Zufriedenheit mit dem Berufskrankheiten-Verfahren – Ergebnisse der Versichertenbefragung
Die Zufriedenheit der Versicherten mit der Arbeit der Unfallversicherungsträger beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung. Um Ansatzpunkte zur weiteren Verbesserung der Berufskrankheiten-Verfahren zu erhalten, haben die Unfallversicherungsträger ihre Versicherten befragt.
Einleitung
Kundenzufriedenheit ist ein wichtiges Qualitätskriterium im Berufskrankheiten-Verfahren (BK-Verfahren). Weitere Kriterien sind die rechtmäßige und die zügige Entscheidung. Um die Zufriedenheit zu erfassen, haben alle neun gewerblichen Berufsgenossenschaften und einzelne Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand[1] mehr als 24.000 Fragebögen versendet. Adressiert waren sie an Versicherte, die im ersten Halbjahr 2017 eine BK-Entscheidung erhalten hatten. 19 Prozent der Befragten haben geantwortet. Die Verknüpfung der Antworten mit der bei der DGUV geführten Berufskrankheiten-Statistik erlaubt, die Angaben differenziert auszuwerten – unter anderem nach Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung, der BK-Nummer und nach Versichertengruppen. Der Fragebogen zielt neben der Gesamtzufriedenheit auf acht Teilaspekte (Abbildung 1).
Der Fragebogen enthält zu jedem Aspekt eine unterschiedliche Anzahl von Aussagen (Items). Alle Auswertungsergebnisse beziehen sich nur auf gültige Antworten („gültiges n“). Haben Versicherte Fragen gar nicht oder mit „Kann ich nicht beurteilen“ oder „Weiß nicht“ beantwortet, bleiben diese Antworten unberücksichtigt. Ziel dieses Artikels ist es, ausgewählte Ergebnisse der Befragung vorzustellen.
Ergebnisse
Repräsentativität
Von den Befragten hat etwa ein Fünftel Angaben gemacht. Antwortende und Nichtantwortende können sich hinsichtlich relevanter Merkmale unterscheiden. Die Analyse nach BK-Nummer, Alter, Geschlecht und Laufzeit des BK-Verfahrens zeigt allerdings kaum bedeutsame Unterschiede. Wird die berufliche Verursachung bestätigt, geht dies in den meisten Fällen einher mit der Gewährung von Leistungen. Eine positive versicherungsrechtliche Entscheidung erhöht daher tendenziell die Motivation, die gestellten Fragen zu beantworten. Trotzdem ist der Zusammenhang zwischen Antwortbereitschaft und Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung nur schwach. Obwohl eine erhöhte Zufriedenheit der Versicherten zu erwarten ist, die Angaben gemacht haben, zeigen die statistischen Analysen zur Repräsentativität, dass die Befragungsergebnisse verallgemeinert werden können.
Überblick über alle Aussagen
Sieht man sich alle Aussagen im Überblick an, zeigt sich insgesamt eine hohe Zufriedenheit (Abbildung 2). Die Bewertung ist dennoch differenziert: Die Zustimmungsspanne reicht von knapp 60 bis nahezu 87 Prozent. Am besten schneidet der Aspekt „Service- u. Beratungsqualität/Freundlichkeit“ (A4) ab. Vier von fünf Versicherten stellen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Unfallversicherungsträger gute Noten aus. Am anderen Ende der Skala liegt der Aspekt „Bearbeitungsdauer“ (A5). Hier sind nur etwa drei von fünf Versicherten zufrieden. Im Aspekt „Transparenz des BK-Verfahrens“ (A2) ist das Item 19 auffällig. Die Kriterien, die zu einer Anerkennung oder Ablehnung einer Berufskrankheit geführt haben, sind gut einem Viertel der Versicherten nicht deutlich geworden. Ähnliches gilt für Item 8 im Aspekt „Fachkompetenz“ (A3).
Gesamtzufriedenheit
Zwei Drittel der Befragten sind mit ihrem BK-Verfahren insgesamt zufrieden (Item 21). Deutlich erkennbar ist der Einfluss, den die Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung hat (Abbildung 3). Insgesamt äußern 85,2 Prozent der Versicherten, denen eine Rente gewährt wird, Zufriedenheit. Ähnlich positiv urteilen diejenigen, bei denen zwar besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht erfüllt waren, aber die berufliche Verursachung ihrer Erkrankung bestätigt werden konnte. Das sind zumeist Versicherte, die Leistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) erhalten haben. Mehrheitlich unzufrieden sind dagegen Erkrankte, bei denen sich der BK-Verdacht nicht bestätigt hat. In der Mitte zwischen diesen Polen liegen die Ergebnisse der Versicherten, deren Berufskrankheit anerkannt wurde, aber ohne dass eine Rente gezahlt wird. In dieser Gruppe sind zwei von drei Befragten zufrieden.
Die Daten zur Gesamtzufriedenheit zeigen exemplarisch den Effekt, den das Ergebnis des BK-Verfahrens auf den Grad der Zufriedenheit hat. Die Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung ist deshalb stets zu berücksichtigen, wenn die Befragungsergebnisse interpretiert werden. Weder Geschlecht, Alter noch BK-Nummer haben einen ähnlich deutlichen Einfluss.
Bearbeitungsdauer
Die tatsächliche Verfahrensdauer wirkt sich erwartungsgemäß auf die Zufriedenheit mit der Bearbeitungsdauer (Abbildung 4) und ähnlich auch auf die Gesamtzufriedenheit aus. Je länger das Verfahren dauert, desto größer wird der Anteil der Unzufriedenen und desto kleiner der Anteil der Zufriedenen. Dieser Effekt ist unabhängig von der Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung. Eine Verfahrensdauer von bis zu neun Monaten hält die Hälfte der Versicherten für angemessen.
Fühlen sich die Versicherten über den Ablauf des Verfahrens gut informiert (Item 3), steigt ihre Zufriedenheit bezüglich der Bearbeitungsdauer. Diese positive Wirkung von Information ist nicht davon abhängig, wie lange das Verfahren tatsächlich dauert. Sogar bei einer langen Verfahrensdauer von mehr als zwölf Monaten ist noch jede zweite versicherte Person zufrieden. Mangelt es an Informationen über den Ablauf des Verfahrens, ist dieser Wert unerreichbar ‒ unabhängig davon, wie schnell das Verfahren durchgeführt wird (Abbildung 5).
Die Unfallversicherungsträger bemühen sich schon seit Jahren, Verfahren zu beschleunigen. Die Entwicklung des Messparameters „Laufzeit“ und sein kontinuierlicher Einsatz als Kennzahl haben die Verfahrensdauer über alle Unfallversicherungsträger hinweg gesenkt. Dass solche Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Kundenorientierung sinnvoll sind, bestätigen die Resultate der Befragung. Eine kurze Verfahrensdauer erhöht die Zufriedenheit der Versicherten nicht nur mit der Bearbeitungsdauer, sondern auch mit dem BK-Verfahren insgesamt.
Individualprävention
Leistungen zur Individualprävention sind integraler Bestandteil des Hautarztverfahrens bei der BK-Nr. 5101.[2] Abbildung 6 vergleicht die Gesamtzufriedenheit von Hauterkrankten mit Versicherten, die an Rückenbeschwerden leiden (BK-Nr. 2108). Sie zeigt für Versicherte mit Hautkrankheit einen besonders hohen Anteil an zufriedenen Personen (85 Prozent). Bei der BK-Nr. 2108 ist dieser Anteil geringer. Aber auch in dieser Versichertengruppe sind mehr als 60 Prozent zufrieden, obwohl unter den Rückenerkrankten vier von fünf Antwortenden einen ablehnenden Bescheid erhalten haben. Das ist bemerkenswert. Denn verglichen mit allen Befragten, deren Berufskrankheit abgelehnt wurde, ist die Gesamtzufriedenheit bei der BK-Nr. 2108 um mehr als 20 Prozentpunkte höher. Dies erklärt sich durch den hohen Anteil von Rückenpatientinnen und Rückenpatienten, die eine Maßnahme der Individualprävention erhalten haben.
Bei immer mehr Berufskrankheiten etablieren die Unfallversicherungsträger Maßnahmen der Individualprävention. Damit verbunden ist die Hoffnung, die Zunahme individualpräventiver Leistungen werde sich künftig in einer noch größeren Zufriedenheit der Versicherten widerspiegeln.
Fachkompetenz
Eine große Streuung der Zufriedenheitswerte je nach BK-Nummer zeigt sich bei Item 8: „Die Belastungen (Einwirkungen), denen ich im Rahmen meiner Arbeitstätigkeit ausgesetzt war, wurden vom Unfallversicherungsträger berücksichtigt.“ Hohe Zufriedenheit bei den Hauterkrankungen (BK-Nr. 5101: 83,6 Prozent) steht deutlich niedrigeren Werten bei einzelnen Muskel-Skelett-Erkrankungen gegenüber, zum Beispiel beim Karpaltunnelsyndrom (BK-Nr. 2113: 31,6 Prozent) oder bei der Gonarthrose (BK-Nr. 2112: 43,3 Prozent).
Um dies zu verbessern, wurde im Jahr 2018 eine regelhafte Rückmeldung an die Versicherten („Versichertenquittung“) bei allen Unfallversicherungsträgern eingeführt. Bevor Entscheidungen über Berufskrankheiten fallen, erhalten die Versicherten eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer persönlichen Befragung. Sie enthält Angaben zu Art und Ausmaß der Einwirkungen, die für das BK-Verfahren relevant sind, sowie über die Zeiträume der Exposition. Sie gibt den Versicherten die Möglichkeit, ihre Angaben zu ergänzen oder zu korrigieren, soweit sie unvollständig oder fehlerhaft aufgenommen wurden.
Transparenz
Item 19 betrifft die Aussage: „Die Kriterien, die zur Anerkennung oder Ablehnung einer Berufskrankheit führen, sind mir deutlich geworden.“ Nach Art der versicherungsrechtlichen Entscheidung ausgewertet ähnelt das Resultat dem Ergebnis für die Gesamtzufriedenheit. Während Befragte mit neuer BK-Rente oder bei bestätigter beruflicher Verursachung, ohne dass ein Versicherungsfall vorliegt, recht zufrieden sind mit den Informationen (84,6 Prozent beziehungsweise 75,1 Prozent), die sie über die Anerkennungskriterien erhalten haben, sinkt dieser Anteil bei Befragten mit anerkannter Berufskrankheit ohne Rente spürbar ab (64,2 Prozent). Bei nicht bestätigtem BK-Verdacht gibt weniger als ein Drittel (30,1 Prozent) der Versicherten an, verstanden zu haben, woran die Anerkennung gescheitert ist.
Um die Transparenz der BK-Verfahren zu verbessern, sollten die Unfallversicherungsträger deshalb noch stärker als bisher auf verständliche und zeitnahe Kommunikation mit den Versicherten hinwirken. Es sollte das Ziel sein, sie schon zu Beginn des Verfahrens über die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen zu informieren, die erfüllt sein müssen, damit ihre Erkrankung anerkannt werden kann. Dies könnte mit fachärztlich ausgerichteten Sprechstunden gelingen, bei denen die Versicherten auch allgemein zu ihrem Krankheitsbild beraten werden.
Servicequalität
Die Zufriedenheit der Versicherten mit der Servicequalität der Unfallversicherungsträger ist hoch. Abbildung 7 zeigt die Zustimmung der Versicherten, deren Berufskrankheit nicht bestätigt wurde, zu Item 14 „Alle Ansprechpersonen des Unfallversicherungsträgers haben mich freundlich behandelt“. Trotz Ablehnung bewerten mehr als 70 Prozent der Versicherten die Freundlichkeit ihrer Ansprechpersonen bei den Unfallversicherungsträger positiv. Andere Items erreichen in diesem besonders kritisch urteilenden Kollektiv zum Teil nur Zufriedenheitswerte unterhalb von 30 Prozent. Dieser große Unterschied in der Zufriedenheit betont nicht nur den positiven Eindruck, den die Beschäftigten der Unfallversicherungsträger bei ihren Versicherten hinterlassen, sondern zeigt außerdem nochmals eindrucksvoll, wie differenziert die Befragten die unterschiedlichen Komponenten des BK-Verfahrens bewertet haben.
Fazit
Die Kundenzufriedenheitsbefragung 2017 hat wertvolle Hinweise geliefert, wie die Versicherten verschiedene Aspekte des BK-Verfahrens einschätzen. Viele Versicherte sind bereit, auch negative Ergebnisse zu akzeptieren, wenn sie sich ausreichend informiert sowie gut beraten fühlen und die Entscheidung in einem transparenten Verfahren gefallen ist. Anstrengungen der Unfallversicherungsträger, ihre Verfahrensdauern zu verkürzen, sind sinnvoll, weil sich lange Laufzeiten negativ auf die Zufriedenheit der Betroffenen auswirken. Lassen sich kurze Laufzeiten der Verfahren nicht realisieren, empfiehlt es sich, die Versicherten umfassend über den Ablauf des Verfahrens zu informieren.
Die verstärkten Anstrengungen vieler Unfallversicherungsträger, individualpräventive Maßnahmen anzubieten, scheinen sich zu lohnen. Berufskrankheiten, für die Verfahren der Individualprävention fest etabliert sind, schneiden besser ab als Berufskrankheiten, für die es keine vergleichbaren Leistungen gibt. Die Versicherten honorieren, wenn die Unfallversicherungsträger sie zu ihren gesundheitlichen Verhältnissen beraten – zum Beispiel in Sprechstunden ‒, auch wenn eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht ausgesprochen werden kann.
Kundenzufriedenheit misst das Verhältnis von Kundenerwartung zur Bedürfniserfüllung. Der Bedürfniserfüllung sind im BK-Verfahren rechtliche Grenzen gesetzt: Leistungen dürfen nur erbracht werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Trotzdem sind zwei von drei Versicherten mit ihrem BK-Verfahren zufrieden. Dies bestätigt eine gute Akzeptanz des Verfahrens. Überdurchschnittlich positiv bewerten die Versicherten die Freundlichkeit, die Kompetenz und den Service der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallversicherungsträger.