Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Telearbeit, Homeoffice, mobile Arbeit, Coworking – die Begriffe können verwirren. Im Gegensatz zur Telearbeit sind Homeoffice und mobiles Arbeiten zwar nicht in der Arbeitsstättenverordnung geregelt, trotzdem gelten natürlich auch für diese Arbeitsformen die Regelungen des Arbeitsschutzes. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen müssen auch diese Arbeitsplätze in ihren Gefährdungsbeurteilungen berücksichtigen und dafür Sorge tragen, dass Beschäftigte möglichst sicher und gesund arbeiten können.

Die Prävention stellt die zunehmende zeitliche und räumliche Flexibilisierung von Arbeit vor eine Herausforderung: Wie können wir die Beschäftigten überhaupt noch erreichen mit unseren Angeboten, wenn der Betrieb als Ort der Begegnung immer stärker in den Hintergrund tritt? Die Corona-Krise hat uns in einem Crashkurs gezeigt, wohin die Reise geht: Bewährte Instrumente müssen durch digitale oder virtuelle Formaten ergänzt werden und die Stärkung der Gesundheitskompetenz von Beschäftigten und Führungskräften tritt stärker in den Fokus. Notwendig ist also einerseits eine Individualisierung der Prävention, andererseits bedarf es aber auch einer übergreifenden gesellschaftlichen Diskussion über ein kollektives Präventionsverständnis, das nicht am Werkstor aufhört.

Wichtige Player in der Prävention sind auch die Betriebsärzte und Betriebsärztinnen. In welcher Form werden sie die Betriebe und die Beschäftigten in Zukunft begleiten? Hier stehen wir vor einer anderen Herausforderung. Seit Längerem geht die Zahl der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zurück, viele werden zudem altersbedingt bald in den Ruhestand treten. Nach Berechnungen eines Artikels in diesem Heft liegen die betriebsärztlichen Kapazitäten bei knapp fünf Millionen Stunden im Jahr. Diesem Angebot steht ein Betreuungsbedarf nach DGUV Vorschrift 2 von mehr als 15 Millionen Stunden gegenüber.

Was tun angesichts dieser Diskrepanz von Haben und Soll? Wir wünschen uns – ausgehend von den aktuell zur Verfügung stehenden betriebsärztlichen Kapazitäten – eine Diskussion auf breiter Basis. Ziel muss es sein, den Betrieben eine Betreuungsform anzubieten, die sie auch tatsächlich umsetzen können.

Ihr

Dr. Stefan Hussy