Krebsrisiko im Feuerwehrdienst – erste Studienergebnisse

Sind Feuerwehrleute durch ihre Tätigkeit einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt? Dieser Frage geht die DGUV in einem Forschungsprojekt nach. Ergebnisse einer Pilotstudie.

In dem Forschungsprojekt „Krebsrisiko für Feuerwehreinsatzkräfte: Strategien zur Expositionsvermeidung und -erfassung“[1] sollen insbesondere Strategien und Verhaltensweisen entwickelt und auf den Bereich der Feuerwehr übertragen werden, die eine wirksame Expositionsvermeidung im Einsatzalltag ermöglichen können. Langfristig sollen damit berufsbedingte oder durch die ehrenamtliche Tätigkeit erworbene Krebserkrankungen vermieden werden.

Das Forschungsprojekt gliedert sich in drei Teile:

  • Es sollen Strategien zur Expositionsvermeidung im Feuerwehreinsatz entwickelt werden.
  • Es soll eine praxisgerechte Dokumentation der Expositionen aufgebaut werden. Das beinhaltet auch die Anpassung der Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) an den Feuerwehrdienst.
  • Expositionen werden in einem Biomonitoring von Feuerwehreinsätzen bei Realbränden untersucht. 

Krebsrisiko im Feuerwehrdienst – internationale Studien

Zunächst wurde für das Projekt die internationale Studienlage zum Thema gesichtet. Bis Ende Oktober 2019 konnten in der Literatur 87 epidemiologische Studien zu Krebsrisiken von Feuerwehreinsatzkräften identifiziert werden. Nicht alle diese Studien eignen sich für die Beurteilung des Krebsrisikos, da zum Beispiel Daten von Einsatzkräften zusammen mit Daten von Polizeikräften oder Militärangehörigen ausgewertet wurden. Auch berichten nur wenige Studien über die Risiken von weiblichen Einsatzkräften oder von freiwilligen Feuerwehren. Bis Ende Oktober 2019 konnten 87 epidemiologische Studien zu Krebsrisiken von Feuerwehreinsatzkräften aus der internationalen Literatur identifiziert werden. Nicht alle dieser Studien eignen sich für die Beurteilung des Krebsrisikos, da zum Beispiel Einsatzkräfte zusammen mit Polizeikräften oder Militärangehörigen ausgewertet wurden. Auch berichten nur wenige Studien über die Risiken von weiblichen Einsatzkräften oder von Freiwilligen Feuerwehren. Für eine epidemiologische Bewertung eignen sich daher insbesondere die Studien, die männliche Berufsfeuerwehreinsatzkräfte untersuchten.

Feuerwehr im Einsatz | © Pelzl
Einsatzkräfte der Feuerwehr bekämpfen einen Gebäudebrand. Eine Kontamination der Einsatzkräfte sowie deren PSA ist dabei nahezu unvermeidlich. ©Pelzl

Eine Metaanalyse – also der nach Studiengröße und Variabilität gewichteten Auswertung der Risiken aller in die Analyse eingeschlossenen Studien – am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) bestätigte unter anderem eine bereits zuvor gezeigte Risikoerhöhung der Blasenkrebsinzidenz bei Feuerwehrleuten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.[2] Das Erkrankungsrisiko für Blasenkrebs war im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um 18 Prozent und das Sterblichkeitsrisiko um 72 Prozent erhöht. Zudem zeigte sich ein um 46 Prozent erhöhtes Mesotheliomrisiko (basierend auf zwei Studien). Im Gegensatz zu den eingeschlossenen Kohortenstudien zeigten die Fall-Kontrollstudien insgesamt bei mehr Krebserkrankungen erhöhte Risiken, allerdings war hier die Anzahl der auswertbaren Studien sehr gering. Das größte Risiko zeigte sich für Nierenkrebs mit einer Erhöhung von 132 Prozent, die auf drei Studien basiert.

Weiterhin sind die Ergebnisse der epidemiologischen Studien teilweise heterogen.[3] Insbesondere Kohortenstudien und Fall-Kontrollstudien lieferten unterschiedliche Ergebnisse. Auch veränderten sich für manche Krebserkrankungen die Risiken je nach Jahr des Beschäftigungsbeginns der Einsatzkraft. Für Magenkrebs sanken diese Erkrankungsrisiken im Laufe der Zeit, während sie für den schwarzen Hautkrebs,  Prostata- und Hodenkrebs anstiegen. 

Länderspezifische Unterschiede der Krebsrisiken waren ebenfalls zu beobachten.

Teilprojekt 1: Expositionsvermeidungsstrategien

Wie können Expositionen im Einsatzalltag der Feuerwehrleute effektiv vermieden werden? Das bestehende Regelwerk gibt bereits Hinweise: Die DGUV Regel 105-049 "Feuerwehren" fordert, dass bauliche Anlagen so gestaltet und eingerichtet sein müssen, dass eine Schadstoffverschleppung vermieden wird. Auch sind Kontaminationen der Einsatzkräfte durch geeignete Schutzmaßnahmen zu vermeiden. Der Fachbereich Feuerwehren Hilfeleistungen Brandschutz der DGUV hat dazu die DGUV Information 205-035 „Hygiene und Kontaminationsvermeidung bei der Feuerwehr“ erstellt, die voraussichtlich im zweiten Quartal 2020 veröffentlicht wird. Diese enthält unter anderem konkrete Beispiele, die den Feuerwehren aufzeigen, wie eine Expositionsverschleppung vermieden werden kann.

Grobreinigung kontaminierter PSA  | © Pelzl
Eine Grobreinigung kontaminierter PSA an der Einsatzstelle noch vor dem Ablegen hilft eine Verschleppung von Schadstoffen zu verringern ©Pelzl

Teilprojekt 2: Expositionsdokumentation

Nach § 14 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der kommunalen Feuerwehren verpflichtet, über die Beschäftigten, die Tätigkeiten mit krebserzeugenden und/oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B ausüben und bei denen eine Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit besteht, ein Verzeichnis zu führen. Dabei haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Pflicht zur Dokumentation, Archivierung und Aushändigung. Die beiden letzten Pflichten können sie an die DGUV delegieren. Die Zentrale Expositionsdatenbank (ZED) sichert die rechtskonforme Archivierung und Aushändigung zu. Da eine einfache Erfassung spezieller feuerwehrspezifischer Tätigkeiten zunächst nicht Bestandteil der ZED war, wurde in diesem Teilprojekt eruiert, welche Erfassungsmöglichkeiten für die Tätigkeiten der Feuerwehr benötigt werden. Diese wurden inzwischen zum größten Teil in die Benutzungsoberfläche der ZED integriert. Darüber hinaus wird momentan an einem Format zur Atemschutzdokumentation gearbeitet, mit dem auch eine Ersterfassung der Expositionsdokumentation in einem Formular erfolgen kann und das sowohl die Anforderungen der Feuerwehrdienstvorschrift 7 „Atemschutz“ als auch der Expositionsdokumentation gemäß GefStoffV erfüllt. Weitere Informationen zur ZED und der Zugang der Datenbank finden sich  unter https://zed.dguv.de.

Zwei Möglichkeiten der gesetzlich geforderten Expositionsdokumentation | © Hueter/DGUV
Die ZED unterstützt beim Führen, Archivieren und Aushändigen des Expositionsverzeichnisses ©Hueter/DGUV

Teilprojekt 3: Biomonitoring-Studie

Vor dem Start der Hauptstudie zum Biomonitoring von Feuerwehreinsätzen bei Realbränden an den Standorten Hamburg und Berlin wurden die Studieninstrumente in einer Pilotstudie in Bochum getestet. Dies betraf hauptsächlich die Verständlichkeit der Fragebögen sowie das gesamte Verfahren der Urinabgabe, das Einfrieren der Proben in einem – auf der Wache bereitgestellten – Gefrierschrank und das zu Analysezwecken erforderliche Tragen von Baumwollbekleidung unter der Brandbekämpfungskleidung. Die Pilotstudie eröffnete die Möglichkeit, vor Beginn der Hauptstudie notwendige Änderungen vorzunehmen.

Die Pilotstudie wurde von Februar bis Mai 2018 durchgeführt. Insgesamt hatten sich 25 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr bereit erklärt daran teilzunehmen. Sieben Einsatzkräfte hatten in diesem Zeitraum einen Brandeinsatz, der dokumentiert wurde. Alle vorgesehenen Urinproben nach dem Einsatz wurden gesammelt. Es handelte sich insgesamt um fünf Brände (drei Wohnungsbrände, zwei Fahrzeugbrände und sonstige Brände im Freien). Zu den Funktionsträgern im Einsatz zählten Gruppenführer, ein Angriffstrupp mit Pressluftatmer und ein Maschinist. Drei dieser Einsatzkräfte waren nach Selbstangabe Raucher. Zudem trugen drei Einsatzkräfte, die zum Angriffstrupp gehörten, Baumwollbekleidung unter ihrer Schutzausrüstung.

Als Kurzzeitparameter für die Exposition wurde 1-Hydroxypyren (1-OHP) im Urin als Stoffwechselprodukt von Pyren bestimmt. Pyren ist ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff. 1-OHP wird daher als Parameter zur Beurteilung der vom Körper aufgenommenen Menge an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) herangezogen.

Urinproben wurden vor dem Einsatz (Eingangsuntersuchung) und dreimal nach dem Brandeinsatz genommen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle dargestellt. Je höher der Wert ist, desto mehr Pyren wurde vom Körper aufgenommen. 1-OHP wird volumenbezogen (in Mikrogramm pro Liter Urin) gemessen und im Anschluss auf den individuellen Kreatinin-Gehalt im Urin normiert. Kreatinin ist ein wichtiger Parameter für die Nierenfunktion und wird in Gramm pro Liter gemessen. 

Im Humanbiomonitoring wird durch die Normierung auf Kreatinin letztendlich die Verdünnung des Urins indirekt mit in die Bewertung des Ergebnisses aufgenommen. So kann zum Beispiel die Beeinflussung des 1-OHP-Wertes durch starkes Schwitzen und anschließende Flüssigkeitsaufnahme während des Einsatzes mitberücksichtigt werden. Die Nachweisgrenze für 1-OHP liegt bei 0,025 μg/L, das heißt Werte die kleiner waren, konnten mit der verwendeten Labormethode nicht gemessen werden. Alle Kreatinin-adjustierten Werte waren für die Urine der sieben Einsatzkräfte mit Brandeinsatz ermittelbar. Es zeigte sich durchweg ein Anstieg der mittleren 1-OHP-Konzentration nach dem Einsatz.

Die mittlere Belastung der Nichtraucher stieg von 0,06 μg/g Kreatinin auf 0,10 μg/g Kreatinin und die der Raucher von 0,14 μg/g Kreatinin auf 0,23 μg/g Kreatinin. Die maximale Konzentration nach dem Einsatz betrug für Nichtraucher 0,19 μg/g Kreatinin und für Raucher 0,46 μg/g Kreatinin. 

Biomonitoring-Ergebnisse

Analysenergebnisse des Biomonitorings | © DGUV | Grafik: kleon better publishing
©DGUV | Grafik: kleon better publishing

Zur Bewertung der Analysenergebnisse des Biomonitorings wird der „Biologische Arbeitsstoff-Referenzwert“ (BAR) der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) der Deutschen Forschungsgemeinschaft herangezogen. Der BAR beschreibt die (rein umweltbedingte) Hintergrundbelastung bei nicht beruflich gegenüber PAK exponierten Personen. Er nimmt keinen Bezug auf gesundheitliche Effekte. Dieser beträgt 0,30 µg/g Kreatinin für Nichtrauchende und 0,70 µg/g Kreatinin für Rauchende. 

Die 1-OHP-Konzentrationen in allen Urinproben der Pilotstudie weisen sowohl vor als auch nach dem Brandeinsatz Werte unterhalb des jeweiligen BAR-Wertes auf. Somit sieht man in den Daten der Pilotstudie keine Erhöhung der Pyren-Exposition durch die Brandbekämpfung, die über die Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht.

Stoffproben aus den drei Einsätzen, bei denen Baumwollunterbekleidung getragen wurde, wurden auf PAK untersucht. Quantifiziert werden können die schwerer flüchtigen Vertreter aus der Stoffklasse der PAK. Bei leicht- und mittelflüchtigen PAK können Minderbefunde aufgrund ihrer Flüchtigkeit nicht ausgeschlossen werden. Die PAK wurden bezogen auf das Gewicht der ausgestanzten Stoffstücke (in g) bestimmt. Da die Stoffproben unterschiedlich schwer sind (Bünde sind zum Beispiel dicker als der übrige Stoff) ist dies die relevante Bezugsgröße. Leitkomponente für die PAK-Belastung der Unterziehwäsche ist Benzo[a]pyren (EU-GHS-Einstufung nach Verordnung [EG] 1272/2008: Karzinogenität 1B, Keimzellmutagenität 1B, Reproduktionstoxizität 1B). Die Bestimmungsgrenzen der gemessenen PAK sind abhängig vom Gewicht der Stoffprobe und daher variabel. Einen Grenzwert zur Beurteilung der dermalen Belastung aus Kleidung durch PAK und deren Leitkomponente Benzo[a]pyren gibt es nicht. 

Auf der Baumwollkleidung, die die drei Einsatzkräfte getragen haben, wurden überwiegend PAK entweder unterhalb der Bestimmungsgrenze oder aber in einem nur niedrigen Konzentrationsbereich bestimmt. Baumwollhandschuhe wurden von keiner der drei Einsatzkräfte getragen. Messbare Belastungen wurden nur auf einem Shirt, den Hosen und den Socken gefunden. Die maximale Belastung an Benzo[a]pyren lag hier bei 40 ng/g, das entspricht 0,04 mg/kg Stoff an einem Hosenbeinbündchen. Diese Hose wurde bei einem Wohnungsbrand mit Innenangriff getragen. 

Da es keinen Grenzwert zur Beurteilung der dermalen Belastung durch PAK und deren Leitkomponente Benzo[a]pyren gibt, wurde als Orientierung zur Bewertung der Analysenergebnisse der Standard 100 by Oeko-Tex® sowie die Verordnung (EU) 2018/1513 der Europäischen Kommission vom 10. Oktober 2018 herangezogen.

Der Standard 100 by Oeko-Tex® ist eine Kennzeichnung, sowohl für Textilien als auch für Zubehör für die Fertigung von Bekleidung im Neuzustand. Die Auflistung enthält einen Summengrenzwert für 24 PAK sowie spezifische Grenzwerte für einzelne PAK.

Die Verordnung (EU) 2018/1513 beschreibt Beschränkungen für Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung bestimmter krebserzeugender, erbgutverändernder und fruchtbarkeitsgefährdender Stoffe der Kategorien 1A oder 1B in Kleidung und damit in Bezug stehendem Zubehör, unter anderem in Textilien und Schuhwaren. Nach dem 1. November 2020 gelten für verschiedenen PAK, darunter auch für Benzo[a]pyren, Grenzwerte von jeweils 1 mg/kg. Ausgenommen von der Regelung sind jedoch unter anderem gebrauchte Kleidung und persönliche Schutzausrüstungen. 

Alle PAK-Messungen in der Unterziehwäsche weisen einzeln sowie in Summe aller gemessenen PAK einen Wert unter 1 mg/kg auf. Somit erfüllen diese auch nach dem Einsatz den Standard 100 by Oeko-Tex® und die EU-Verordnung.

Schlussfolgerung

Die bisherigen Messungen der Pilotstudie untersuchten Brandereignisse im Bereich Wohnungsbrand und Brand im Freien. Die hierbei ermittelten, in der Regel niedrigen Konzentrationen an PAK in der Baumwollunterbekleidung sowie im Biomonitoring entsprechen den Erwartungen bei korrekt angelegter, funktionsfähiger Schutzkleidung sowie des bedarfsgerechten Tragens von umluftunabhängigem Atemschutz. 

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es sich hier in der Pilotstudie noch um eine geringe Anzahl von Einsätzen handelt, die keine "Worst-Case" Szenarien mit abdecken. Eine abschließende Beurteilung ist deshalb erst nach Beendigung der Hauptstudie möglich. Dennoch ist beim Kontakt mit kanzerogenen Stoffen, wie sie im Brandrauch vorkommen, entsprechend der Gefahrstoffverordnung nach § 7 Absatz 4 das Minimierungsgebot anzuwenden. 

Aufgrund der Erfahrungen in der Pilotstudie wurden die Studieninstrumente an einigen Stellen nachgebessert und für die Hauptstudie optimiert. 

Danksagung

Wie danken den beteiligten Feuerwehren, Institutionen, Verbänden und Unfallversicherungsträgern, die dieses Projekt unterstützen, und insbesondere den beteiligten Einsatzkräften.