Aufbau eines Umweltmanagementsystems: Erfahrungen der VBG

Wozu dient ein Umweltmanagementsystem in einem klassischen Bürobetrieb und wie baue ich dieses auf? Erfahrungen der Verwaltungsberufsgenossenschaft, die mit dem Aufbau und Betreib eines Umweltmanagementsystems bereits 2018 angefangen hat.

Die VBG ist eine der großen Berufsgenossenschaften in Deutschland. Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bietet sie über 1,5 Millionen Mitgliedsunternehmen aus über 100 Branchen mit über zehn Millionen versicherten Beschäftigten Sicherheit.[1]

Bereits vor dem Erlass des Maßnahmenprogramms der Bundesregierung zur Umsetzung der Nachhaltigkeit im Verwaltungshandeln in 2021[2] hatte die VBG im Jahr 2018 mit dem Aufbau eines Umweltmanagementsystems im Projektstatus begonnen und dieses am Ende 2021 an allen Standorten bundesweit im Vollbetrieb eingeführt. Die Einführung eines Umweltmanagementsystems hatte verschiedene Gründe:

  • wirtschaftliche Vorteile im Rahmen systematischer Erfassung und Optimierung von Energieverbräuchen
  • Risikominimierung des Gebäudemanagements im Kontext der damit verbundenen Rechtssicherheit
  • allgemeine Imageverbesserung und
  • Sensibilisierung von Beschäftigten für die Belange des Umweltschutzes

In diesem Zusammenhang wurden folgende Ziele gesetzt:

  • Einführung einer Umweltpolitik
  • Ermittlung und Nachverfolgung von Umweltaspekten der Organisation
  • Optimierung des Beschaffungsprozesses hinsichtlich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe
  • Anhaltung von Lieferanten und Vertragspartnern zur umweltschonenden Produktion und Leistungserbringung
  • Förderung des Umweltbewusstseins der Beschäftigten
  • Zertifizierung im Umweltmanagement

Die letzte Zielsetzung geht mit einer Fragestellung einher, mit der jede Organisation konfrontiert ist, die ein Umweltmanagementsystem einführt: der Wahl der Zertifizierungsgrundlage. Das erlassene Maßnahmenprogramm der Bundesregierung geht bei dem Schwerpunkt der Klimaneutralität der Bundesverwaltung bis 2030 vom europäischen Umweltmanagement- und Auditierungssystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) [3]aus.

Die VBG hatte sich bei der Einführung des Umweltmanagementsystems für die international anerkannteste Norm für Umweltmanagementsysteme – die DIN ISO 14001 – entschieden. Diese stellt grundsätzlich höhere Anforderungen an den Betrieb und die Dokumentation eines Umweltmanagementsystems. Der größte Unterschied zwischen diesen beiden Zertifizierungsgrundlagen besteht in der verpflichtenden jährlichen Veröffentlichung einer Umwelterklärung nach EMAS. Allerdings kann diese unabhängig von der ausgewählten Zertifizierungsgrundlage freiwillig erstellt und veröffentlicht werden, zum Beispiel in Form eines Nachhaltigkeitsberichts.

Bis heute wird das Umweltmanagementsystem bei der VBG nach der ISO 14001 betrieben und kontinuierlich verbessert.

Umweltziele setzen und Maßnahmen definieren

"Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“
(Molière)

Der Betrieb und Umfang der Dokumentation eines Umweltmanagementsystems bestimmen sich nach den Vorschriften der gewählten Zertifizierungsgrundlage. So wird zum Beispiel vorgegeben, welche Dokumente erstellt und wie oft sie aktualisiert beziehungsweise überprüft werden sollen oder in welchen Abständen Zertifizierungen durchgeführt werden. Nach der ISO 14001 müssen zum Beispiel eine umfangreiche Analyse des Kontextes der Organisation, der gegebenen Umweltaspekte, bestehender Umweltchancen und Risiken, ein Verzeichnis rechtlicher Verpflichtungen und zahlreiche Prozessbeschreibungen erstellt und jährlich überprüft werden. Ebenfalls muss die einführende Organisation sich Umweltziele setzen sowie Umweltmaßnahmen in Form eines Umweltprogramms definieren und sie im laufenden Betrieb nachverfolgen und erreichen.

Der Betrieb des Umweltmanagementsystems besteht in der jährlichen Zertifizierung. Der Fortschritt der Einführung und der normkonforme Betrieb des Umweltmanagementsystems sind gemäß ISO 14001 jährlich gegenüber einer akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft in einem Zertifizierungs- beziehungsweise Überwachungsaudit nachzuweisen. Dabei handelt es sich um eine externe Zertifizierung, der jährliche interne Audits vorgelagert sind. Die Auditierung erfolgt auf Basis von zum Jahresbeginn erstellten Auditplänen, die Ergebnisse werden in den Auditberichten dokumentiert.

Die Dokumentation der Ergebnisse erfolgt in der Regel in Form von positiven Feststellungen, Empfehlungen oder Hinweisen und Haupt- und Nebenabweichungen. Mit Abweichungen sind Nichterfüllungen der Anforderungen der Zertifizierungsgrundlage an die Dokumentation und den Betrieb des Umweltmanagementsystems gemeint. Werden diese in einem Audit festgestellt, wird ein Maßnahmenplan entwickelt und umgesetzt. Empfehlungen und Hinweise sollen weiterverfolgt oder geprüft werden, Abweichungen aller Art müssen bis zum nächsten Audit behoben werden. Die Nichtbeachtung von Abweichungen an einzelnen auditierten Standorten kann zum Verlust der Zertifizierung für die gesamte Organisation führen.

Die Zertifizierungsgrundlage definiert Umfang und Betrieb eines Umweltmanagementsystems. Sie dient somit insgesamt der Verbesserung der Umweltleistung einer Organisation, der Verhinderung von möglichen negativen Umwelteinflüssen und der Gewährleistung der Rechtssicherheit bezüglich der Erfüllung von umweltrechtlichen Vorschriften unterschiedlicher Gesetzgebungsebenen.

Anpassung von organisatorischen Strukturen

„Bei allem, was man tut, ist das Ende zu bedenken, das ist Nachhaltigkeit.“
(Eric Schweitzer)

Die Einführung und der Betrieb eines Umweltmanagementsystems durch eine Organisation, die sich nicht schwerpunktmäßig mit solchen Managementsystemen beschäftigt, erfordern in der Regel die Anpassung von internen organisatorischen Strukturen. Gegebenenfalls müssen auch zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Der Hintergrund: Mit der Revision der ISO 14001:2015 im Jahr 2015 ist die Forderung, einen Umweltmanagementbeauftragten zu benennen, entfallen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Verankerung dieser Position in einer Organisation gibt es ebenfalls nicht. Somit wird diese Verantwortung grundsätzlich der obersten Leitung der Organisation übertragen, die sie im Rahmen einer internen Pflichtenübertragung delegieren kann.

Die VBG hat in der Hauptverwaltung eine zentrale Koordination des Umweltmanagementsystems in Form einer Stabsstelle der Hauptgeschäftsführung organisiert. Diese verantwortet die Gesamtkoordination des Umweltmanagementsystems, dessen strategische Ausrichtung und Zertifizierungen. Da die VBG elf Bezirksverwaltungen bundesweit hat, wird die unmittelbare Umsetzung an den Standorten den Verantwortlichen für das Gebäudemanagement übertragen. Somit besteht das gesamte interne Umweltmanagementteam der VBG heute aus 14 Kollegen und Kolleginnen bundesweit, die diese Aufgabe zusätzlich zu ihren ursprünglichen Aufgaben übernommen haben.

Darüber hinausgehende personelle Ressourcen können oder müssen extern beschafft werden. Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe nimmt die VBG seit dem Projektbeginn eine externe Beratung zum Betrieb des Umweltmanagementsystems in Anspruch, die in der Phase der Einführung eines Umweltmanagementsystems sehr empfehlenswert ist. Eine externe Umweltmanagementberatung eines klassischen Bürobetriebs stellt eine auf dem Markt gängige Dienstleistung dar, weil interne Fachexpertise in Umweltmanagementthemen in der Regel nicht vorhanden ist. Eine externe Zertifizierung kann wiederum ausschließlich durch eine unabhängige, durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) zugelassene Zertifizierungsgesellschaft erfolgen. Die jährlichen Zertifizierungs- und gegebenenfalls Beratungskosten müssen somit vor der Einführung im Rahmen der Haushaltsplanung berücksichtigt werden.

Ebenfalls können die im Bereich Umweltmanagement geplanten Maßnahmen, sei es ein kleines Projekt oder eine Modernisierung von technischen Anlagen, zusätzliche Ausgaben verursachen.

Kommunikation von Maßnahmen

„Tue Gutes und rede darüber.“
(Walter Fischer)

Die interne Kommunikation zum Umweltmanagementsystem wird in der Regel durch die Zertifizierungsgrundlage vorgeschrieben. Aber auch ohne diese Vorgaben wäre der Verzicht auf die Kommunikationsmaßnahmen in und außerhalb einer Organisation ein großer Verlust.

Eine gute interne Kommunikation sorgt nicht nur dafür, die Beschäftigten über die geplanten und umgesetzten Umweltmaßnahmen zu informieren, sondern auch für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Umweltbewusstseins. Um die Beschäftigten in die Umweltthemen zu involvieren, können zahlreiche Instrumente eingesetzt werden wie strukturierte Informationsbereiche im Intranet, Unterweisungen von Neuangestellten, regelmäßige Schulungen, Veröffentlichungen in Beschäftigtenmagazinen, direkte Aufrufe und Kampagnen zur Ideensammlung. Bei der VBG wird beispielweise das bereits bestehende Tool „Ideenmanagement“ auch für die Einreichung von Umweltideen sehr aktiv durch die Beschäftigten genutzt.

Auch die Umsetzung von spannenden Projekten kann zusätzliche Aufmerksamkeit auf Umweltschutzthemen lenken. So wurde in der Hauptverwaltung der VBG für eine Dauer von sechs Monaten ein „Grünes Büro“ mit ausschließlich nachhaltig produzierten Büroartikeln und Möbeln ausgestattet. Den „grünen“ Arbeitsplatz konnte man als Shared Desk tageweise buchen und die Ausstattung persönlich testen. Die Ergebnisse des Projekts sollen bei der nachhaltigen Ausrichtung von weiteren Beschaffungsaktivitäten berücksichtigt werden.

Eine externe Kommunikation zum Umweltmanagementsystem kann wiederum die Außenwirkung einer Organisation positiv beeinflussen. So hat die VBG 2022 im Magazin für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Certo, das ihre Mitgliedsunternehmen abonnieren, einige Informationen zum internen Umwelt- und Energiemanagement in Form von Infoboxen in entsprechenden Artikeln veröffentlicht. [4]

Erhöhung der Rechtssicherheit

"Umweltschutz ist eine Chance und keine Last, die wir tragen müssen.“
(Helmut Sihler)

In den letzten fünf Jahren seit Einführung des Umweltmanagementsystems konnte die VBG folgende Erfolge erzielen:

  • Optimierung von Energie- und Stoffverbräuchen durch monatliche Erfassung und jährliche Auswertung
  • Verringerung von CO2-Emissionen um 47 Prozent
  • allgemeine Verbesserung der Umweltleistung durch die Digitalisierungsprozesse und Steuerung von Beschaffungsaktivitäten
  • Förderung des Umweltbewusstseins der Beschäftigten
  • Vorsprung bei der Umsetzung des Maßnahmenprogramms für eine klimaneutrale Verwaltung

Demnächst werden wir unseren Fokus auf die Erhöhung der Rechtssicherheit unseres Verwaltungshandelns legen. Das Verzeichnis der bindenden Verpflichtungen wird ebenso überarbeitet wie die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie für das gesamte Unternehmen in Anlehnung an das Maßnahmenprogramm der Bundesregierung.

Wie die dargestellten Effekte zeigen, kann eine einheitliche Betrachtung von Nachhaltigkeitsthemen durch eine Organisation wirksame positive Einflüsse auf unsere heutige und zukünftige Umwelt ausüben. Und dieses Ziel rechtfertigt aus unserer Sicht jeglichen organisatorischen und finanziellen Aufwand.