUV Vorschrift 2 verständlicher, modernerund zielgerichteter werden. Dabeiwurde immer die Frage mitgedacht: Wiekann dafür Sorge getragen werden, dassdie DGUV Vorschrift 2 auch für Kleinst- undKleinbetriebe umsetzbar ist?

Durch die Ausweitung des Zugangs zurQualifizierung von Fachkräften für Arbeitssicherheitund die Möglichkeiten einer digitalenBetreuung wird ein zielgerichteterEinsatz von Ressourcen gefördert. Gleichzeitigbleiben die Qualitätsstandards derbisherigen betrieblichen Betreuung erhalten.Die vertieften Erläuterungen in der dazugehörigenDGUV Regel 100-002 gebenden Unternehmen passgenaue Hilfestellungenzur Umsetzung der verbindlichenVorschrift.

Damit hat der zuständige Fachbereich eineAnpassung der bestehenden Regelungenvorgelegt, die aktuelle Bedarfe der Betriebeaufnimmt und die Vorgaben entsprechendumsetzbar macht. Nun gilt es, die Änderungenin den Betriebsalltag zu integrieren.Wie nach der Reform im Jahr 2011 sollenauch die Ergebnisse dieser Anpassungnach einem angemessenen Zeitraum überprüftund bei Bedarf weiterentwickelt werden.Nur so kann die betriebliche Betreuungzeitgemäß bleiben. Der FachbereichOrganisation von Sicherheit und Gesundheitder DGUV wird auch bei zukünftigenDiskussionen seinen Beitrag dazu leisten,dass die DGUV Vorschrift 2 die fachlicheExpertise abbildet und dabei praxisnahund umsetzbar bleibt.

„Arbeitsschutzrechtliche Betreuung von kleinen Unternehmen wird gezielt verbessert“

Statement von Dr. Richard Mechtenberg, Referat Arbeitsschutzrecht, Arbeitsmedizin, Prävention nach dem SGB VII im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) begrüßt die Neufassung der DGUV Vorschrift 2. Ihre Novellierung konnte im Oktober 2024 mit der Vorgenehmigung durch das BMAS und den Beschluss der Mitgliederversammlung der DGUV im November 2024 erfolgreich abgeschlossen werden. Für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung sind die rechtlichen Änderungen eine wertvolle Grundlage, um diese zukunftsorientiert auszurichten. Künftig können digitale Anwendungen in der arbeitsschutzrechtlichen Betreuung genutzt werden. So kann die Arbeit sowohl von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten als auch von Fachkräften für Arbeitssicherheit spürbar erleichtert werden. Zudem wurde der Zugang unterschiedlicher Professionen zur sicherheitstechnischen Fachkunde erweitert. Ziel der Regelung ist, Fachkräften mit verschiedenen Qualifikationen den Zugang zur sicherheitstechnischen Fachkunde zu ermöglichen, damit sie ihre spezifischen Perspektiven einfließen lassen können. Dies stärkt auch die personellen sicherheitstechnischen Ressourcen. Die neuen Regelungen werden ergänzt durch die Maßnahmen zur Verbesserung der Betreuung von kleinen Unternehmen, die aus dem Fachdialog zwischen BMAS und Berufsgenossenschaften zur alternativen Betreuung von Kleinst- und Kleinbetrieben hervorgegangen sind. Mit dem Dialog von BMAS, DGUV und Unfallversicherungsträgern[8] wurde als geeintes Ergebnis insbesondere die Einrichtung von Anlaufstellen nach einheitlichen Standards beschlossen. Außerdem bekommt der Nachweis der Gefährdungsbeurteilung im sogenannten Unternehmermodell zusätzliches Gewicht. So wird die arbeitsschutzrechtliche Betreuung von kleinen Unternehmen gezielt verbessert.

Fußnoten

  1. DGUV: DGUV Vorschrift 2, https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/vorschriften_regeln/dguv-vorschrift_2/downloads/dguv_vorschrift_2_mustertext_final_fassung_2024.pdf (abgerufen am 23.01.2025).

  2. Bundesministerium der Justiz: Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG), https://www.gesetze-im-internet.de/asig/ (abgerufen am 23.01.2025).

  3. DGUV: DGUV Regel 100-002, https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/vorschriften_regeln/dguv-vorschrift_2/downloads/dguv_regel_100_002_mustertext_final_fassung_2024.pdf (abgerufen am 23.01.2025).

  4. Beispielsweise BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (DGUV Vorschrift 2), https://www.bgbau.de/themen/sicherheit-und-gesundheit/arbeitsschutz-organisieren/betriebsaerzte-und-fachkraefte-fuer-arbeitssicherheit/alternative-betreuung (abgerufen am 27.01.2025).

  5. Sommer, S.; Schröder, C.: Arbeitsschutzpraxis von Kleinst- und Kleinbetrieben mit und ohne alternative Betreuung: Ergebnisse der GDA-Betriebsbefragung 2015, 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2019, https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fokus/Alternative-Betreuung (abgerufen am 03.02.2025).

  6. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), https://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/ (abgerufen am 29.01.2025).

  7. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Delegation – Arbeitsmedizinische Empfehlung, https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/a460-delegation-arbeitsmedizinische-empfehlung.html (abgerufen am 23.01.2025).

  8. Mehr dazu im Beitrag „Kleinbetriebsbetreuung neu orchestriert: zwei Instrumente, drei Klänge“ von Matthias Groß S.13 ff.

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