Prüfung und Zertifizierung von aktiv leuchtender Warnkleidung

Retroreflektierende Warnkleidung ist weitgehend wirkungslos, wenn die Benutzenden nicht durch eine fremde Lichtquelle angeleuchtet werden, deshalb arbeiten Hersteller an aktiv leuchtender Warnkleidung. Das IFA hat die Anforderungen an Warnkleidung mit aktiver Beleuchtung untersucht.

Warnkleidung als Teil der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) findet in einer Vielzahl von Bereichen Anwendung, unter anderem im Straßenverkehr, auf Baustellen, im innerbetrieblichen Transport und Verkehr, im Hafenumschlag und auf Flughäfen. Retroreflektierende Bestandteile der Warnkleidung sollen bei Dunkelheit unter anderem die 360-Grad-Sichtbarkeit, also die Rundumsichtbarkeit, und damit die Sicherheit der Benutzenden gewährleisten. Die Anforderungen an diese „passive“ Warnkleidung hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Prüfung sind in der Norm DIN EN ISO 20471[1] dargelegt. Diese Kleidung ist aber bei Dunkelheit weitgehend wirkungslos, wenn die Benutzenden nicht durch eine Fremdlichtquelle angeleuchtet werden, sei es durch das Abblendlicht des rollenden Verkehrs oder das Scheinwerferlicht von Arbeitsmaschinen. Es kann aber auch zu Verdeckungen der retroreflektierenden Anteile der Warnkleidung durch Gegenstände wie zum Beispiel durch zu transportierende Mülltonnen bei Abfalwerkern und Abfallwerkerinnen kommen. Auch hier besteht die Gefahr, dass diese Personen dann nicht wahrgenommen werden können.

Aktivitäten und Ergebnisse

Um die Sichtbarkeitslücke außerhalb des Scheinwerferlichts, bei diffusen Lichtverhältnissen, Schattenbildungen oder Verdeckungen zu schließen, arbeiten verschiedene Hersteller an Lösungen für aktiv leuchtende Warnkleidung. Darüber hinaus beauftragte die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) mit einer Grundsatzuntersuchung, um Anforderungen an Warnkleidung mit aktiver Beleuchtung zu ermitteln und festzulegen. Folgende Fragen wurden dabei näher betrachtet:

  • Wie viele LEDs oder LED-Bänder müssen auf der Schutzkleidung mindestens aufgebracht und wie müssen sie positioniert sein, um eine umfassende Sichtbarkeit der Träger und Trägerinnen bei Nacht zu garantieren? In diesem Zusammenhang wurden Fragen zur Farbe, Helligkeit, Blendung und dem Abstrahlwinkel (Öffnungswinkel) von LEDs untersucht.
  • Wie wird die Stromversorgung der LEDs garantiert? Stichworte sind hier die Akkusicherheit und die Akkulaufzeit – da sie maßgeblich die Verfügbarkeit der aktiven Beleuchtung über die Länge eines Arbeitstages bestimmen.
  • Ist die elektrische Sicherheit gewährleistet? Wie gut ist die elektromagnetische Verträglichkeit? Gibt es Auswirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) für die Sicherheit von Implantatträgern und -trägerinnen?
  • Wie gut ist die Widerstandsfähigkeit der mit LEDs ausgestatteten Kleidung gegenüber Witterungseinflüssen und mechanischen Anforderungen? Wie gut lässt sich diese Warnkleidung reinigen?
Abbildung 1: Geschirr mit aktiver Beleuchtung (einzelne LEDs) (links), Abbildung 2: Sicht in das „Photometrische Labor“ (rechts) | © DGUV
Abbildung 1: Geschirr mit aktiver Beleuchtung (einzelne LEDs) (links), Abbildung 2: Sicht in das „Photometrische Labor“ (rechts) ©DGUV

Untersucht wurden verschiedene Leuchtmittel wie einzelne LEDs, LED-Bänder und Lichtwellenleiter in unterschiedlichen Bauformen. Dabei kam eine Messtechnik (Handgerät zur Leuchtdichtemessung, Typ Mavo Spot 2) zur Beurteilung der Bauelemente hinsichtlich ihrer Leuchtdichte unter verschiedenen Abstrahlwinkeln zum Einsatz.

In mehreren Feldversuchen wurde die Sichtbarkeit von LEDs in verschiedenen Anordnungen, Leuchtdichten und Farben anhand von Probandenbefragungen untersucht. Aus Entfernungen von 50, 100 und 150 Metern konnten somit erste Erfahrungswerte über die Reichweite der LEDs mit Leuchtdichten von 10, 100 und 400 cd/m² ermittelt werden. Diese Ergebnisse wurden von einem deutschen Arbeitskreis als informativer Anhang in die DIN/TS 91418:2021-07[2] übernommen.

Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass 20 Prozent der Befragten im Nahbereich (Entfernung ein Meter zur Lichtquelle) von LEDs mit einer Leuchtdichte von > 1.000 cd/m² geblendet werden. Des Weiteren kamen die LED-Farben Gelb, Weiß und Rot zum Einsatz. 80 Prozent der Versuchsteilnehmenden gaben an, dass aus einer Entfernung von 150 Metern die roten LEDs gegenüber den gelben LEDs deutlicher erkennbar waren. Um Blendungen zu vermeiden, ist in der Norm die maximal erlaubte Leuchtdichte von 1.000 cd/m² festgeschrieben. Diese Angabe konnte in den Feldversuchen bestätigt werden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass schnell blinkende LEDs von den Verkehrsteilnehmenden als störend empfunden werden. Diese Funktion sollte keinesfalls im Straßenverkehr verwendet werden.

Weitergehende Untersuchungen an mit LEDs und Lichtleiter bestückter Warnkleidung zeigten, dass es zu Verdeckungseffekten der Leuchtmittel durch Hände, Arme, Körperbewegungen, umgehängte Taschen oder Tragegurte kommen kann, sodass eine Rundumsichtbarkeit nicht gewährleistet ist. Diesem Umstand gilt es durch eine ausreichende Anzahl und eine intelligente Anordnung der Leuchtmittel auf der Warnkleidung entgegenzuwirken. Bei Lichtleitern ist eine gleichmäßige Verteilung der Leuchtdichte ein wichtiges Kriterium.

Die Norm DIN/TS 91418, die die Aspekte der aktiven Beleuchtung betrachtet und als „Add-on“ zu den bestehenden Warnkleidungsnormen DIN EN ISO 20471 und DIN EN 17353[3] gewertet wird, soll nunmehr auch außerhalb von Deutschland Anwendung finden. Aus diesem Grund ist geplant, ein europäisches Normungsvorhaben zu starten. Die DIN/TS 91418 wurde von Mitarbeitenden der BG Verkehr, verschiedener Prüfinstitute, der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) sowie Herstellern von Warnkleidung und Leuchtmitteln erarbeitet, um auf den Bedarf des Marktes und insbesondere auf den Prüf- und Zertifizierungsbedarf nach der PSA-Verordnung[4] schnellstmöglich zu reagieren.

Abbildung 3: Abbildung des DGUV Test Zeichens „Sichere aktive Beleuchtung“ | © DGUV
Abbildung 3: Abbildung des DGUV Test Zeichens „Sichere aktive Beleuchtung“ ©DGUV

Neues „Photometrisches Prüflabor“ im IFA

Auf Grundlage der Ergebnisse aus der durchgeführten Grundsatzuntersuchung wurde der bestehende Prüfgrundsatz zur Prüfung und Zertifizierung von Warnkleidung um die Anforderungen der Teilaspekte für die aktive Beleuchtung (unter anderem die Leuchtdichte, die Akkusicherheit, die elektrische Sicherheit und die Waschbarkeit) erweitert und in einem neuen DGUV Test Prüfgrundsatz „GS-IFA-P17“[5] veröffentlicht. Um die Wirksamkeit aktiv leuchtender Warnkleidung beurteilen zu können, wurde im IFA ein „Photometrisches Labor“ zur Bestimmung der Leuchtdichte des gesamten Kleidungsstückes eingerichtet. Kernstück des Labors ist eine spezielle Leuchtdichtekamera, mit der die leuchtenden Flächen vermessen und bewertet werden können. Die Messung mit diesem kalibrierten Messsystem erfolgt an einer Prüfpuppe, die sich um 360 Grad dreht. Somit können alle Betrachtungswinkel einer Warnkleidung erfasst werden.

Für geprüfte und zertifizierte Warnkleidung mit aktiver Beleuchtung vergibt das IFA das DGUV Test Prüfzeichen „Sichere aktive Beleuchtung“, wenn diese auch die Anforderungen der DIN/TS 91418 erfüllt.

Leuchtdichte
Die Leuchtdichte ist die einzige lichttechnische Grundgröße, die vom menschlichen Auge wahrgenommen wird. Sie beschreibt einerseits den Helligkeitseindruck einer Lichtquelle und andererseits den Helligkeitseindruck einer Fläche und wird in Candela/Fläche (cd/m2) gemessen.