Europawahlen 2024: Status quo und Blick hinter die Kulissen
In Brüssel laufen die Vorbereitungen für die Europawahl 2024 bereits auf Hochtouren: Erste Kampfrhetorik ist in den Institutionen deutlich spürbar, neue Allianzen werden geschmiedet und ein Rechtsruck zeichnet sich ab. Die Wahl vom 6. bis 9. Juni könnte die Kräfteverhältnisse im Europäischen Parlament grundlegend verändern.

In Brüssel ist bei Veranstaltungen undSitzungen im Europäischen Parlamentbereits eine gewisse Kampfrhetorikhör- und spürbar. Der Europawahlkampfläuft an, das ist in den europäischen Institutionenoffensichtlicher als vor Ort in denMitgliedstaaten. Gewählt wird zwischendem 6. und 9. Juni 2024 in ganz Europa. Daheißt es schon frühzeitig, die potenziellenWählerinnen und Wähler in den 27 Mitgliedstaatennicht nur von den politischenProgrammen zu überzeugen, sondern auchdementsprechend zu mobilisieren. Zwarbeteuern die Parteien, dass namhafte Personenund Inhalte erst nächstes Jahr offiziellin den Parteigremien bestimmt werden,aber dies entspricht nicht ganz deraktuellen Realität.
Neue Allianzen sind die Zukunft
Schon längst sehen verschiedene Meinungsforschungsinstitute,dass sich imGegensatz zur letzten Europawahl 2019Mehrheitsentscheidungen nicht mehr soleicht finden lassen. Damals legten rechteund rechtsradikale Parteien zu, Christdemokratenund Sozialdemokraten erreichtenein historisches Tief. Auch Grüne und Liberalekonnten kräftige Gewinne verbuchen,diese werden aller Voraussicht nach beide Parteien wieder verlieren. Die dazugewonnenenMandate einiger französischer Europaabgeordnetervon Emmanuel MacronsPartei „La République En Marche“ werdenhöchstwahrscheinlich auch wieder verlorengehen. Grund für die Ablehnung ist sicherlichdie beschlossene französische Rentenreform,bei der das Renteneintrittsalter stufenweiseauf 64 Jahre bis 2030 angehoben werden soll. Viele Wählerinnen und Wählerwerden sich voraussichtlich abwendenund aus Protest zu den anderen oder eherrechten Parteien tendieren.
Bekenntnis zu mehr Klimaschutz, aber „Nein“ zu den Grünen
Zweiter großer Verlierer werden voraussichtlichdie Grünen sein. Sie haben vonder anhaltenden Klimadebatte und demPrestigeprojekt des European Green Dealsnicht profitieren können. Bis 2050 soll Europaklimaneutral werden. Da ist es verwunderlich,dass die Grünen in den Prognosenauf Platz fünf abrutschen, nach denrechtsnationalen Parteien, die auf Platzvier gesehen werden. Es deutet alles auf eine Rechtsverschiebung hin. Trotzdemkönnte es eine Dreierkoalition aus denaktuell erstpositionierten Konservativen,den zweitpositionierten Sozialdemokraten,den Liberalen und einigen Fraktionslosengeben.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Europapolitik hat in den vergangenen Jahrenstetig an Bedeutung gewonnen und dasInteresse der Bürgerinnen und Bürger fürEntscheidungen der Europäischen Unionist gewachsen. Künftig sollen auch mehrEuropaabgeordnete die Bürgerinnen undBürger vertreten. Aufgrund des demografischenWandels wurde im EuropäischenParlament beschlossen, dass künftig um720 statt 705 Sitze gebuhlt wird. Frankreich, Spanien und die Niederlande gewinnenje zwei, neun weitere kleinere Länderje einen Sitz dazu. Eine Vorhersage, welche Themen die europäischen Debatten im Jahr2024 prägen werden, kann aktuell nochnicht gegeben werden. Aber es ist sicher,dass Themen wie der andauernde russischeAngriffskrieg gegen die Ukraine, die Klimakrise, der Umgang mit Asyl und Migrationund schließlich die Rolle Europasin der Welt weiter debattiert werden.
Nach der geschlagenen Wahl kommen diefrisch gewählten Politikerinnen und Politikererstmals Mitte Juli 2024 zur konstituierendenSitzung im Europäischen Parlamentin Straßburg zusammen. Sie wählendie Präsidentin oder den Präsidenten unddie 14 Vizepräsidenten beziehungsweise-präsidentinnen des Europäischen Parlaments.
Der einflussreichste Posten in Brüssel istjedoch nicht an der Spitze des Europäischen Parlaments oder des EuropäischenRates, das schwergewichtigste Exekutivorganist die Europäische Kommission. ObUrsula von der Leyen jedoch weiterhin an dessen Spitze für eine weitere Legislaturperiodemitbestimmen möchte, ist derzeitnoch unklar. Gegenkandidaturen für denEU-Top-Job gibt es bisher nicht. Es bleibtspannend.