Anpassungsüberprüfung im Atemschutz – warum?
Derzeit befindet sich die DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten" in der Überarbeitung. In der zukünftigen Version wird der Anpassungsüberprüfung geeigneter Atemschutzgeräte mit der gerättragenden Person eine große Bedeutung eingeräumt. Dieser Artikel liefert erste Erklärungen und Hinweise zu den neu gestalteten Themenfeldern.
Was ist mit dem Begriff Anpassungsüberprüfung gemeint?
Soll überprüft werden, wie gut sich eine Person an eine bestimmte Situation anpasst?
Bestimmt nicht!
Es geht vielmehr um die Überprüfung, inwieweit sich die Dichtlinie eines dicht anliegenden Atemanschlusses an das Gesicht einer atemschutzgerättragenden Person anpasst, wie gut der Atemanschluss die Person vor einer schadstoffbelasteten Atmosphäre in der Realität schützt. Diese Passform gilt es zu überprüfen, bevor das Atemschutzgerät gebraucht wird. Nur wenn die Dichtlinie ohne Unterbrechung der Gesichtsform der Person folgt, ist sie durch den Atemanschluss beziehungsweise das Atemschutzgerät wirksam geschützt.
Aber wird denn nicht jedes Atemschutzgerät, das auf dem europäischen Markt angeboten wird, vorher geprüft und zertifiziert? Also sollte es doch auch den zu erwartenden Schutz liefern?
Die Schutzwirkung eines Atemschutzgerätes wird in der Tat beim Zulassungsprozess nach harmonisierten Normen geprüft und unter anderem durch Tests mit Personen nachgewiesen. Bei diesem Test wird die Leckage eines dicht anliegenden Atemanschlusses bei Testpersonen in einer Prüfkammer mit einer definierten Partikelkonzentration der Luft überprüft. Die Leckage ist das Verhältnis der Partikelkonzentration innerhalb des Atemanschlusses zur Konzentration in der Kammer und wird in Prozent ausgewiesen. Der Kehrwert davon wird zur Bestimmung der Schutzklasse herangezogen. Die Gesichter der Testpersonen werden vor der Testdurchführung vermessen, dies wird dokumentiert. Allerdings werden nur zwei Abmessungen ermittelt: die Gesichtsbreite a) und die Länge von der Nasenwurzel zum Kinn b).
Zwei Abmessungen, die zwar helfen, zwischen unterschiedlichen Gesichtsgrößen zu unterscheiden, die aber bei Weitem nicht ausreichen, um die individuellen Gesichtsformen von der Vielzahl der gerättragenden Personen zu erfassen. Mithilfe dieser Testpersonen, die alle unterschiedliche Abmessungen a) und b) aufweisen, werden die Leckagen der Dichtlinie eines dicht anliegenden Atemanschlusses einer Vollmaske oder Halbmaske gemessen. Die Werte von zehn Testpersonen liefern dann eine Aussage darüber, ob die Atemschutzmaske eine vorgegebene nominelle Schutzklasse erfüllt. Der Atemschutzmaske beziehungsweise dem Atemschutzgerät wird diese Schutzwirkung zugewiesen.
Nun sind diese zehn Testpersonen jedoch nicht stellvertretend für alle atemschutzgerättragenden Personen. Daher ist es wichtig, eine individuelle Bewertung durchzuführen.
Anpassungsüberprüfung im Rahmen des Auswahlprozesses eines geeigneten Atemschutzgerätes
Die überarbeitete Version der DGUV Regel 112-190 geht darauf in dem neu aufgenommenen Auswahlprozess eines geeigneten Atemschutzgerätes für den jeweiligen Arbeitsplatz und für die zu schützende Person ein.
Dieser Auswahlprozess, gestützt durch ein Ablaufdiagramm mit gezielten Fragestellungen, bindet die Ergebnisse einer durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsumfeldes ein. Neben den Erkenntnissen zu möglichen Schadstoffen am Arbeitsplatz, zu Umgebungsbedingungen, zur Mobilität, zur Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und notwendigen Arbeitsmitteln geht es auch um Fragen zur Person, die geschützt werden soll. Der Prozess erlaubt, aus der Vielzahl möglicher Atemschutzgeräte dasjenige zu ermitteln, was am besten geeignet ist, diesen Schutz zu bieten. Die Fragen zur Person beziehen sich auf äußerliche Gesichtsmerkmale, wie Körperbehaarung (Bart, Haaransatz), Körperschmuck oder Narben, die einen dichten Sitz einer Atemschutzmaske beeinträchtigen können. In diesem Fall kommen nur Atemanschlüsse in Betracht, die keine dicht anliegende Dichtlinie im Gesicht aufweisen, zum Beispiel eine Atemschutzhaube.
Das Ergebnis des Auswahlprozesses führt zu einem oder auch mehreren geeigneten Atemschutzgeräten für die bestimmte Person. Die entscheidende Frage aber, wie gut ein Gerät mit dicht anliegendem Atemanschluss, zum Beispiel einer Halb- oder Vollmaske, die Person schützt, wird und kann in diesem Prozess nicht gestellt und beantwortet werden, da die Gesichtsform nicht bekannt ist. Denn die Schutzwirkung ist nur so gut, wie sich die Atemschutzmaske an die besondere Gesichtsform der gerättragenden Person anpasst.
Und genau hier am Ende des Auswahlprozesses und vor dem ersten Gebrauch des ausgewählten, geeigneten Atemschutzgerätes greift die Anpassungsüberprüfung, die alle spezifischen Merkmale der Gesichtsform der Person mit einbindet.
Nur wenn diese Überprüfung erfolgreich durchgeführt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass ein wirksamer Schutz des Menschen vorliegt.
Welche Anpassungsüberprüfungsmethoden geeignet sind und wie sie durchgeführt werden, kann demnächst in der überarbeiteten DGUV Regel 112-190 nachgelesen werden.
Weitere Informationen
Die DGUV Regel 112-190 „Benutzung von Atemschutzgeräten“ wird derzeit überarbeitet. Eine der ersten Fragen, die sich nach der Überarbeitung einer Regel immer stellt, ist: Was hat sich geändert? Auf den ersten Blick wird die Antwort lauten: Fast alles!
Aber gleich vorweg: Was bisher richtig war, wird jetzt nicht falsch, und niemand muss ein gut funktionierendes Atemschutzprogramm umstellen.
Das Autorenteam hat bei der Anordnung der einzelnen Themenfelder den Auswahlprozess eines geeigneten Atemschutzgerätes in den Mittelpunkt gestellt, dadurch sticht der geänderte Aufbau der Regel zunächst deutlich ins Auge. Auch immer wieder auftauchende Fragen zur „alten“ Regel wurden zum Anlass genommen, bestimmte Themenfelder ausführlicher oder einfach „anders“ zu formulieren.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Sachgebiet Atemschutz im Fachbereich Persönliche Schutzausrüstungen der DGUV wenden.