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Ausgabe 5/2022

Die Zukunft der Prävention von Hautkrebs durch Sonnenstrahlung

Die Prävention von UV-induziertem Hautkrebs stellt die Unfallversicherungsträger branchenübergreifend vor Herausforderungen. Während Maßnahmen zum Schutz vor übermäßiger Sonneneinstrahlung bei der Arbeit existieren, kommen diese im Arbeitsalltag unzureichend an. Die Fachbereiche der DGUV setzen sich daher verstärkt für die Entwicklung praxisfreundlicher Präventionskonzepte ein.

Key Facts

  • Hautkrebs durch solare ultraviolette (UV) Strahlung ist die zweithäufigste anerkannte Berufskrankheit von insgesamt 82 Berufskrankheiten
  • Es existieren vielfältige Projekte zur Prävention von UV-induziertem Hautkrebs, doch die daraus abgeleiteten Maßnahmen kommen in der Praxis nur unzureichend an
  • Um Versicherte wirksam vor Hautkrebs zu schützen, sind die Unfallversicherungsträger und die DGUV gemeinsam gefordert, die Prävention künftig nachhaltig in der Praxis zu etablieren

UV-Strahlung: Ein branchenübergreifendes Gesundheitsrisiko

Die Arbeiten innerhalb der Fachbereiche DGUV – besonders der Fachbereiche Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (FB ETEM), Bauwesen (FB BAU), Persönliche Schutzausrüstung (FB PSA) und der dazugehörigen Sachgebiete – haben deutlich gemacht, dass Sonnenschutz als branchenübergreifendes Querschnittsthema viele Beschäftigte betrifft.

Aufgrund des berufsbedingten Aufenthalts im Freien über viele Jahre hinweg ohne wirksamen Sonnenschutz erkranken viele Versicherte im höheren Alter anweißem Hautkrebs. Besonders betroffen sind Beschäftigte aus der Bauwirtschaft, aber auch aus dem Bereich der Landwirtschaft und der Rohstoffgewinnung (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Die zehn Berufe mit der höchsten UV-Strahlenbelastung, ermittelt mit dem GENESIS-UV-Messsystem | © DGUV
Abbildung 1: Die zehn Berufe mit der höchsten UV-Strahlenbelastung, ermittelt mit dem GENESIS-UV-Messsystem DGUV

Anerkannte Berufskrankheit BK 5103

Hautkrebs durch solare ultraviolette (UV) Strahlung ist seit 2015 als anerkannte Berufskrankheit (BK) in die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) unter der Nummer 5103 aufgenommen.[1] Nach Lärmschwerhörigkeit ist Hautkrebs somit die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit (siehe Abbildung 2[2]).

Abbildung 2: Top Ten der anerkannten Berufskrankheiten 2019 | © DGUV / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 2: Top Ten der anerkannten Berufskrankheiten 2019 DGUV / Grafik: kleonstudio.com

Die Berufskrankheit umfasst bisher zwei Arten des weißen (nicht-melanozytären) Hautkrebses: Plattenepithelkarzinome und deren Vorstufen, die aktinischen Keratosen. Die Entwicklung von weißem Hautkrebs erfolgt in der Regel unbemerkt und schleichend, man spricht hier vom sogenannten UV-Lebenszeitkonto, auf dem sich die Exposition so lange anhäuft, bis die Erkrankung bemerkbar wird. Aufgrund der langen Einwirkzeit der UV-Strahlung bis zur Entstehung einer Krebserkrankung wird der Krebs häufig erst nach Ausscheiden aus dem Berufsleben diagnostiziert. Da UV-Strahlung zudem für den Menschen weder spür- noch sichtbar ist, wird das durch übermäßige UV-Exposition hervorgerufene Gesundheitsrisiko im Alltag häufig unterschätzt oder gar ignoriert.

Rahmen für ein gemeinsames Präventionshandeln

Die Präventionsgremien und die Fachbereiche der DGUV setzen sich dafür ein, die Gesundheitsgefahr durch Sonnenstrahlung verstärkt in das Bewusstsein von Betrieben und Mitarbeitenden zu lenken. Gemeinsam mit der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SFLVG) wurde 2015 das Positionspapier „Prävention von Gesundheitsschäden durch solare Exposition“[3] verabschiedet. 2016 fand der Auftakt für die DGUV-Fachgesprächsreihe „Arbeiten unter der Sonne“ statt. Forschungsprojekte wurden angestoßen und durchgeführt.

Messbarkeit als Ausgang für die Prävention

Um wirksame und zielgruppenspezifische Präventionsansätze entwickeln zu können, ist das Wissen über die tatsächlich auftretenden Expositionen erforderlich. Nur so können die besonders gefährdeten Gruppen identifiziert werden. Da diese Erkenntnisse bisher fehlten, werden im Rahmen der GENESIS-UV-Messprojekte seit 2014 vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) detaillierte Erkenntnisse in Bezug auf die UV-Exposition in Beruf und Freizeit gewonnen.[4] Dieses Wissen bietet den Ausgangspunkt für die Entwicklung maßgeschneiderter und an die Bedürfnisse der jeweiligen Branche angepasster Präventionskonzepte. Trotz der vorliegenden Erkenntnisse und bestehender Empfehlungen zur Prävention von UV-induziertem Hautkrebs ist die Umsetzung in die Praxis jedoch weiterhin komplex.

Mind the Gap – fehlende Akzeptanz in der Praxis

Die Unfallversicherungsträger unterstützen Betriebe bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen. Eine wichtige Maßnahme dabei ist zum Beispiel eine angepasste Kleidung zum Schutz vor UV-Strahlung. Dennoch fehlt es offenbar an der Akzeptanz für derartige Schutzmaßnahmen. Der Nutzung stehen häufig Vorurteile gegenüber. Zum Beispiel wird langärmelige Kleidung als unbequem und „zu warm“ beurteilt, selbst wenn hier immer häufiger Funktionsstoffe mit UV-Schutzwirkung zum Einsatz kommen. Ein Ziel muss es sein, derartige Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz für die Prävention zu erhöhen. Für die Nutzung von angepasster Kleidung könnte das durch eine frühe Einbindung von Beschäftigten aus den Branchen erfolgen, zum Beispiel durch vorherige Tragetests oder Eignungsabfragen.

Forschung zu Sonnenschutzmittel für den beruflichen Bereich

Sonnencremes werden zwar als letztes Glied der Kette von persönlichen Schutzmaßnahmen aufgeführt, dennoch gibt es exponierte Körperstellen, die nur schwerlich mittels anderer Schutzmaßnahmen abgedeckt werden können. Genau an diesen Körperstellen wie Nase, Ohrenkante, Nacken oder Handrücken bildet sich der weiße Hautkrebs besonders häufig. Umso wichtiger ist die Prüfung der Anforderungen an ein Sonnenschutzmittel für den beruflichen Bereich. Arbeiten unter der Sonne dürfen durch die Verwendung von Sonnencremes nicht negativ beeinflusst werden. Zum Beispiel muss sichergestellt sein, dass die Creme keinen schmierigen Film auf der Haut hinterlässt, der das Festhalten von Werkzeugen erschwert oder die Ablagerung von Schmutz auf der Haut begünstigt. Gleichzeitig darf die Creme in Verbindung mit Schweiß keine Augenreizung auslösen. Auch andere Mittel der PSA wie beispielsweise Helm und Schutzbrille dürfen durch den Kontakt mit dem Präparat in ihrer Schutzwirkung nicht negativ beeinflusst werden.

Im Rahmen eines DGUV-geförderten Forschungsprojekts zum Anforderungsprofil beruflich eingesetzter Sonnenschutzpräparate [5] wurden sekundäre Kriterien erarbeitet, die zur Beurteilung von Sonnenschutzmitteln für den beruflichen Bereich herangezogen werden können (siehe Abbildung 3). Diese werden aktuell im IFA in einen Prüfgrundsatz umgesetzt, der darauf abzielt, die definierten sekundären Leistungskriterien für Produkte abzuprüfen und in Folge ein DGUV Test-Siegel mit dem Hinweis „für den beruflichen Bereich geeignet“ zu vergeben. Im Gegensatz zu den primären Kriterien, die hauptsächlich eine Aussage über die Wirksamkeit in Bezug auf den Sonnenschutz eines Produktes treffen, bewerten die sekundären Kriterien lediglich die Eignung für den Einsatz im beruflichen Bereich. Trotz dieser Orientierungshilfen hängt die Nutzung einer Sonnencreme am Arbeitsplatz vom Risikobewusstsein und der damit einhergehenden Akzeptanz der gefährdeten Personen ab.

Abbildung 3: Sekundäre Leistungskriterien für die Eignung eines Sonnenschutzmittels zum Einsatz im beruflichen Bereich in Anlehnung an John et al. (2020) | © Nicola Quade
Abbildung 3: Sekundäre Leistungskriterien für die Eignung eines Sonnenschutzmittels zum Einsatz im beruflichen Bereich in Anlehnung an John et al. (2020) Nicola Quade

Austausch und Netzwerk fördern

Um die genannten Bedarfe (siehe Abbildung 4) in der Prävention weiter voranzutreiben, ist der enge fachliche Austausch unter den Unfallversicherungsträgern und den Fachbereichen der DGUV über bestehende Aktivitäten, Erkenntnisse und Erfahrungen im Bereich der solaren UV-Strahlung von zentraler Bedeutung. Durch die Vernetzung können Kompetenzen gebündelt werden, sodass Fragestellungen zur Überwindung der Theorie-Praxis-Lücke so effektiv wie möglich gelöst werden können.

Abbildung 4: Bedarf in der Prävention von berufsbedingtem Hautkrebs | © Nicola Quade
Abbildung 4: Bedarf in der Prävention von berufsbedingtem Hautkrebs Nicola Quade

Aktuell plant die DGUV gemeinsam mit den Fachbereichen FB ETEM, FB BAU und FB PSA die Fortführung der Fachgesprächsreihe „Arbeiten unter der Sonne“ am 25. und 26. April 2023 in Dresden. Die Fachgesprächsreihe richtet sich branchenübergreifend an alle Präventionsfachleute der Unfallversicherungsträger, staatlicher Organisationen sowie der Versicherungsträger der Nachbarländer Österreich und Schweiz mit dem Schwerpunkt Gefährdung und Prävention durch solare Strahlung.

Save the Date

DGUV-Fachgespräch „Arbeiten unter der Sonne“

25.–26. April 2023

DGUV Congress Tagungszentrum des Instituts für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) in Dresden

Weitere Informationen

Fußnoten

  1. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Dritte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung, Bundesgesetzblatt I, Bd. 62, 22.12.2014.

  2. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV): Geschäfts- und Rechnungsergebnisse 2019 der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, Berlin 2020.

  3. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)/Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Prävention e. V. (SVLFG): Positionspapier Prävention von Gesundheitsschäden durch solare Exposition – Grundverständnis und Handlungsrahmen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, April 2015.

  4. Wittlich, M.; Westerhausen, S.; Strehl, B.; Schmitz, M.; Stöppelmann, W.; Versteeg, H.: IFA Report 4/2020 – Exposition von Beschäftigten gegenüber solarer UV-Strahlung: Ergebnisse des Projekts mit Genesis-UV, Berlin 2020.

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