Studie zum Anforderungsprofil beruflich eingesetzter Sonnenschutzpräparate

Bei der Prävention gegen hellen Hautkrebs durch UV-Strahlung spielen im Rahmen des TOP-Prinzips auch Sonnenschutzpräparate eine Rolle. In einem von der DGUV geförderten Forschungsprojekt wurden Sonnencremes darauf getestet, ob sie für die Arbeit im Freien zur Individualprävention gegen hellen Hautkrebs geeignet sind.

Hintergrund

Seit Aufnahme der BK-Nr. 5103 in die BK-Liste im Jahr 2015 wurden den Unfallversicherungsträgern mehr als 40.000 Verdachtsfälle gemeldet, von denen bereits mehr als 16.000 anerkannt wurden. Ein relevanter Anteil der betroffenen Personen mit anerkannter BK 5103 ist weiterhin beruflich tätig. Auch wenn nach dem TOP-Prinzip der Schutz vor Sonnenstrahlung vorrangig technisch und organisatorisch erfolgen soll, gibt es immer Körperstellen (zum Beispiel Gesicht, Hände), die auf diese Weise nicht beziehungsweise nicht ausreichend geschützt werden können. Dass diese Areale auch die häufigsten Lokalisationen der BK 5103 sind, zeigt, dass der Sonnenschutz bisher nicht ausreichend erfolgt. Ein erfolgversprechender Ansatz ist hier, bei erkrankten Personen die zwangsläufige weitere Verschlechterung aufgrund Einwirkung von UV-Strahlung auf die erkrankten Hautareale durch optimal wirksamen UV-Schutz zu minimieren. 

Diverse Studien[1] zeigen, dass die Verwendung adäquaten Sonnenschutzes durch die Anwendung von Sonnenschutzpräparaten das Risiko eines Fortschreitens oder Wiederauftretens von Hautkrebsformen gemäß BK 5103 verringern kann. Die Studienlage zu der Frage, welche Produkte („kosmetische“ oder „Medizinprodukte“) hier besonders geeignet sind und ob es hier überhaupt messbare Unterschiede gibt, ist aktuell noch dünn. Eine wissenschaftliche Grundlage für die dringend erforderlichen diesbezüglichen Vorgaben der Unfallversicherungsträger fehlt bisher.

Die klinisch-physikalische Effizienz und Akzeptanz von Sonnenschutzpräparaten bei erkrankten Personen ebenso wie bei Erwerbstätigen im Freien hängen von mehreren Faktoren ab. Das sind zum Beispiel die Stabilität, Applizierbarkeit, Wasser-, Schweiß- und Abriebbeständigkeit sowie Dosierbarkeit eines Präparats (vgl. Tabelle 1). Unter Beschäftigten sind das Bewusstsein und die Anwendungsbereitschaft für Sonnenschutz am Arbeitsplatz nach der gegenwärtigen Studienlage nur gering entwickelt. Ferner leidet die Bereitschaft zur Anwendung handelsüblicher Sonnenschutzprodukte an einer für den beruflichen Einsatz zumeist suboptimalen Galenik (Herstellung von Arzneimitteln). Handelsübliche Sonnencremes sind in der Regel hinsichtlich ihrer Grundlage und Hautstabilität lediglich für eine kurzzeitige Anwendung im Urlaub oder in der Freizeit optimiert, die dem Anforderungsprofil für den täglichen Einsatz im beruflichen Umfeld vielfach nicht entspricht.

Vor diesem Hintergrund wurde das von der DGUV geförderte Forschungsprojekt FB 278 (Kurztitel „Protect UV 5103“) mit dem Ziel durchgeführt, eine wissenschaftliche Evaluierung  geeigneter Sonnenschutzpräparate für den Einsatz in der Versorgung und Individualprävention von Versicherten mit UV-induzierten Hauttumoren im Sinne der BK 5103, die weiterhin im Freien arbeiten, vorzunehmen. Vorrangiges Ziel war es, für diese Personengruppe und damit für bereits Erkrankte eine objektive Grundlage für wissenschaftlich begründete Empfehlungen zum UV-Schutz zu schaffen. 

Vorgehen

Mittels einer Marktanalyse (Internetrecherche und Erhebungsinstrument zur standardisierten, produktabhängigen Herstellerbefragung) wurde eine Gruppe von 38 kommerziell in Deutschland erhältlichen – kosmetischen und als Medizinprodukte eingestuften – Sonnenschutzpräparaten identifiziert, die den eingangs von einem Forum von Fachleuten festgelegten medizinischen, applikationstechnischen sowie galenischen Anforderungsprofilen an ein für den Outdoor-Arbeitsalltag geeignetes Sonnenschutzpräparat bei BK 5103 genügen. Anhand eines Bewertungssystems wurde eine Einstufung der Produkte vorgenommen. Die zehn entsprechend den Anforderungsprofilen als besonders geeignet identifizierten Sonnenschutzpräparate wurden anschließend von einem neutralen Prüfinstitut gemäß einem entwickelten Labortestprofils mit Testpersonen evaluiert.

Die durchgeführten standardisierten Anwendungstests entsprachen weitgehend der Arbeitssituation von im Außenbereich körperlich Beschäftigten (einschließlich der erhaltenen Grifffestigkeit bezüglich Arbeitswerkzeugen und Gerüststangen nach Anwendung der Produkte, siehe Tabelle 1). Unter den zehn Produkten befanden sich acht kosmetische (aus dem Niedrigpreissegment und höherwertige Produkte) und zwei Medizinprodukte. Die effektive Schutzwirkung von zwei Produkten (ein Medizin- und ein kosmetisches Produkt), die die Anwendungstests  aus der vom Prüfinstitut erstellten Rankingliste am besten bestanden hatten, wurden anschließend in einer klinischen Probandenstudie unter Einsatz nichtinvasiver Expositionsmarker in vivo unter UVB-Breitspektrum-Exposition bestimmt. 

Es sollten Expositionsmarker identifiziert werden, die bei künftigen Interventionsstudien am Arbeitsplatz zur Beurteilung der Wirksamkeit von Sonnenschutzmaßnahmen nützlich sein könnten. Darüber hinaus sollten immunologische Mediatoren als weitere geeignete Marker für empfangene kumulative UV-Bestrahlung am Arbeitsplatz untersucht werden.

Relevante „sekundäre“ Parameter werden von Herstellfirmen nicht berücksichtigt

Es ist wenig überraschend, dass alle Hersteller gemäß den EU-Vorgaben den UVB-Lichtschutzfaktor (LSF), die Wasserresistenz und den UVA-Schutz testen, da sie Voraussetzungen für eine Marktzulassung sind. Gleichwohl werden die für den Outdoor-Arbeitsalltag relevanten „sekundären“ Parameter (siehe Tabelle 1) von den Firmen nicht gezielt geprüft mit der Begründung, dass entweder keine Methode vorhanden oder nicht vorgeschrieben sei und es hierzu aktuell keine Empfehlung der Europäischen Kommission gebe.

Kosmetische und als Medizinprodukte eingestufte Sonnenschutzmittel mit LSF 50 bieten eine gleichermaßen effektive Schutzwirkung

Alle geprüften Sonnenschutzmittel hielten den auf der Packung ausgelobten Sonnenschutz auch in den Testungen ein. Obwohl die Anwendungstests für die „sekundären“ Parameter in ihrer Differenzierbarkeit unterschiedlich ausfallen, weisen fast 50 Prozent der zehn getesteten Produkte recht gute Ergebnisse auf: Im Hinblick auf die Anwendung der Sonnenschutzprodukte zeigte ein Medizinprodukt die besten Ergebnisse hinsichtlich fast aller untersuchten Parameter. Den zweiten Platz belegte ein kosmetisches Produkt, das vor allem in den Bereichen Hautgefühl, Grifffestigkeit und Schmutzanheftung punktete. Das Produkt wies allerdings kein gutes Einziehvermögen auf und verblieb sichtbar auf der Haut. Auch ein Produkt aus dem Niedrigpreissegment weist gute Ergebnisse bei allen Tests vor. In der Zusammenschau hat am besten das kosmetische Produkt abgeschnitten, gefolgt vom Medizinprodukt. 

Tabelle 1: Sekundäre Parameter, die für Settings von Außenbeschäftigten relevant sind | © DGUV | Grafik: kleon better publishing
Tabelle 1: Sekundäre Parameter, die für Settings von Außenbeschäftigten relevant sind ©DGUV | Grafik: kleon better publishing

Expositionsmarker zur Objektivierung von Sonnenschutzverhalten und Interventionsmaßnahmen

Cis-Urocaninsäure (cis-UCA) wurde als der empfindlichste und spezifischste Expositionsmarker identifiziert, da sie bereits nach einer sehr geringen UVB-Exposition mittels Tesafilmabrissen nachgewiesen werden kann. Der starke Anstieg in der ersten Expositionswoche und das allmähliche Abflachen im Laufe von drei Wochen lassen vermuten, dass cis-UCA als Marker für eine einmalige Exposition, zum Beispiel zur Prüfung der Schutzwirkung von Sonnenschutzmitteln, oder für eine geringe Exposition, zum Beispiel bei anderen Schutzmaßnahmen, gut geeignet sein könnte. Mittels cis-UCA konnte auch die Wirksamkeit der zwei Sonnenschutzmittel mit LSF 50+ bewertet werden. Die Ergebnisse zeigen einen guten Schutz beider Produkte: 99,7 Prozent beziehungsweise 98,5 Prozent der UVB-Strahlungsdosis werden von beiden Sonnenschutzmitteln gefiltert. Für die Beurteilung des Einsatzes und der Schutzwirkung von topischen Sonnenschutzprodukten und Schutzkleidung am Arbeitsplatz wäre somit das cis-UCA-Isomer der Expositionsmarker der Wahl. Die Anwendung von cis-UCA als Marker am Arbeitsplatz hat jedoch den Nachteil, dass bereits bei mittelstarker ungeschützter UV-Exposition schnell ein Plateau erreicht wird und kein weiterer Anstieg mit zusätzlicher UV-Exposition eintritt.

In den Tesafilmabrissen konnten auch verschiedene immunologische UV-Expositionsmarker mithilfe der Pilotstudie identifiziert werden. Eine Reihe dieser Marker, darunter Zytokine, Wachstums- und Angiogenesefaktoren, zeigten charakteristische Kinetiken unter UVB-Bestrahlung; einige wiesen anders als zum Beispiel cis-UCA einen allmählichen Anstieg über drei Wochen kontinuierlicher UV-Exposition auf und eignen sich damit besser als Indikatoren einer empfangenen kumulativen UVB-Exposition am Arbeitsplatz. Ein weiterer Vorteil der immunologischen Marker ist, dass sie enger mit UVB-induzierten Entzündungen und der Hautkrebsentstehung in Verbindung gebracht werden können. Allerdings ist die interindividuelle Variabilität selbst in der nicht exponierten Haut groß. Eine weitere Absicherung und Validierung anhand einer größeren Studienpopulation ist damit unerlässlich.

Tabelle 2: Gesamtranking aller zehn getesteten Produkte | © DGUV | Grafik: kleon better publishing
Tabelle 2: Gesamtranking aller zehn getesteten Produkte ©DGUV | Grafik: kleon better publishing

Fazit

Bei der Unterscheidung der Wirksamkeit von kosmetischen versus Medizinprodukten im Angebot der topischen Sonnenschutzpräparate hat das Forschungsvorhaben keinen Unterschied bezüglich der Schutzwirkung vor natürlicher UV-Strahlung gezeigt. Dies betrifft sowohl die zwei insgesamt geeignetsten, als auch die acht weiteren vom Prüfinstitut getesteten Produkte. Der reklamierte UVB LSF 50 (+) wurde von allen Produkten erfüllt. Darunter befanden sich Sonnenschutzmittel aus dem Niedrigpreissektor und dem höheren Preissegment. Die vom Prüfinstitut erzielten Ergebnisse einer auch durch biometrische Tests nachweisbaren UV-Schutzwirkung ließen sich auch durch die Ergebnisse der Experimentalstudie mit Bestimmung der tatsächlich in der Haut empfangenen UV-Dosis bestätigen.

Es konnten neue Eignungskriterien für Sonnenschutzmittel entwickelt werden, die für die Arbeitsplatzsituation von Außenbeschäftigten wesentlich relevanter sind. Die im Rahmen des Forschungsvorhabens definierten und eingehend untersuchten Anwendungstests können in Ergänzung zu den standardisierten EU-Pflicht-Wirkaussagen die Geeignetheit eines Sonnenschutzmittels für die Zielgruppe wesentlich gezielter herausarbeiten. Die Definition eines standardisierten Untersuchungsalgorithmus für die zukünftige Evaluation von Sonnenschutzpräparaten für den beruflichen Einsatz sollte deshalb in Erwägung gezogen werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein DGUV-Qualitätssiegel oder eine erweiterte Zertifizierung „Für den professionellen Einsatz geeignet“. Obwohl nicht alle „sekundären“ Parameter (zum Beispiel die Grifffestigkeit) für alle Branchen gleichermaßen relevant sind, ist die Palette der neu entwickelten Testparameter dennoch als aussagekräftig und wegweisend zu erachten. 

Die Wahl des Expositionsmarkers hängt vom jeweiligen Zweck ab: Aus den verschiedenen gewählten Ansätzen, um Sonnenschutzverhalten und Interventionsmaßnahmen zu objektivieren, hat sich der Einsatz von Tesafilmabrissen des Stratum Corneum (SC) als eine vielversprechende Methode zur nichtinvasiven (und damit beliebig oft wiederholbaren) Bestimmung von Expositionsmarkern bei natürlicher UV-Exposition herauskristallisiert und könnte somit zukünftig in Ergänzung zu den GENESIS-UV-Dosimetern genutzt werden. 

Es konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass UVB-Strahlen den Gehalt an Wachstumsfaktoren im SC beeinflussen. Der auf nichtinvasivem Wege erhobene Parameter „cis-UCA“ wurde bisher noch nie am Arbeitsplatz gemessen und könnte einen innovativen Ansatz zur Evaluierung von Sonnenschutz-Interventionsstudien unter alltäglichen Arbeitsplatzbedingungen darstellen. Allerdings sollten die beobachteten Konzentrations-Zeit-Profile der untersuchten Expositionsmarker während der Arbeitswoche und am Wochenende in größeren Studien weiter bestätigt werden.

Relevanz für die Unfallversicherung

Es wurde erstmals eine Basis für in-vivo-Prüfstandards von Sonnenschutzpräparaten für die Primär- und Sekundärprävention gegen Hautkrebs bei Außenbeschäftigten entwickelt. Diese könnten auch bei zukünftigen Untersuchungen helfen, den Einfluss und die biometrische Effektivität von Lichtschutzkonzepten (Verhalten, Textilien, Sonnenschutzmittel) zu bewerten, und zwar durch die Bestimmung von in dieser Studie identifizierten Indikatoren für die tatsächlich in der Haut empfangene UV-Dosis. Diese könnte in Bezug gesetzt werden zu der mit dem GENESIS-UV-Dosimeter gemessenen ambienten UV-Exposition.

Die Unfallversicherungsträger können verordnende Ärztinnen und Ärzte darüber aufklären, welcher topische Sonnenschutz bei erkrankten Personen mit anerkannter BK 5103 für das Arbeiten im Freien geeignet ist. Entscheidend für die Empfehlung sind dabei die konkreten Produkteigenschaften und nicht die Klassifizierung als kosmetisches Produkt oder Medizinprodukt. 

Vor diesem Hintergrund können auch Empfehlungen an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für geeignete Sonnenschutzausstattung, einschließlich topischer Sonnenschutzpräparate, von Außenbeschäftigten auf wissenschaftlicher Basis erfolgen, mit dem Ziel der nachhaltigen Reduktion von Inzidenz und klinischem Ausmaß gemeldeter BK-5103-Fälle.

Mit den Ergebnissen des Forschungsvorhabens könnte ferner eine Lücke bezüglich der Hinweise auf geeigneten topischen Sonnenschutz im Rahmen der Nachsorge bei BK 5103 mit dem Nachsorgebericht (F6122-5103) geschlossen werden. Das wäre ein wichtiger Meilenstein für die medizinisch erforderliche und leitliniengerechte Versorgung von Versicherten mit anerkannter BK 5103 darstellen. Belegt ist, dass unter konsequentem Sonnenschutz aktinische Keratosen rückbildungsfähig sind und auch die Neuerkrankungsrate invasiver Plattenepithelkarzinome signifikant abnimmt.  

Hinsichtlich der Versorgung von noch nicht erkrankten Außenbeschäftigten mit geeignetem Sonnenschutz liegen die Studienergebnisse zum richtigen Zeitpunkt vor. Die als Ergebnis der Studie definierten geeigneten kosmetischen und Medizinprodukte, die für Versicherte mit BK 5103 identifiziert worden sind, sind gleichermaßen für gesunde Außenbeschäftigte zur Primärprävention geeignet. Mit Einführung der Arbeitsmedizinischen Regel (AMR) 13.3 (Juli 2019) im Rahmen der vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Angebotsvorsorge bei Außenbeschäftigten kann eine spezifischere Beratung exponierter Personengruppen bezüglich des geeigneten Lichtschutzes durch Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner erfolgen. Nach Erhebungen des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) fallen mehr als 4,5 Millionen Beschäftigte unter dem Vorsorgeanlass gemäß Definition der AMR 13.3.

Aus diesen Zahlen lässt sich abgeschätzen werden, wie groß bei Beschäftigten der Bedarf an wissenschaftlich begründeten Vorgaben in den in der Angebotsvorsorge gemachten Empfehlungen  zur Wahl des adäquaten Sonnenschutzes sein wird oder derzeit schon ist. 

Dies sollte auch Anlass für die weitere wissenschaftliche Begleitforschung sein.

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