Wie geht es weiter mit den Arbeitsbedingungen von Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeitern?
Essenslieferungen bei Regen und Sonnenschein, ständige Abrufbarkeit, immer unter Zeitdruck – dies ist die Realität vieler Plattformarbeiterinnen und Plattformarbeiter. Wie kann man die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern, die auf digitalen Plattformen arbeiten? Die Europäische Kommission sieht hier dringenden Handlungsbedarf und hatte bereits im Februar 2021 eine Konsultation unter Beteiligung der Sozialpartner angestoßen.
Die Plattformarbeit nimmt in immer mehr Wirtschaftszweigen eine rasante Entwicklung, zuletzt auch beschleunigt durch die Corona-Pandemie. Einerseits bietet sie mehr Flexibilität, neue Beschäftigungs- und zusätzliche Einkommensmöglichkeiten – gerade auch für Menschen, die zum traditionellen Arbeitsmarkt sonst nur schwer Zugang finden. Andererseits gibt es bei vielen Arten von Plattformarbeit prekäre Arbeitsbedingungen. Dies ist durch die Entwicklungen in der Corona-Krise noch einmal besonders deutlich geworden. Die vertraglichen Vereinbarungen der Plattformbeschäftigten sind wenig transparent und verlässlich. Sie bieten keinen ausreichenden Zugang zum Sozialschutz und es mangelt an Angeboten zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Ein Beispiel hierfür sind die Fahrerinnen und Fahrer des Dienstleistungsanbieters Uber. Hier wurde zuletzt in den Niederlanden (wie vorher auch in Spanien) gerichtlich festgestellt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis besteht. Zusätzliche Problematiken ergeben sich aus der grenzüberschreitenden Dimension der Plattformarbeit und dem algorithmischen Management der Aufträge ohne menschliches Eingreifen.
Nicht nur die Europäische Kommission sieht hier Handlungsbedarf, auch das Europäische Parlament hat sich dem Thema „Gerechte Arbeitsbedingungen, Rechte und soziale Sicherung für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmer – Neue Beschäftigungsformen im Zusammenhang mit der digitalen Entwicklung“ der bestehenden Probleme angenommen. Am 13. September 2021 haben die Europaabgeordneten gemeinsam mit dem Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, die verschiedenen Facetten diskutiert. Als größte Herausforderungen wurde zum einen der Zugang zum Sozialschutz in jeder Form angesehen und zum anderen die Notwendigkeit einer Beweislastumkehr bezüglich der Art des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses – selbstständig oder nicht. Auch sei ein „humanes Algorithmenmanagement“ erforderlich, so Kommissar Schmit.
Am 16. September 2021 haben die Abgeordneten die entsprechende Entschließung[1] des Europäischen Parlaments zum Bericht von Sylvie Brunet (Fraktion Renew Europe) im Europäischen Parlament angenommen. Um den Mangel an Rechtssicherheit zu beseitigen, wird die genannte Umkehrung der Beweislast vorgeschlagen: Im Falle eines Gerichtsverfahrens sollten nicht mehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses nachweisen. Hingegen sollen in Zukunft die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber belegen, dass kein abhängiges Arbeitsverhältnis besteht. Die Europaabgeordneten sprachen sich jedoch dagegen aus, alle Plattformbeschäftigten automatisch als Angestellte zu behandeln, wie es teilweise gefordert wurde. Wer selbstständig ist, soll selbstständig bleiben dürfen. Es wurde vielmehr ein europäischer Rahmen gefordert, der Personen, die für digitale Arbeitsplattformen arbeiten, das gleiche Maß an sozialem Schutz bietet wie Beschäftigten der gleichen Kategorie, die nicht für Plattformen arbeiten. Dazu gehören Sozialversicherungsbeiträge, Verantwortung der Plattformen für Sicherheit und Gesundheit sowie das Recht, in Tarifverhandlungen faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln.
Die Europäische Kommission will nun bis Ende des Jahres einen ausgewogenen Gesetzesvorschlag erstellen, der den Bericht von Brunet als „Quelle der Inspiration“ verwenden will. Es bleibt abzuwarten, wie inspiriert die Entschließung tatsächlich sein wird. Die Sache hat jedenfalls deutlich an Fahrt aufgenommen.