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Ausgabe 7-8/2021

Wer am Ende haften muss

Innenregress des Unfallversicherungsträgers gegen Durchgangsarzt nach Behandlungsfehler mit Schmerzensgeldanspruch des Patienten

Urteil des Landgerichtes (LG) Bonn vom 26.03.2021, Az. 9 O 216/20

Jeder Mensch ist fehlbar. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass auch Durchgangsärztinnen und Durchgangsärzten bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten nach Arbeits­unfällen Fehler unterlaufen können, die zu einem zusätzlichen Schaden bei der ohnehin durch den Arbeitsunfall verletzten Per­son führen. Zwar werden auch solche zusätzlichen Gesundheits­schäden von der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt. Denn es werden unter anderem Heilbehandlungsmaßnahmen zur Verbesserung des ursprünglichen arbeitsunfallbedingten und des zusätzlichen durch den Behandlungsfehler bedingten Gesund­heitsschadens gewährt. Gegebenenfalls wird wegen des zusätz­lichen Schadens auch eine höhere Verletztenrente gezahlt. Ein Schmerzensgeld aber ist für diesen durch den Behandlungsfehler hervorgerufenen Gesundheitsschaden nicht im Leistungsspekt­rum der gesetzlichen Unfallversicherung enthalten.

Aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtspre­chung (Bundesgerichtshof-Urteile vom 29.11.2016 und 20.12.2016, Az. VI ZR 208/15 und VI ZR 395/15) kann es dazu kommen, dass der für die Entschädigung des Arbeitsunfalls zuständige Unfall­versicherungsträger im Außenverhältnis zur versicherten Per­son wegen eines Fehlers des Durchgangsarztes oder der Durch­gangsärztin bei der Erstversorgung auf zivilrechtlichem Weg dazu verurteilt wird, ein Schmerzensgeld an die Patientin oder den Patienten zu zahlen (vgl. dazu unter anderem Ziegler in DGUV Forum 05/2017, S. 31 ff.). Es empfiehlt sich für den Unfallversiche­rungsträger, wenn er zivilrechtlich bezüglich einer Schmerzensgeldforderung von der versicherten Person in Anspruch genom­men wird, der Durchgangsärztin oder dem Durchgangsarzt den Streit zu verkünden. Verliert der Unfallversicherungsträger den ersten Prozess, weil die versicherte Person einen Behandlungs­fehler nachweist, der zu einem zusätzlichen Schaden geführt hat, ist dem Streitverkündungsempfänger (Durchgangsärztin oder Durchgangsarzt) im Folgeprozess der Einwand abgeschnitten, es gäbe keinen Behandlungsfehler.

Vor der genannten BGH-Rechtsprechungsänderung mussten die vermeintlich haftenden Durchgangsärztinnen und Durchgangsärz­te von Patientinnen oder Patienten selbst verklagt werden und im Erfolgsfall entschädigte ein Haftpflichtversicherer dieser Ärztinnen und Ärzte die Patientin oder den Patienten. Nach der Rechtspre­chungsänderung ist dies nun nicht mehr möglich – in bestimmten Fällen darf allein der Unfallversicherungsträger anstelle der Person, die die ärztliche Behandlung durchgeführt und der der Fehler unter­laufen ist, verklagt werden. Gleichwohl haben die Unfallversiche­rungsträger zugunsten der Beitragszahlenden ein Interesse daran, dass allein die Person mit dem Schadensausgleich belastet wird, die den Schaden verursacht hat – mithin die Durchgangsärztin oder der Durchgangsarzt, die fehlbehandelt hat. Deswegen bedarf es in einem zweiten Schritt des Innenregresses gegen Durchgangsärztin­nen und Durchgangsärzte in Fällen, in denen im Außenverhältnis zur versicherten Person zunächst im ersten Schritt zu Recht der Unfallversicherungsträger in Anspruch genommen wurde.

In einem solchen Folge-Prozess hat das LG Bonn der Innenregress­klage einer Berufsgenossenschaft gegen einen Durchgangsarzt voll stattgegeben. Dabei hat das Gericht zu Recht festgehalten, dass sich dieser Anspruch der Berufsgenossenschaft aus § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog aufgrund des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger ergibt. Der dem Durchgangsarzt unterlaufene Behandlungsfehler, durch den der aufgrund eines Arbeitsunfalls Behandelte einen zusätzlichen Schaden erlitten hatte, stellt sich gegenüber dem Unfallversicherungsträger als Verletzung der sich aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldver­hältnis ergebenden Pflicht des Amtsträgers (Durchgangsarzt) dar, eine ordnungsgemäße Tätigkeit zu erbringen. Denn nur wenn die Behandlung dem Maßstab des § 630a BGB entspricht (Be­handlung nach dem allgemein anerkannten Standard), fehlt es an einer Pflichtverletzung des Arztes.

Die Haftung des Beklagten als Durchgangsarzt ist nicht auf Vor­satz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, weil Artikel 34 Satz 2 Grundgesetz (GG) auf Private in Form von Beliehenen und Verwaltungshelfern grundsätzlich keine Anwendung findet. Es genügt also einfache Fahrlässigkeit, um eine Haftung zu begründen – so wie gegenüber dem Patienten auch.

Das Urteil des LG Bonn ist rechtskräftig geworden und wegweisend für weitere Innenregressklagen der Unfallversicherungsträger. Da Durchgangsärztinnen und Durchgangsärzte regelmäßig über eine Haftpflichtversicherung verfügen, sind solche Ansprüche darüber gedeckt.

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