Durch gelungene Kommunikation Sicherheitsbeauftragte mit kognitiver Beeinträchtigung ausbilden

Wie können motivierte Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Arbeitsschutz beteiligt und als Sicherheitsbeauftragte in die betriebliche Organisation eingebunden werden? Die Lösung: Kommunikation ohne Barrieren. Die BGW entwickelte hierzu ein Konzept mit verschiedenen Materialien, die so aufgebaut sind, dass die Teilnehmenden nicht lesen und schreiben können müssen.

Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen stellen einen Großteil der  Beschäftigten  einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) dar. Als häufig gut qualifizierte und hoch motivierte Kräfte leisten viele ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe. Daher liegt es nahe, die Beschäftigten in WfbM auch am Arbeitsschutz zu beteiligen und als Sicherheitsbeauftragte in die betriebliche Arbeitsschutzorganisation einzubinden. Aus diesem Grund hat die BGW diese Zielgruppe als wichtigen Multiplikator für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz erkannt und bietet seit vielen Jahren ein innerbetriebliches Grundseminar und weitere Aufbauveranstaltungen für Sicherheitsbeauftragte in WfbM an.

Zielsetzung des Grundseminars ist es, Beschäftigte als Sicherheitsbeauftragte auszubilden, die anschließend als Teil der Arbeitsschutzorganisation in der Werkstatt eingesetzt werden. Die Beschäftigten lernen die Rolle, Aufgaben und Arbeitsweisen von Sicherheitsbeauftragten kennen, sind motiviert, diese wahrzunehmen, sind Ansprechpersonen für Kolleginnen und Kollegen und beteiligen sich an Betriebsbegehungen. Um die positiven Aspekte der Ausbildung zu verstärken, liegt der Schwerpunkt der Ausbildung auf der ganzheitlichen Betrachtung des Arbeitsschutzes: Was läuft gut in der Einrichtung? Was kann noch verbessert werden und wie sage ich es meiner Führungskraft?

In den Aufbauveranstaltungen werden die Sicherheitsbeauftragten zu spezifischen Gefährdungen in ihrer WfbM wie beispielsweise Lärm, Gefährdungen durch Gefahrstoffe und beim Materialtransport, aber auch zu allgemeineren Themen wie Konfliktbewältigung weitergebildet.

Zielgruppengerecht kommunizieren

Für eine erfolgreiche Ausbildung ist es wichtig, die Lerninhalte in der für die Zielgruppe passenden Form zu vermitteln. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen lernen eher praktisch, haptisch und visuell, weniger abstrakt und rational. Deshalb sind für diese spezielle Ausbildung die Lerninhalte, Materialien und Methoden auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zugeschnitten. Die BGW verwendet hierfür viele Grafiken, Suchbilder, Erklärfilme, einen Begehungsleitfaden und zahlreiche weitere Unterlagen in Leichter Sprache. Im Mittelpunkt steht dabei eine eigene Identifikationsfigur: Nils Hansen. „Nils“ ist bereits in vielen Werkstätten bekannt, da er auch in den allgemeinen BGW-Unterweisungsmaterialien zum Thema Arbeitsschutz eine wichtige Rolle spielt.

Die Inhalte aller eingesetzten Medien wurden so entwickelt, dass sie auch für Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut verständlich sind, die nicht lesen oder schreiben können.

Die Seminarmaterialien – ein Überblick

Die Aufgaben einer Berufsgenossenschaft, in diesem Fall der BGW, werden mithilfe einer bildreichen Präsentation vorgestellt.

Abbildung 1: Prävention und Arbeitsunfall/Wegeunfall werden mit Nils anschaulich dargestellt.  | © Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 1: Prävention und Arbeitsunfall/Wegeunfall werden mit Nils anschaulich dargestellt. ©Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 2: Zur Darstellung von Gefährdungen und Schutzmaßnahmen werden einzelne Grafiken mit oder ohne Untertitel eingesetzt.  | © Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 2: Zur Darstellung von Gefährdungen und Schutzmaßnahmen werden einzelne Grafiken mit oder ohne Untertitel eingesetzt. ©Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 3: Neben Einzeldarstellungen existiert ein großes Wimmelbild, mit dem interaktiv gearbeitet werden kann. Es regt dazu  an, Gefährdungen selbst zu identifizieren und zu benennen, und eignet sich besonders gut für die Betrachtung in einer Gruppe.  | © Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 3: Neben Einzeldarstellungen existiert ein großes Wimmelbild, mit dem interaktiv gearbeitet werden kann. Es regt dazu an, Gefährdungen selbst zu identifizieren und zu benennen, und eignet sich besonders gut für die Betrachtung in einer Gruppe. ©Quelle: BGW / Werner Pollak

Betriebsbegehungen werden mithilfe eines Leitfadens durchgeführt. Dieser kann wie eine Checkliste verwendet werden und beinhaltet unter anderem eine Risikomatrix. Der Begehungsleitfaden wurde in Kooperation mit einem Büro für Leichte Sprache entwickelt, das heißt, er wurde unter anderem von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen getestet.

Abbildung 4: Betriebsbegehungen werden mithilfe eines Leitfadens durchgeführt. Dieser kann wie eine Checkliste verwendet  werden und beinhaltet unter anderem eine Risikomatrix. Der Begehungsleitfaden wurde in Kooperation mit einem Büro für Leichte  Sprache entwickelt, das heißt, er wurde unter anderem von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen getestet. | © Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 4: Betriebsbegehungen werden mithilfe eines Leitfadens durchgeführt. Dieser kann wie eine Checkliste verwendet werden und beinhaltet unter anderem eine Risikomatrix. Der Begehungsleitfaden wurde in Kooperation mit einem Büro für Leichte Sprache entwickelt, das heißt, er wurde unter anderem von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen getestet. ©Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 5: Verwendung von Suchbildern zu unterschiedlichen Arbeitsbereichen – wie bei einem Bilderrätsel  wird danach gesucht, was gefährlich ist  oder sein könnte. | © Quelle: BGW / Werner Pollak
Abbildung 5: Verwendung von Suchbildern zu unterschiedlichen Arbeitsbereichen – wie bei einem Bilderrätsel wird danach gesucht, was gefährlich ist oder sein könnte. ©Quelle: BGW / Werner Pollak

Ein Gewinn für Arbeitsschutz und Teilhabe

Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Beschäftigten in WfbM die Aspekte der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes oft unvoreingenommener sehen als das Fachpersonal und auch in der Feststellung und Umsetzung von Verbesserungspotenzialen häufig konsequenter vorgehen. Durch ihre Einbeziehung in betriebliche Prozesse und durch das Weiterbildungsangebot werden sie zusätzlich motiviert und zeigen ein hohes Engagement.

Fazit

Diese Erfahrungswerte und das die Ausbildung begleitende Arbeitsschutzkonzept führen zu einer spürbaren Erhöhung des Niveaus von Sicherheit und Gesundheit in den beteiligten Einrichtungen und ihren jeweiligen Arbeitsbereichen. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer persönlich bedeutet die zusätzliche Qualifizierung als Sicherheitsbeauftragte, dass sie Teil der Arbeitsschutzorganisation in der Werkstatt sind. Darüber hinaus erhöht die Zusatzqualifizierung die Chance, auf einem sogenannten ausgelagerten Arbeitsplatz nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder in einem Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werden zu können.

Alles in allem beobachtet die BGW eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, bei der eine gelungene und möglichst barrierefreie Kommunikation eine große Rolle spielt.

Abbildung 6: Filmreihe „Nils erklärt“ mit Fragen zu einzelnen Filmabschnitten. | © Quelle: BGW
Abbildung 6: Filmreihe „Nils erklärt“ mit Fragen zu einzelnen Filmabschnitten. ©Quelle: BGW