„Kollege Algorithmus“: KI auf dem Vormarsch in Europas Büros
Ohne den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Entscheidend ist dabei die Frage, wie Beschäftigte gut darauf vorbereitet werden können und wie KI eingesetzt werden kann, ohne Menschen aus ihren Jobs zu verdrängen. Die EU-Kommission arbeitet an Konzepten.
Key Facts
- Europa will Vorreiter für einen verantwortungsvollen und fairen Einsatz von KI in der Arbeitswelt sein
- Damit Beschäftigte fit für den digitalen Wandel werden, müssen Qualifizie- rungsprogramme bereit- gestellt und finanziell gefördert werden
- Mit einem „Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze“ sollen europaweit gute Arbeitsbedingungen gefördert werden
Ob personalisierte Werbung beim Online-Shopping, Sprachsteuerung im Auto oder Gesichtserkennung am Smartphone – Künstliche Intelligenz (KI) prägt unseren Alltag längst. Ebenso verändert sie zunehmend die Art, wie wir arbeiten. Die Europäische Kommission hat erkannt, dass Europa nicht nur regulatorisch, sondern auch technologisch autonom positioniert werden muss. Daher wurden seit dem Inkrafttreten des KI-Gesetzes[1] erhebliche Mittel mobilisiert, um eine umfassende KI-Infrastruktur in der Europäischen Union (EU) aufzubauen. Ziel ist es, Europa als Vorreiter für einen verantwortungsvollen und fairen Einsatz von KI in der Arbeitswelt zu positionieren.
Dass dabei der Mensch – und nicht die Maschine – im Mittelpunkt stehen muss, ist in Brüssel derzeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Und das nicht erst seit der polnische Europaabgeordnete Andrzej Buła im Juni einen Vorschlag für einen legislativen Initiativbericht zum Umgang mit Digitalisierung, KI und algorithmischem Management am Arbeitsplatz eingebracht hat[2]. Inhaltlich versucht dieser, den Spagat zwischen Transparenz, Sicherheitsmaßnahmen und Innovationsförderung zu schaffen – ohne dabei neue bürokratische Hürden aufzubauen.
Angst vor Verdrängung
Doch um das volle Potenzial von KI und algorithmischem Management am Arbeitsplatz zu erschließen, braucht es mehr als Regulierungsvorschläge. Es müssen Qualifizierungsprogramme bereitgestellt und finanziell gefördert werden, damit Beschäftigte fit für den digitalen Wandel werden. Zudem bedarf es eines vorausschauenden Monitorings des Arbeitsmarkts. Denn obwohl KI bestimmte Aufgaben automatisieren kann, darf dies nicht zu einer Einschränkung von Beschäftigungsmöglichkeiten führen. Besonders die potenzielle Verdrängung von Einstiegsjobs durch KI bereitet vielen jungen Menschen Sorgen – trotz des zunehmenden Fachkräftemangels in der EU. Auch für diese Themen setzt sich Buła ein. Ob sein Engagement – das mit den Positionen vieler demokratischer Fraktionen im Europäischen Parlament übereinstimmt – Erfolg haben wird, zeigt sich im November. Dann stimmt das Europäische Parlament über seinen Bericht ab und könnte damit den politischen Druck für weiterführende Maßnahmen der Europäischen Kommission erhöhen.
Hinter den Kulissen wird im Kabinett der Exekutiv-Vizepräsidentin Roxana Mînzatu bereits intensiv geprüft, wo konkreter gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Im Kontext der Entbürokratisierungsinitiative von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen[3] muss Mînzatu jedoch mit Fingerspitzengefühl agieren. Ob ihr das gelingt, bleibt offen – zumal Kritiker ihr mangelnde politische Erfahrung vorwerfen. Im Gegensatz zu ihrem erfahrenen Vorgänger Nicolas Schmit, der den sozialen Bereich durch ambitionierte Gesetzesinitiativen geprägt hat.
Dennoch wird Mînzatu zum Jahresende den „Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze“ vorstellen[4] – eine Schlüsselinitiative ihres Mandats. Ziel ist es, europaweit gute Arbeitsbedingungen zu fördern und langfristig zu sichern. Der Fahrplan setzt Schwerpunkte bei fairen Löhnen, sicheren Beschäftigungs- verhältnissen – zu denen auch die Sicherheit und der Gesund- heitsschutz am Arbeitsplatz zählen –, Weiterbildung und Mitbestimmung sowie bei der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Gleichzeitig adressiert er neue Herausforderungen durch den demografischen Wandel und die sogenannte Doppeltransformation – also Digitalisierung und Dekarbonisierung. Inwiefern der Fahrplan auch Impulse zur Regulierung von KI und algorithmischem Management am Arbeitsplatz enthalten wird, bleibt offen. Weder Mînzatu noch die zuständige Generaldirektion äußerten sich bislang dazu. Klar ist jedoch: Der Umgang der EU mit „Kollege Algorithmus“ wird die EU-Kommission noch einige Zeit beschäftigen.
Fußnoten
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Europäisches Parlament: KI-Gesetz: erste Regulierung der künstlichen Intelligenz (abgerufen am 23. 07.2025) | https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20230601STO93804/ki-gesetz-erste-regulierung-der-kunstlichen-intelligenz
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Europäisches Parlament, Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten: Entwurf eines Berichts mit Empfehlungen an die Kommission zu der Gestaltung der Zukunft des Arbeitslebens durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz und algorithmisches Management am Arbeitsplatz. (2025/2080(INL)) (abgerufen am 23. 07. 2025) | https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/EMPL-PR-774283_DE.pdf
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Euractiv Newsletter: Bürokratieabbau in der EU: Parteien der Mitte finden Kompromiss im EU-Parlament (abgerufen am 23.07.2025) | https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/buerokratieabbau-in-der-eu-parteien-der-mitte-finden-kompromiss-im-eu-parlament/
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Europäische Kommission: Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze (abgerufen am 28.07.2025) | https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/14707-Fahrplan-fur-hochwertige-Arbeitsplatze_de