„Clearingstelle Haut“ – Warum? Und wie funktioniert sie?

Arbeitsbedingte Hautkrankheiten sind in der gesetzlichen Unfallversicherung die mit Abstand am häufigsten gemeldeten Erkrankungen von Erwerbstätigen. Die „Clearingstelle Haut“ vermittelt bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Dermatologinnen und Dermatologen auf der einen sowie der gesetzlichen Unfallversicherung auf der anderen Seite.

Mehr als 20.000 Krankheitsfälle werden jährlich allein zur sogenannten „BK Nr. 5101“ angezeigt. Zu dieser Position in der „Berufskrankheitenliste“ zählen vor allem arbeitsbedingte Handekzeme, die nach Hautbelastungen wie zum Beispiel Feuchtarbeit auftreten. Aber auch der Kontakt zu Chemikalien und Allergenen kann Ekzeme verursachen. Hinzu kommen jedes Jahr weitere 8.000 Verdachtsanzeigen zur Berufskrankheit Nr. 5103 – dem UV-bedingten Hautkrebs durch langjähriges Arbeiten im Freien.

Fast immer übernehmen die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen die weitere Behandlung, um das Entstehen einer schweren Erkrankung zu verhindern und den Arbeitsplatz zu erhalten. In Hautkrebsfällen sind die Betroffenen meist schon berentet. Auch sie müssen behandelt werden, in der Regel sogar lebenslang.

In einer Vertragsarztpraxis gehören damit ärztliche Meldungen, Berichte und Abrechnungen an und mit Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zum Tagesgeschäft. Das Miteinander zwischen allen Beteiligten ist gut geregelt und sehr ausführlich im „DGUV Honorarleitfaden“ beschrieben.

Gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Dermatologinnen oder Dermatologen sowie Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, kann die „Clearingstelle Haut“ vermitteln. Diese Stelle gibt es seit vielen Jahren. Sie ist eine gemeinsame Initiative von DGUV und ABD, der „Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie“ in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), und wurde im Jahr 2017 um eine weitere ärztliche Vertretung – die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) – erweitert.

Das wichtigste Ziel der „Clearingstelle Haut“ ist es, zu einem guten Miteinander von Dermatologinnen und Dermatologen sowie Unfallversicherungsträgern in der täglichen Praxis beizutragen und damit die Basis für die bestmögliche medizinische Versorgung von Versicherten mit arbeitsbedingten Hautkrankheiten zu schaffen. Hierfür bietet die Clearingstelle die Möglichkeit, Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich und kostenfrei beizulegen und darüber hinaus zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Die zahlreichen Erkenntnisse aus den Streitigkeiten nutzen ABD, KBV und DGUV für die stetige Verbesserung der Prozesse.

Wie funktioniert die „Clearingstelle Haut“?

Der Kontakt zur Clearingstelle ist auf verschiedenen Wegen möglich (siehe Infokasten). 

Die Anfrage an die Clearingstelle sollte den Sachverhalt kurz beschreiben, vor allem die konkrete Streitfrage zwischen Ärztin oder Arzt sowie der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, die bisher nicht geklärt werden konnte. Gern können Unterlagen aus dem bisherigen Schriftwechsel beigefügt werden, die die Auffassungen beider Seiten zeigen. Wichtig ist, die Dokumente zu anonymisieren. Bei Anfragen von Ärztinnen und Ärzten kann die Angabe der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse und des dortigen Aktenzeichens die Klärung beschleunigen.

Die Anfragen werden von allen drei Mitgliedern der „Clearingstelle Haut“ gemeinsam gesichtet und Empfehlungen werden gemeinsam abgestimmt. Gibt es keinen Konsens oder bleiben Fragen offen, zum Beispiel zu neuen Therapien, ist eine weiterführende Beratung in der ABD-Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung im BK-Verfahren“ vorgesehen. Diese Arbeitsgruppe stellt die Empfehlungen auf eine breitere Wissensbasis und ist interdisziplinär mit Repräsentantinnen und Repräsentanten verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften und ärztlicher Verbände[1] sowie Vertreterinnen und Vertretern von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen besetzt.

Was leistet die „Clearingstelle Haut“?

Zu Beginn hat die Clearingstelle nur Streitfälle im DGUV Hautarztverfahren geschlichtet. Heute vermittelt sie zu allen Fragen rund um die verschiedenen Berufskrankheiten der Haut, mit Ausnahme des Themas Begutachtungen. Meinungsverschiedenheiten gibt es dabei oft zum Umfang der Diagnostik im Hautarztverfahren, aber auch zur Kostenübernahme von neuen Therapien, dem Umfang der Basistherapie, der Indikation für eine Fotodokumentation, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Jahr 2019 wurde die Clearingstelle mehr als 50-mal angefragt, überwiegend von Ärztinnen und Ärzten.

Vieles lässt sich schnell klären. Denn fast immer sind die offenen Fragen bereits geregelt, zum Beispiel in der DGUV Verfahrensbeschreibung zum Hautarztverfahren, dem DGUV Honorarleitfaden oder der Bamberger Empfehlung.

Diese genannten Regelungen sind den Beteiligten jedoch meist nicht bekannt. Das sollte Anlass sein, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern und zu systematisieren. Die zusammenfassende Übersicht aller Informationen und Arbeitshilfen auf den Internetseiten der ABD ist dabei nur ein erster Schritt. Eine ähnliche Seite gibt es für die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen auf der eigenen internen Wissensplattform, dem „UV-NET“.

Nur sehr selten werden die vorhandenen Regelungen unterschiedlich ausgelegt. In der Vergangenheit betraf das meist neue Regelungen wie zum Beispiel die neuen UV-GOÄ-Nummern zur Behandlung der neuen BK-Nr. 5103. Es gab kein einheitliches Verständnis zum Wortlaut der UV-GOÄ-Nummern zur Photodynamischen Therapie (Nr. 570/571) oder zur medikamentösen Behandlung (Nr. 753). Aufgrund der Anfragen an die Clearingstelle konnten die Leistungslegenden weiter geschärft werden.

Die 'Clearingstelle Haut' trägt zu einem guten Miteinander von Dermatologinnen und Dermatologen sowie den Unfallversicherungsträgern bei.

Aus der Praxis der Clearingstelle

Andere Anfragen an die Clearingstelle resultieren aus dem wissenschaftlichen Fortschritt in Diagnostik und Therapie. Gibt es neue Methoden, stellt sich aus Sicht der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen die Frage nach der Evidenz, insbesondere da sie meist (noch) nicht von Leitlinien erfasst sind. Solche Anfragen werden in der Regel weiterführend in der interdisziplinären ABD-Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung im BK-Verfahren“ beraten. Gegebenenfalls werden sie auch der Leitlinienkommissionen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zugeleitet.

Die wohl wichtigste Arbeitshilfe für die „Clearingstelle Haut“ ist der DGUV Honorarleitfaden. Dieser bietet Ärztinnen und Ärzten praxisnahe Informationen zu den Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere auch zu Abrechnungsfragen. Mit den Erfahrungen aus der Clearingstelle wird der Leitfaden ständig fortgeschrieben und ist in seiner jeweils aktuellsten Fassung im Internet verfügbar

Der DGUV Honorarleitfaden enthält auch Vorgaben zum Testumfang im Hautarztverfahren. Hierzu gibt es häufiger unterschiedliche Auffassungen und daher Anfragen an die Clearingstelle. In der Praxis wird von ärztlicher Seite richtigerweise versucht, bei allergischen Kontaktekzemen das krankheitsauslösende Allergen schnell zu finden. Aus welchem Bereich das Allergen kommt – beruflich oder privat – lässt sich dabei aus der Anamnese oft nicht ableiten und entsprechend breit gefächert sind die Testungen. Im Hautarztverfahren sind in der Regel jedoch nur Testungen mit beruflichen Allergenen zulässig. Ziel des Hautarztverfahrens ist es ja, den Verdacht einer beruflichen Verursachung zu klären. Die Abrechnung einer Diagnostik mit nicht beruflichen Allergenen führt daher schnell zu – dann berechtigten – Rechnungskürzungen seitens der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.

Gemeinsames Clearingverfahren von ABD, KBV und DGUV | © Krohn/DGUV | Grafik: kleon better publishing
©Krohn/DGUV | Grafik: kleon better publishing

Darüber hinaus ist für Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bei Testungen sehr wichtig, dass deren klinische Relevanz im Hautarztbericht vermerkt wirkt. Fehlen diese Einträge, ist der Bericht nicht vollständig und grundsätzlich nicht zu vergüten. Das klingt zunächst nach Bürokratie, aber diese Angaben sind für Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sehr wichtig und können die Entscheidungsgrundlage für die Leistungspflicht und darüber hinaus auch wegweisend für Maßnahmen der Individualprävention sein.

Auch bei der BK-Nr. 5103 – dem UV-bedingten Hautkrebs – ist das vollständige Ausfüllen der Berichte entscheidend für die schnelle Anerkennung als Berufskrankheit und damit für das Erteilen eines Behandlungsauftrags. Der Fragenkatalog aus dem Formtext F6120 mag auch hier sehr bürokratisch wirken, er ist aber ein Abbild der von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zu prüfenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung. Sind Fragen im Bericht nicht beantwortet, ist eine Entscheidung oft nicht möglich oder kann sich verzögern. Mit Blick auf die zurzeit noch sehr aufwendige Beschreibung der Krankheitsaktivität zur BK-Nr. 5103 im Erstbericht sowie in den Folgeberichten erwarten die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen jedoch, dass teledermatologische Anwendungen zu einer deutlichen Aufwandreduzierung in der ärztlichen Berichterstattung führen können bei gleichzeitiger Standardisierung der zurzeit noch nicht einheitlich verstandenen Kriterien.

Daneben gibt es zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Berufsgenossenschaften und Unfallkassen gelegentlich Missverständnisse zu dem für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Grundsatz „mit allen geeigneten Mitteln“. Dieser wird im Hautarztverfahren von ärztlicher Seite häufig interpretiert als uneingeschränkte Leitungsverpflichtung der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Richtig ist vielmehr, dass vor der Anerkennung einer Berufskrankheit die Krankenversicherung gesetzlich leistungspflichtig ist und Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im Rahmen eines Ermessens weitere Leistungen erbringen können, um das Eintreten einer Berufskrankheit zu verhindern. Das heißt mit anderen Worten: Kann die Tätigkeit bei einer kassenärztlichen Behandlung und mit geeigneten Präventionsmaßnahmen der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers fortgesetzt werden, gibt es keine Erfordernis und damit auch keine Rechtsgrundlage für § 3 Leistungen und damit für einen Behandlungsauftrag.   

Fazit

Die „Clearingstelle Haut“ hat sich als gemeinsame Einrichtung von ABD, KBV und DGUV in der Praxis bewährt. Sie ist eine gute und häufig nachgefragte Möglichkeit, bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sowie Ärztinnen und Ärzten zu vermitteln. Sie trägt damit zu einem guten Miteinander in der täglichen Praxis bei. Die zahlreichen Erkenntnisse aus den Anfragen nutzen ABD, KBV und DGUV für die stetige Verbesserung der Prozesse und die Fortschreibung des Regelwerks, insbesondere des DGUV Honorarleitfadens.

Kontakt zur Clearingstelle Haut

Der Kontakt zur Clearingstelle ist auf verschiedenen Wegen möglich. Ärztinnen und Ärzte wenden sich meist an ihre wissenschaftliche Fachgesellschaft:

Unfallversicherungsträger nutzen in der Regel das E-Mail-Postfach: Clearingstelle-Haut@dguv.de