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Mit abba gegen psychische Belastung und Gewalt in Jobcentern

Im Rahmen des Projekts „abba – Arbeitsbelastungen und Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV“ wurden von 2008 bis 2010 Daten zur Belastungs- und Bedrohungssituation der Beschäftigten in Jobcentern erhoben. Eine der fünf teilnehmenden Unfallkassen bei diesem Projekt war die Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB). Wie ist die Entwicklung bis heute?

Die ARGEN (Arbeitsgemeinschaften gemäß SGB II) heißen seit einigen Jahren Jobcenter und aus dem Arbeitslosengeld II wurde das Bürgergeld. Rund um die Grundsicherung ändert sich viel, nur die Belastung bleibt gleich: Das Fallaufkommen ist auf einem hohen Niveau, die Rechtslage kompliziert. Der Entscheidungsspielraum der Beschäftigten ist im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten eher gering, die Erwartungen der Kundinnen und Kunden sind jedoch hoch. Die Sorgen und die Verzweiflung mancher Kundinnen und Kunden führen immer wieder auch zu Aggressionen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dies reicht in Einzelfällen von Verweigerungshaltungen über Beleidigungen bis hin zu Bedrohungen. Körperliche Angriffe bleiben zum Glück Ausnahmen.

Die wichtigsten Projektergebnisse

Im Projekt wurden zunächst die Arbeitsbedingungen in den Jobcentern unter die Lupe genommen. Dazu wurden rund 2.200 Beschäftigte aus zwölf Jobcentern schriftlich nach ihren Arbeitsbedingungen gefragt. Das Ergebnis: Verglichen mit anderen Berufsgruppen ist in den Jobcentern die emotionale Belastung hoch, die Arbeitsmenge hoch, der Handlungsspielraum bei der Arbeit sehr niedrig und die emotionale Erschöpfung sehr hoch. Gewalt war in allen Jobcentern ein Thema: Knapp 70 Prozent der Befragten fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz gelegentlich oder oft unsicher oder bedroht. Die häufigsten Übergriffe durch Kundinnen und Kunden waren Beleidigungen und Verweigerungshaltungen. Tätliche Übergriffe kamen dagegen nur selten vor.

Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt

Technik, Organisation, Personal: Aus den Ergebnissen wurden Maßnahmen für die verschiedensten Bereiche abgeleitet. Hier eine Auswahl:

  • Bauliche Maßnahmen wie der Ein- und Umbau von Kundentheken, der Einbau von Fluchttüren zwischen den Büros oder eine Verbesserung der Alarmierungsmöglichkeiten trugen dazu bei, die Anzahl von Übergriffen zu senken.
  • Organisatorische Maßnahmen wie die gezielte polizeiliche Ansprache von Straftätern, die Beschäftigte in den Jobcentern bedroht hatten, dazu das kompromisslose Anzeigen jeder Straftat verschafften den Beschäftigten ein zusätzliches Sicherheitsgefühl.
  • Seminare zur gewaltfreien Kommunikation und Deeskalation vermittelten den Beschäftigten nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine Wertschätzung ihrer Arbeit.

Insgesamt wurde das Projekt von den beteiligten Jobcentern positiv beurteilt. Neben der konkreten Verringerung einzelner Belastungsfaktoren und der Verbesserung der Übergriffsituation hat das Projekt dazu beigetragen, das Bewusstsein der Verantwortlichen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu stärken. Viele der beteiligten Jobcenter haben die für das Projekt aufgebauten Strukturen und Prozesse bis heute übernommen.

Das Projekt wirkt nach

Trotz aller Präventionsmaßnahmen: Aggressionen und Übergriffe lassen sich nie ganz verhindern und sind auch heute noch Thema in den Jobcentern. Ob Zugpersonal der Deutschen Bahn (DB) oder die Rettungskräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK): Auch in vielen anderen bei der UVB versicherten Betrieben erleben Beschäftigte dies immer wieder.

Die UVB hat aus dem abba-Projekt viel mitgenommen und ihre Präventionsleistungen angepasst. So zum Beispiel im Bereich der psychologischen Betreuung. Ein wesentlicher Schutzfaktor gegen Traumatisierungen ist nämlich die soziale Unterstützung. Die UVB hat hier in den vergangenen Jahren eine Ausbildungsmöglichkeit für kollegiale psychologische Erste Hilfe geschaffen. Sollte es Beschäftigten nach einem traumatischen Ereignis bei der Arbeit nicht gut gehen, können sie auch direkt über die UVB Hilfe erhalten. Hierzu stellt der Betrieb eine Unfallanzeige mit einer genauen Schilderung des Ereignisses und dem Hinweis, dass es sich um ein Psychotrauma handeln könnte. Liegen die Kriterien für einen Arbeitsunfall vor, hilft die UVB dabei, psychotherapeutische Behandlung zu bekommen.

Bei Ereignissen mit vielen Betroffenen können Betriebe die UVB auch direkt um Unterstützung durch psychologisches Fachpersonal bitten. So zum Beispiel im vergangenen Jahr: In einem Jobcenter hatte ein Mann eine Mitarbeiterin mit einem Messer angegriffen. Das Jobcenter reagierte schnell und informierte die UVB über das Ereignis und den Unterstützungsbedarf vor Ort. Die UVB beauftragte daraufhin einen psychologischen Dienst. In mehreren Gruppensitzungen wurde das Erlebte unter professioneller Anleitung besprochen.

Lesen Sie zum Projekt „abba“ auch das Interview in dieser Ausgabe „Auch das Positive immer wieder erwähnen“.

Weitere Informationen

Alles für den Kunden? Arbeitsbelastungen und Bedrohungen an Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt (DGUV Information 206-015)

Unfallkasse Nordrhein-Westfalen. Broschüre: Gewaltprävention: ein Thema für öffentliche Verwaltungen

Abschlussbericht Projekt abba – Arbeitsbelastungen und Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV (DGUV)

Internetseite Unfallversicherung Bund und Bahn: uv-bund-bahn.de/trauma