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Ausgabe 3/2024

„Ein Stoff – eine Bewertung“: Europäische Kommission veröffentlicht Reformpaket zur Chemikalienbewertung

Kurz vor Jahresende hat die EU-Kommission ein Gesetzespaket vorgestellt, das die Bewertung von Chemikalien in Europa vereinfachen und transparenter machen soll. Mit dem Prinzip „ein Stoff – eine Bewertung“ will Brüssel Doppelprüfungen vermeiden, Risiken schneller erkennen und den Arbeitsschutz stärken.

Kurz vor Jahresende hat die Europäische Kommission ein Gesetzespaket vorgestellt, mit dem die Bewertung von Chemikalien reformiert werden soll. Die am 7. Dezember 2023 veröffentlichten Rechtsvorschläge haben als oberstes Ziel, die Bewertung chemischer Stoffe in der gesamten EU-Chemikalienpolitik zu straffen, die Wissensgrundlage über chemische Stoffe auszubauen und eine frühzeitige Erkennung und Bekämpfung neu auftretender Risiken durch Chemikalien zu gewährleisten. Ein Thema, das auch für den Arbeitsschutz von Relevanz ist.

Mit der Veröffentlichung der drei Rechtstexte kommt die EU-Kommission einem Versprechen nach, das sie im Rahmen der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit eingegangen ist. Sie hatte sich seinerzeit verpflichtet, ein vereinfachtes Verfahren zur Bewertung der Risiken und Gefahren von Chemikalien nach dem Prinzip „ein Stoff – eine Bewertung“ einzuführen. Doch ein weiteres Puzzleteil, das ebenfalls geliefert werden sollte, bleibt vorerst weiterhin außen vor: die Überarbeitung der REACH-Verordnung.

Was möchte die Europäische Kommission mit den im Dezember veröffentlichten Gesetzesvorschlägen bewirken? Im Fokus der Bestrebungen der Brüsseler Behörde steht die Einführung von Stoffsicherheitsbeurteilungen nach dem Grundsatz „ein Stoff – eine Bewertung“. Künftig soll danach eine vorgenommene Bewertung einer Substanz durch eine Agentur oder ein wissenschaftliches Gremium der EU Grundlage für die weitere Arbeit aller anderen Gremien sein. Die mehrfache Bewertung von ein und derselben Substanz soll dadurch vermieden werden. Auch eine einheitliche Handhabung im europäischen Chemikalienrecht soll damit erreicht werden.

Wie möchte die Europäische Kommission das konkret machen? Eine wesentliche Rolle sollen dabei vier einschlägige europäische Agenturen spielen. So soll das Fachwissen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), der Europäischen Behörde für Lebensmittelmittelsicherheit (EFSA), der Europäischen Umweltagentur (EEA) und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bestmöglich genutzt werden. Hierfür ist eine verstärkte Zusammenarbeit der Agenturen notwendig. Die Kommission möchte deswegen die Sicherheitsbewertungen von Chemikalien, die beispielsweise in Medizinprodukten, Spielzeug, Lebensmitteln, Pestiziden und Bioziden verwendet werden, kohärenter und transparenter ausgestalten. Denn nur so könne gewährleistet werden, dass die wissenschaftliche und technische Arbeit insgesamt effizienter gemacht wird. Helfen soll dabei auch eine gemeinsame Datenplattform für Chemikalien, die von der ECHA verwaltet werden soll. Über eine zentrale Anlaufstelle („One-Stop-Shop“) könnten die Daten und Informationen über Chemikalien der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies hätte einen besonderen Charme. Bislang werden die meisten Dossiers nur in extrem verkürzten Zusammenfassungen veröffentlicht, sodass es schwierig ist, geeignete Rückschlüsse auf die Datengrundlagen für die Einstufung zu ziehen. Transparentere Regulierungsverfahren für Chemikalien würden hier helfen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit der wissenschaftlichen Entscheidungsfindung stärken.

Schließlich sollen auch in der EU generierte Biomonitoringdaten, mit denen die Exposition von Menschen gegenüber als gefährlich eingestuften Substanzen gemessen wird, systematisch gesammelt werden. Diese und andere Daten könnten den politischen Entscheidungsträgern helfen, das Ausmaß einer Chemikalienexposition gegenüber dem Menschen besser einzuschätzen. Mit der zusätzlichen Einrichtung eines Überwachungsrahmens soll eine frühzeitige Erkennung von chemischen Risiken ermöglicht werden.

Um ein Höchstmaß an Synergien zu erreichen, sollen auch die Zuständigkeiten für die Durchführung von Bewertungen von Chemikalien – einschließlich der zugrunde liegenden technischen und wissenschaftlichen Arbeiten – klarer verteilt werden. Dabei soll die ECHA auch neue wissenschaftliche und technische Aufgaben, zum Beispiel die Möglichkeit der Generierung neuer Daten, erhalten. Dadurch könnte die ECHA zum zentralen Instrument der Einstufung und Zulassung von Chemikalien in der EU werden. Und zwar auch für die Bereiche Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Arzneimittel.

Wie geht es weiter? Was die nächsten Schritte angeht, so werden die Vorschläge vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens verhandelt. Mit Blick auf die anstehenden Europawahlen ist es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass das Paket vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode angenommen, geschweige denn in Kraft treten wird.

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