Human-Biomonitoring – wichtiger Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge
Luftmessungen am Arbeitsplatz geben Auskunft darüber, welche Gefahrstoffe Beschäftigte über die Luft aufnehmen. Das biologische Monitoring oder Human-Biomonitoring (HBM) misst Gefahrstoffe beziehungsweise ihre Stoffwechselprodukte im Körper des Menschen und zeigt so, welche Mengen an Gefahrstoffen tatsächlich aufgenommen werden.
Nachweis kleinster Mengen für die Prävention
Das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) entwickelt im Bereich HBM entsprechend dem Bedarf der Unfallversicherungsträger kontinuierlich neue Analyseverfahren und setzt dabei auf den jeweils neuesten Stand der Technik. Schließlich sind es oftmals kleinste Mengen an Arbeits- oder Gefahrstoffen, die zuverlässig erfasst werden müssen. Das ist insbesondere dann notwendig, wenn es sich um Arbeitsstoffe handelt, die schon in sehr geringen Mengen gesundheitsschädigend wirken können, wie dies bei krebserzeugenden oder hormonell wirkenden Stoffe der Fall ist. Vielfach müssen auch berufliche Belastungen von außerberuflichen Expositionen wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten oder rein umweltbedingten Hintergrundexpositionen abgegrenzt werden. Hier hat sich das HBM zu einem wichtigen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge entwickelt und ist Teil der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).
HBM auch ohne Grenzwerte möglich
Das HBM am IPA unterstützt alle Unfallversicherungsträger bei ihrer Aufsichts- und Beratungstätigkeit in Mitgliedsunternehmen und Einrichtungen mit entsprechenden Analysen bei der tätigkeits- sowie arbeitsplatzbezogenen Expositions- und Risikobeurteilung sowie der Bewertung und Effizienzprüfung betrieblich getroffener Schutzmaßnahmen. Dazu werden nach Möglichkeit Grenzwerte für Gefahrstoffe in biologischem Material wie Urin und Blut herangezogen, wie die biologischen Grenzwerte (BGW, BAT) oder im Falle krebserzeugender Stoffe biologische Äquivalenzwerte zum Akzeptanz- und Toleranzrisiko (TRGS 910). Da jedoch für viele krebserzeugende Gefahrstoffe noch keine Grenzwerte vorliegen, greift das IPA auf zusätzliche nationale wie internationale Beurteilungswerte für Gefahrstoffe zurück. Dazu zählen auch die Biomonitoring-Referenzwerte (AMR 6.2), mit deren Hilfe eine arbeitsplatzbedingte Exposition objektiviert werden kann, die über eine lebensstil- und umweltbedingte Exposition hinausgeht. So können aus Sicht der Prävention diejenigen Arbeitsplätze und Tätigkeiten identifiziert werden, die mit höheren Expositionen verbunden sind, und – sofern notwendig – entsprechende Präventionsmaßnahmen eingeleitet und in ihrer Wirksamkeit beurteilt werden.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
Erfolgreiche Prävention kann auch in kleineren Unternehmen betrieben werden. Das zeigt ein Forschungsprojekt des IPA in Kooperation mit dem Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (LIA.nrw) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). In diesem Projekt wurde in mehreren Unternehmen aus der Recyclingwirtschaft mit hohen Expositionen gegenüber PAK zunächst die Effizienz diverser bestehender und neu etablierter Arbeitsschutzmaßnahmen mittels Biomonitoring evaluiert. Anschließend wurden anhand der gewonnenen Erkenntnisse Maßnahmenpakete – abgestimmt auf die betrieblichen Gegebenheiten – geschnürt und etabliert. So war es möglich, die inneren Belastungen mit PAK im Laufe des Projekts im Mittel um mehr als 80 Prozent zu reduzieren. Am Ende der Intervention fanden sich überwiegend Werte im Bereich der Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung.
Um zuverlässig die Menge an aufgenommenen PAK zu ermitteln, werden im Urin deren Stoffwechselprodukte bestimmt. Leitkomponente der kanzerogenen Wirkung von PAK ist dabei das Benzo[a]pyren (BaP). Allerdings stand dafür bislang keine routinetaugliche HBM-Methode zur Verfügung. Zwischenzeitlich konnte im HBM-Labor des IPA jedoch ein Verfahren etabliert werden, mit dem sich die innere BaP-Belastung quantifizieren lässt. In einem Kooperationsprojekt mit der Berufsgenossenschaft für Holz und Metall (BGHM) dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und deutschen Kokereien wird aktuell untersucht, inwieweit das Verfahren auch für die arbeitsmedizinische Praxis in Betrieben geeignet ist. Dazu Dr. Wolfgang Marschner, Leiter des Referats Forschung der BGHM: „Der neue vom IPA etablierte Biomonitoring-Marker für das BaP stellt einen riesigen Fortschritt dar und wird zusammen mit den Luftmessungen wertvolle Informationen liefern, um gezielt Präventionsbedarf aufzuzeigen und so die Sicherheit und Gesundheit der Kokereibeschäftigten noch weiter verbessern helfen.“
Fume- and Smell-Events in Verkehrsflugzeugen
In Flugzeugen können aus unterschiedlichen Gründen Gerüche auftreten, die man als unangenehm empfindet und denen man an Bord nicht ausweichen kann. Gelegentlich gehen solche sogenannten „Fume- and Smell-Events“ mit gesundheitlichen Beschwerden einher. Stoffliche Auslöser der berichteten Gesundheitsbeeinträchtigungen sind derzeit noch unbekannt. Aktuell werden mehrere mögliche Noxen diskutiert, die neurotoxische Wirkungen aufweisen und zumindest einen Teil der berichteten Beschwerden erklären könnten. Hierzu zählen Organophosphate (OP), die in Triebwerks- und Hydraulikölen vorkommen oder als Flammschutzmittel in Flugzeugen eingesetzt werden, sowie flüchtige organische Verbindungen (VOC) wie n-Hexan und Toluol, die in Kerosin enthalten sind und zudem aus Triebwerksölen bei thermischer Belastung freigesetzt werden können.
Fume- and Smell-Events sind nicht vorhersehbar und treten zumeist nur einige Minuten auf, sodass die damit verbundenen Expositionen schwer mittels Luftmessungen zu erfassen sind. Für ein Biomonitoring steht hingegen für viele Stoffe ein mehrstündiges Zeitfenster nach einem aufgetretenen Event zur Verfügung, um Proben zu gewinnen und die vorangegangenen Expositionen ermitteln zu können. Trotz der schwierigen Herausforderung, den Fume- and Smell-Events wissenschaftlich basiert auf den Grund zu gehen, ist Dr. Jörg Hedtmann, Leiter des Geschäftsbereichs Prävention bei der BG Verkehr, von der HBM-Studie überzeugt. Hedtmann war früher selbst als Flieger- und Betriebsarzt tätig und versteht, was die Beschäftigten bewegt. „Wir haben Verständnis für die Sorgen der Beschäftigten. Aber wir können nicht auf der Basis von Vermutungen oder Einzelfällen mit unklarer Datenlage Entscheidungen treffen. Wir brauchen Fakten, die wir bewerten können. Dabei kann uns ein qualitätsgesichertes HBM ganz wesentlich unterstützen.“ Die logistisch herausfordernde Rekrutierung von mehr als 250 Crewmitgliedern und die zugehörigen Probennahmen konnten ebenso wie die Analyse der OP und der VOC in Blut- und Urinproben zwischenzeitlich abgeschlossen werden. Aktuell läuft die umfangreiche statistische Auswertung.
Das IPA bietet allen Unfallversicherungsträgern und ihren Mitgliedsbetrieben Beratung zum HBM an und führt nach strengen Qualitätssicherungskriterien eine Vielzahl von HBM-Analysen durch (Tabelle 1). Im Rahmen größerer Projekte und Studien können kurzfristig auch weitere HBM-Parameter etabliert werden.