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Mobbing am Arbeitsplatz – Ergebnisse einer repräsentativen Studie für Deutschland

Mobbing ist ein ernst zu nehmendes Problem in der Arbeitswelt. Der Beitrag zeigt anhand aktueller Daten des Mobbingreports, wie verbreitet Mobbing ist, wer besonders betroffen ist, welche Bedingungen es begünstigen und wie Prävention möglich ist.

Mobbing stellt ein Risiko für die Gesundheit der Beschäftigten sowie die Produktivität und das Betriebsklima von Unternehmen dar.[1][2][3][4]Mobbing in der Arbeitswelt ist damit ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz, nicht zuletzt aufgrund der langwierigen Folgen. Der Mobbingreport 2024[5] liefert repräsentative Daten zur Verbreitung, zu möglichen Risikofaktoren und Auswirkungen von Mobbing unter abhängig Erwerbstätigen in Deutschland und knüpft damit an den Mobbingreport von 2002 an.[6] Grundlage dafür ist die „Repräsentative Studie zum Thema Mobbing in der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland“, die im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zwischen 2022 und 2024 durchgeführt wurde. Verantwortlich für die Umsetzung war das Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig in Kooperation mit dem Institut und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin (IPAS) der Technischen Universität Dresden sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Im Rahmen des Projekts wurde eine repräsentative Telefonbefragung mit 5.015 abhängig Erwerbstätigen durchgeführt. Zusätzlich wurden 37 vertiefende qualitative Interviews mit Betroffenen, Expertinnen und Experten sowie Führungskräften durchgeführt. Ziel des Forschungsprojekts war es, aktuelle Daten zur Bedeutung, Verbreitung und Prävention von Mobbing in der Arbeitswelt zu erfassen.

Was genau ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche kann Mobbing in der Arbeitswelt wie im Infokasten dargestellt definiert werden.[7] Dabei orientierte man sich an etablierten Konzepten aus bekannter Forschungsliteratur, insbesondere an den Arbeiten von Heinz Leymann[8] und Ståle Einarsen[9].

Mobbing in der Arbeitswelt – eine Begriffsbestimmung

„Mobbing in der Arbeitswelt wird als ein Prozess verstanden, der gekennzeichnet ist durch häufig wiederkehrende und persistierende negative bzw. schädigende Verhaltensweisen gegenüber einer Person, welche von der betroffenen Person als unerwünscht erlebt werden und bei dieser das Erleben von Wehr- oder Hilflosigkeit auslösen. Mobbing kann unter anderem Verhaltensweisen der Anfeindung, Belästigung, Ausgrenzung, Schikane und Bloßstellung umfassen. Im Kontext Arbeit kann Mobbing unabhängig von einem objektiven Machtverhältnis in alle Richtungen gezeigt werden (top-down, horizontal, bottom-up), wobei die betroffene Person sich in einer Situation wiederfindet, in der sie es als schwierig oder unmöglich erlebt, sich dagegen zur Wehr setzen zu können. Das Erleben von Mobbing kann in der Folge mit arbeits- und gesundheitsbezogenen Beeinträchtigungen bei den Betroffenen einhergehen.“

Quelle: Löbner, M.; Welzel, F. D.; Jung, F. et al. (2025): Repräsentative Studie zum Thema Mobbing in der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland, Forschungsbericht 655, Berlin.

Wie wurde Mobbing am Arbeitsplatz in der Studie erfasst?

An der repräsentativen Telefonbefragung nahmen insgesamt 5.015 abhängig Erwerbstätige teil. Dazu zählten Auszubildende, Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Beamtinnen und Beamte sowie geringfügig Beschäftigte. Teilnehmende mussten mindestens 18 Jahre alt sein und über ausreichend deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Erwerbstätigkeit wurde im Rahmen der Studie als eine bezahlte Tätigkeit mit einem Mindestumfang von einer Stunde pro Woche definiert. Detaillierte Informationen zur verwendeten Methodik und Gewichtung können dem Forschungsbericht zur Studie[10] entnommen werden. Befragte galten als Mobbing-Betroffene, wenn sie angaben, in den letzten sechs Monaten täglich oder mindestens einmal pro Woche zu Unrecht kritisiert, schikaniert oder vor anderen bloßgestellt worden zu sein – durch Kolleginnen, Kollegen und/oder Vorgesetzte.

Wie verbreitet ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass 6,5 Prozent der abhängig Erwerbstätigen in Deutschland von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind. Insgesamt 4,4 Prozent der Teilnehmenden berichteten von Mobbing durch Kolleginnen oder Kollegen. Insgesamt 3,5 Prozent waren von Mobbing durch Vorgesetzte betroffen. Besonders betroffen von Mobbing am Arbeitsplatz zeigte sich die Gruppe der jüngeren Arbeitnehmenden in der vorliegenden Studie. So liegt die Sechs-Monats-Prävalenz in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen bei 11,4 Prozent, während sie in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen lediglich bei 3,2 Prozent liegt. Auch Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status (8,1 Prozent) waren deutlich häufiger betroffen als jene mit einem hohen sozioökonomischen Status (3,6 Prozent). Ebenso zeigten sich in der Studie Auszubildende, Arbeiterinnen und Arbeiter, Menschen mit Migrationshintergrund und solche in Leih- oder Zeitarbeit besonders betroffen. Insgesamt 5,3 Prozent der Befragten berichteten außerdem von Mobbing durch andere Personen im Arbeitskontext – zum Beispiel durch Kunden und Kundinnen, Patienten und Patientinnen, Schüler und Schülerinnen oder Fahrgäste. Mobbing-Betroffene waren im Vergleich zu Nicht-Betroffenen signifikant häufiger von den folgenden Verhaltensweisen im Arbeitskontext betroffen (mindestens einmal pro Woche oder täglich/fast täglich): absichtliches Unterbrechen (47,3 Prozent versus 11,3 Prozent), keine Reaktion auf Ansprache (39,6 Prozent versus 7,0 Prozent), verantwortlich gemacht werden für Fehler (32,8 Prozent versus 5,5 Prozent) sowie die Wegnahme wichtiger Einfluss- und Tätigkeitsbereiche (16,1 Prozent versus 1,9 Prozent).

Psychosoziale Arbeitsbedingungen und Mobbing

Die Ergebnisse zeigen, dass Personen, die angaben, von Mobbing betroffen zu sein, in den vorangegangenen zwei Jahren häufiger Veränderungen im Team oder bezüglich der Führungskraft erlebt hatten. Ein Befund, der sich in ähnlicher Form auch in der „Studie zur Mentalen Gesundheit bei der Arbeit (S-MGA)“ beobachten ließ.[11] Darüber hinaus berichteten Betroffene deutlich häufiger über Zeitdruck sowie über das Erleben, mit ihrer Arbeit in Verzug zu geraten. Ebenso zeigten sich signifikante Unterschiede im wahrgenommenen Handlungsspielraum. So gaben Mobbing-Betroffene seltener an, Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Tätigkeiten sowie auf das Arbeitspensum zu haben im Vergleich zu Nicht-Betroffenen.

Auch im Bereich der wahrgenommenen Unterstützung zeigten sich Unterschiede zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen. Mobbing-Betroffene fühlten sich seltener durch Kolleginnen oder Kollegen und Vorgesetzte unterstützt als nicht betroffene Personen. Ferner lassen sich hinsichtlich der wahrgenommenen Qualität der Führung Differenzen feststellen. So schrieben Mobbing-Betroffene ihren direkten Vorgesetzten seltener zu, der Arbeitszufriedenheit einen hohen Stellenwert beizumessen, und gaben seltener an, dass ihre Führungskraft Entwicklungsmöglichkeiten aktiv fördere. Die Ergebnisse unterstreichen damit die Bedeutung einer präventiven Organisationsgestaltung und der Relevanz einer unterstützenden Führungskultur.

Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit

Knapp ein Drittel (30 Prozent) der Mobbing-Betroffenen gab an, eher unzufrieden oder gar nicht zufrieden mit der eigenen Arbeit zu sein, während dies nur auf 9 Prozent der Nicht-Betroffenen zutrifft. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der Einschätzung der Sinnhaftigkeit der Arbeit. Etwa ein Drittel (30 Prozent) der Mobbing-Betroffenen stufte die eigene Tätigkeit als nur zum Teil, in geringem oder in sehr geringem Maße als sinnvoll ein, während es bei den Nicht-Betroffenen nur 15 Prozent sind.

Gesundheit, psychische Belastung und Stress

Mobbing-Betroffene schätzten zu einem signifikant höheren Anteil ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht ein (23,8 Prozent versus 10,1 Prozent). Dies zeigte sich ebenso in der signifikant höheren Anzahl der Krankheitstage innerhalb des vorangegangenen Jahres, die bei Betroffenen im Mittel bei 22,6 Tagen lag, im Vergleich zu 11,4 Tagen bei den Nicht-Betroffenen. Weiterhin zeigt die Studie, dass Betroffene eine höhere psychische Belastung im Vergleich zu Nicht-Betroffenen erleben. So berichteten Betroffene über mehr depressive Symptome, mehr Ängstlichkeit und zeigten eine höhere Stressbelastung.

Prävention und Handlungsmöglichkeiten

Im Rahmen der Studie verneinten Mobbing-Betroffene im Vergleich zu Nicht-Betroffenen signifikant häufiger die Frage nach einer offiziellen Vertrauensperson oder einer offiziellen Anlaufstelle für Mobbingsituationen am Arbeitsplatz (45 versus 32 Prozent). Etwa ein Drittel der Betroffenen (30 Prozent) berichtete darüber hinaus, dass am Arbeitsplatz kein offenes Gespräch mit Vorgesetzten, Kolleginnen oder Kollegen im Falle von Mobbing möglich sei. Bei den Nicht-Betroffenen waren es hingegen nur 6 Prozent. Mobbing-Betroffene berichteten im Vergleich zu Nicht-Betroffenen zudem signifikant häufiger, dass in den vergangenen Jahren am Arbeitsplatz keine Maßnahmen wie Schulungen oder Weiterbildungen zum Thema Mobbing stattgefunden haben (64 Prozent versus 58 Prozent). Auffällig ist zudem, dass betroffene Personen im Vergleich zu Nicht-Betroffenen signifikant häufiger der Aussage zustimmten, von den Beschäftigten werde erwartet, mit solchen Situationen selbst zurechtzukommen (64 Prozent versus 52 Prozent).

Die Ergebnisse der Studie geben wichtige Hinweise darauf, dass eine wirksame Prävention von Mobbing am Arbeitsplatz ein mehrdimensionales Vorgehen erforderlich macht, das sowohl strukturelle als auch personelle und kulturelle Aspekte im Betrieb berücksichtigt. Wesentliche Bestandteile eines solchen Präventionskonzepts können beispielsweise die dauerhafte Einrichtung anonym erreichbarer Anlaufstellen, die verbindliche Etablierung und das aktive Vorleben von Verhaltensrichtlinien sowie verpflichtende Schulungen zur Sensibilisierung und Information der Mitarbeitenden und Führungskräfte sein – insbesondere im Hinblick auf die weitreichenden Folgen von Mobbing und auf bestehende Hilfsangebote. Eine fundierte Gefährdungsbeurteilung, insbesondere in besonders vulnerablen Bereichen wie jenen mit hoher Personalfluktuation, bildet die Grundlage für gezielte und nachhaltige Interventionen. Die Ergebnisse aus den vertiefenden qualitativen Interviews, die im Rahmen der Studie durchgeführt wurden, verweisen zudem auf juristische Hürden für Betroffene. Der Ausbau spezialisierter Beratungsangebote sowie eine gesellschaftliche Bewusstseinsförderung könnten daher einen wichtigen Beitrag zur Mobbingprävention leisten.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Mobbing bleibt ein ernst zu nehmendes Problem in der Arbeitswelt. Besonders betroffen sind jüngere Beschäftigte, Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status, Personen in Leih- oder Zeitarbeit oder mit Migrationshintergrund. Das Forschungsprojekt liefert damit Hinweise darauf, welche strukturellen und arbeitsorganisatorischen Bedingungen mit Mobbingerfahrungen einhergehen und wo präventive Maßnahmen ansetzen können. Neben gezielten Schulungsangeboten und der Etablierung von betrieblichen Anlaufstellen sind auch Maßnahmen zur Stärkung sozialer Unterstützung, zur Verbesserung der Führungsqualität sowie zur aktiven Einbindung von Mitarbeitenden in Arbeitsprozesse von zentraler Bedeutung.