Arbeitssicherheit in klimabedingten Schadholzbeständen

Die klimabedingte Schadholzentwicklung steigert das Unfallrisiko bei der Waldarbeit. Die Gefährdung, bei der Arbeit durch Schadholz absterbender Bäume getroffen zu werden, ist im Laubschadholz besonders hoch. Die Verantwortungsgemeinschaft muss sich daher mehr denn je proaktiv vergewissern, ob Fachkunde und Ausrüstung ausreichen, um in diesen Schadholzbeständen sicher arbeiten zu können. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) berät mit einer Maßnahmenhierarchie.

Entwicklung des Unfallgeschehens

Im Jahr 2019 starben 36 Versicherte verletzungsbedingt bei der Waldarbeit, in den Jahren 2015 bis 2018 waren es im Durchschnitt zehn Menschen weniger. Dieser sprunghafte Anstieg bei den tödlichen Unfällen findet bislang losgelöst von den meldepflichtigen Unfällen statt. Sie blieben in den vergangenen Jahren auf vergleichbarem Niveau: 2019 waren es 5.257 Arbeitsunfälle, in den Jahren 2014 bis 2018 im Mittel rund 5.500 – obgleich ein deutlicher Anstieg von Gefährdungen festzustellen ist. Augenscheinlicher Grund hierfür sind Kompensationseffekte: vor allem die kalamitätsbedingten, sehr niedrigen Holzpreise für Schadholz, der verminderte Frischholzeinschlag und das abschreckend hohe Schadholzaufkommen. Deswegen blieb ein bundesweit riskanter Einschlags-„Aktionismus“ bislang aus und auch generell kommt mehr Technik zum Einsatz. Zudem ist derzeit in puncto Arbeitsschutz eine hohe Dynamik bei Technikinnovationen und Technikeinsatz  im klimabedingten Schadholz festzustellen, was einen erweiterten, risikoreduzierenden Technikeinsatz bewirkt.

Gefährdung durch klimabedingtes Schadholz

Beim Laubschadholz gehen das Absterben und die Holzfäule oft Hand in Hand. Bei Bäumen mit welkender Teilbelaubung können bereits Baumteile wie Äste und Kronenbereiche morsch und brüchig sein. Bei Nadelholz tritt dieser brüchige, morsche Zustand zeitlich deutlich verzögert ein, wenn das Holz erkennbar anbrüchig wird. Das Abbrechen des Stammes im Kronenbereich stellt hier das übliche Versagensbild beim Zufallbringen dar.

Bei motormanuellen Fällungen besteht generell das Unfallrisiko, durch unkontrolliert bewegte Baumteile getroffen zu werden. Dieser Gefährdungsfaktor ist bei absterbenden und bereits abgestorbenen Bäumen besonders ausgeprägt und nimmt sukzessive zu und auch wieder ab, bis am Ende des Zerfalls naturbedingt nur noch ein harmloser, hoher Baumstumpf übrig ist.

Maßnahmen zur Risikoreduzierung

Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung vor Ort im konkreten Schadholzbestand (Fäule und Zerfallsausprägung) bestimmt die Maßnahmen zur Risikoreduzierung und entscheidet über die einzusetzende Technik und über das Arbeitsverfahren. Vorschnelles, unvorbereitetes Arbeiten mit ungeeigneter Ausrüstung ist unbedingt zu vermeiden.

Arbeitsvorbereitung

Bei den Maßnahmen zur Risikoreduzierung bei der Schadholzfällung kommt die bestands- und einzelbaumbezogene Schadensausprägung zum Tragen:

  • Kennzeichnung des gefährdungsrelevanten, stehenden Schadholzes wann immer möglich, besonders Laub(stark)holz
  • Auswahl des geeigneten Personals, Schulung oder Unterweisung und Gewährleistung seiner Fachkunde vor Beginn der Arbeiten
  • praxisnahe Dokumentation der Maßnahmenwirksamkeit (beispielsweise Schulungs- und Unterweisungsfotos der Fachkunde, Seileinbringungen und Arbeitsabläufe mit Kurzinformationen)
  • Bereitstellung und Vorhaltung von Maschinen und Geräten für die Arbeitsverfahren, auch teilflächen- und baumweise

Das Personal entscheidet am zu fällenden Baum darüber, ob er stehen gelassen wird oder nicht. Entscheidend ist die Frage, ob er mit der zur Verfügung stehenden Ausrüstung sicher bearbeitet werden kann.

Arbeitsverfahren

Bei der Bearbeitung von absterbendem oder bereits abgestorbenem, stehendem Schadholz, insbesondere des Laubschadholzes und des anbrüchigen Nadelholzes, ist im Bestand und am Baum weitestgehend erschütterungsfrei zu arbeiten. Beim eigentlichen Zufallbringen des Baumes sind Verfahren anzuwenden, die technisch sicher sind oder einen örtlichen Abstand zum fallenden Baum ermöglichen. Mit zunehmendem Unfallrisiko sind das:

1. Vollmechanisierung (Harvester, "Forst"-Bagger, Fällkran)

  • sicherstes Arbeitsverfahren und daher generell vorzuziehen, insbesondere wenn Zugang (Straße, Rückegasse) für den Technikeinsatz besteht
  • erweiterter Technikeinsatz, wo immer er möglich ist und eine Risikoreduzierung bewirkt

2. Seilwindenunterstützte Verfahren (Fällung und gegebenenfalls Umziehen)

  • Ausrüstung für die Seileinbringung vom Boden aus („KAT-Verfahren“ und andere)
  • Sicherheitsfälltechnik mit stark (15 bis 20 cm) unterschnittenem Sicherheitsband als Regelfälltechnik
  • negativer Fällschnitt bei stärkerem Rückhang des Baumes
  • einzuhaltenden Fallbereich beachten und gegebenenfalls weiter fassen oderabsichern
  • bei stark fortgeschrittener Fäule (Baumbeurteilung!) ist auch ein mögliches Umziehen zu prüfen (Holzfestigkeit, Fäulezustand nach Anlage des Fallkerbs prüfen)

3. Funkferngesteuerte, technische Fällkeile (hydraulisch, mechanisch), wenn es gar nicht anders geht

  • Bedienungsanleitung der herstellenden Firma konsequent beachten
  • nur für leicht keilbare, normal stehende Bäume (Baum muss nach Betätigung des funkferngesteuerten Keils liegen)
  • Holzfasern müssen im Keil-Druckbereich stabil sein
  • Sicherheitsfälltechnik mit leicht (rund 5 cm) unterschnittenem Sicherheitsband als Regelfälltechnik (Abfangen der Vorspannkraft, kein „Eisen“ im Schnitt)
Das richtige Arbeitsverfahren reduziert das Unfallrisiko | © SVLFG
Das richtige Arbeitsverfahren reduziert das Unfallrisiko ©SVLFG

Wirksamkeitskontrolle

Die Ausführungsqualität der Arbeiten ist zu kontrollieren, um unsichere Zustände und Bedingungen bereits vor einem vermeintlichen Unfall zu erkennen. Der Kontrollverantwortung seitens der Arbeitgebenden und Auftraggebenden ist daher konsequent nachzukommen.