Gegen den Strudel der Kontaktvermeidung

Wie Medien konsumiert werden und wie man Botschaften verpacken muss, hat sich rasant gewandelt. Berufsgenossenschaften haben zudem sehr heterogene Zielgruppen. Sie wollen Versicherte jeden Geschlechts und aller Bildungsniveaus zwischen 16 und 67 Jahren ebenso erreichen wie Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen vom Kleinstbetrieb bis zum Konzern.

Die gedruckten Auflagen der deutschen Tageszeitungen haben sich seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts halbiert. Immer mehr Menschen verzichten auf die Papierausgabe ihrer Zeitung. Sie informieren sich über kostenfreie Onlineangebote oder blicken on demand oder im Abo hinter die Bezahlschranken, die die meisten Verlage und Redaktionen zwischenzeitlich eingerichtet haben. Das hat den Vorteil, dass man die Zeitung jetzt überall und zu jeder Zeit lesen kann – sofern man die App öffnet.

Bei aktuellen Ereignissen sind es die elektronischen sozialen Medien, die die ersten Bilder liefern und für ihre weltweite Verbreitung sorgen. Ob der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, Erdbeben in der Türkei oder die Räumung von Lützerath – Youtube, Twitter und Co. sind nicht nur schneller als die klassischen Medien. Es erscheint vor allem der jungen Generation Z als ein abwegiges Konzept, auf klassische analoge Formate wie die Tagesschau oder die Tageszeitung zu warten.

Elektronische Medien sind heute überall verfügbar, sie sind schneller, interaktiver und „social“. Warum also noch in klassische analoge Kanäle investieren?

Versicherte haben mehrheitlich nur eine vage Vorstellung davon, was eine Berufsgenossenschaft ist. Eine intrinsische Motivation, sich mit dem Thema Sicherheit am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen, entwickelt sich bei den meisten erst nach einem beobachteten oder selbst erlebten Unfallereignis. Nicht viel besser schaut es bei den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen aus: Eine Untersuchung von „rheingold salon“ aus dem Jahr 2017 für die BG ETEM ergab, dass kleine (Handwerks-)Unternehmen sich oft in einem für die Berufsgenossenschaft (BG) fatalen Strudel befinden: Aus Ärger und gefühlter Ohnmacht gegenüber der BG vermeiden viele dieser Unternehmerinnen und Unternehmer den Kontakt. Positive, ihre Wahrnehmung möglicherweise verändernde Botschaften erreichen sie deshalb nicht. In der Folge wird der Wunsch nach Kontaktvermeidung weiter verstärkt.

Angesichts dieser schwierigen Vorzeichen ist es für Berufsgenossenschaften wichtig und alternativlos, ihre Kommunikationsmedien und -kanäle regelmäßig zu überprüfen und an die Veränderung der Medienwelt und des Nutzungsverhaltens anzupassen. Die BG ETEM tut dies mit neuen innovativen Produkten, die den klassischen Kanälen an die Seite gestellt werden, und mit moderaten Strategiekorrekturen.

In der externen Kommunikation arbeitet die BG ETEM im Magazinbereich mit zwei Zielgruppen-Linien: „profi“ und „etem“. Daneben vertreibt die BG ETEM auch das von der DGUV herausgegebene Magazin „Arbeit & Gesundheit“ für die spezielle Zielgruppe der Sicherheitsbeauftragten.

„etem“ ist das Magazin der BG ETEM für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Es erscheint sechsmal jährlich mit 24 Seiten und in einer gedruckten Auflage von 340.000 Exemplaren. Zielgruppe sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte, Sicherheitsfachkräfte – kurz gesagt Menschen mit Verantwortung. Zusätzlich zur Printausgabe gibt es „etem“ auch als Onlinemagazin unter etem.bgetem.de.

Bei der gedruckten Ausgabe wird ein strenger Fokus auf die Belange kleiner Unternehmen gelegt. Was für den Handwerksmeister oder die Handwerksmeisterin keinen konkreten Nutzwert bietet, wird entweder angepasst oder ins Onlinemagazin verschoben. Die Titelseite zeigt Menschen, ebenfalls vorzugsweise aus Kleinunternehmen, die von den Leistungen der BG aus Prävention oder Rehabilitation profitierten. Darin liegt für die BG ETEM die einzige Chance, den Strudel der Kontaktvermeidung zu unterbrechen.

Onlinemagazine können dies auf keinen Fall leisten. Als Pull-Medium bedarf es einer Motivation, sie anzuklicken oder zu öffnen. Aus den bereits genannten Gründen liegt diese bei vielen kleinen Mitgliedsbetrieben nicht vor. Anders sieht es bei Fachkräften für Arbeitssicherheit (Sifas) aus. Für sie sind Berufsgenossenschaften wichtige und unentbehrliche Informationsquellen. Das Onlinemagazin „etem“ richtet sich deshalb mit fundierten und branchenorientierten Beiträgen vor allem an diese Zielgruppe.

Der Newsletter der BG ETEM mit rund 5.000 Abonnentinnen und Abonnenten ergänzt dieses Angebot. Er erscheint parallel zur gedruckten Ausgabe und bietet das Push-Element, das dem Onlinemagazin fehlt. Darüber hinaus liefert er wichtige Einblicke in die Interessen der Leserinnen und Leser. Ebenso wie das elektronische Magazin selbst kann auch der Newsletter mit den Mitteln der Onlineanalyse ausgewertet werden. Die BG ETEM verwendet Matomo, um zu sehen, welche Newsletterartikel besonders gut bei der Leserschaft ankommen. 

Relativ neu im „etem“-Kosmos ist der Podcast „Ganz sicher“, der monatlich Themen aus dem Magazin aufgreift und bei dem BG-Fachleute sowie Akteurinnen und Akteure aus den Betrieben zu Wort kommen. Als Nischen-Podcast spricht er naturgemäß ein eher kleines Publikum an, zurzeit sind es noch rund 400 Abonnentinnen und Abonnenten sowie im Mittel 100 bis 150 Streamings für jede Folge. Die BG ETEM setzt hier auf ein kontinuierliches Wachstum.

Abbildung 1: etem und profi – Magazin und Zeitschrift der BG ETEM | © BG ETEM
Abbildung 1: etem und profi – Magazin und Zeitschrift der BG ETEM ©BG ETEM

Versichertenkommunikation

„profi“ spricht direkt die Versicherten in den Unternehmen an. Ziel ist es, über Gefährdungen am Arbeitsplatz aufzuklären und sichere Handlungsalternativen anzubieten. Der Titel „profi“ ist bewusst gewählt und beschreibt die Haltung der BG ETEM zu ihren Versicherten: Sie sind gut ausgebildet, routiniert und stolz auf ihre Kompetenz. Die Botschaft der Kommunikation lautet: Zum professionellen Arbeiten gehört es, sich sicher zu verhalten und die Regeln sicheren Arbeitens zu befolgen.

„profi“ erscheint im vierseitigen Zeitungsformat sechsmal jährlich, derzeit noch in einer Auflage von 400.000 Exemplaren. Parallel dazu erscheint das Onlinemagazin profi.bgetem.de, das die Artikel der Printausgabe enthält und zusätzlich den Videocontent der RiskBuster-Filme der BG ETEM anzeigt. Seit diesem Jahr wird das Angebot durch einen „profi“-Newsletter für Versicherte mit derzeit rund 100 Abonnentinnen und Abonnenten ergänzt, der ebenfalls sechsmal jährlich veröffentlicht wird.

RiskBuster

Seit mehr als sechs Jahren produziert die BG ETEM zusammen mit dem ehemaligen Stuntman Holger Schumacher die RiskBuster-Filme. Die experimentellen Videoproduktionen zeigen, dass unsicheres Verhalten unmittelbare physische Folgen haben kann. Botschaft: Es mag oft gut gehen, aber es gibt einen „Point of no Return“, ab dem der Unfall unvermeidlich wird. Bisher sind rund 100 RiskBuster-Filme entstanden.

Die BG ETEM plant eine erhebliche Reduzierung der „profi“-Druckauflage. Vor allem in kleineren Unternehmen ohne eigene Arbeitssicherheitsorganisation (Sicherheitsfachkräfte/-beauftragte) sind hohe Streuverluste zu erwarten. Aus Rückmeldungen ist bekannt, dass die Zeitschrift häufig nicht intern an die Belegschaft weitergegeben wird. Nur noch Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten erhalten die Zeitschrift deshalb künftig automatisch. Kleinere Unternehmen müssen zuvor ein kostenfreies Abonnement bestellen.

Flankiert werden „profi“ und „etem“ durch die Kommunikation über Social Media. Die BG ETEM greift die Themen der Publikationen auf und spielt sie kanal- und zielgruppengerecht auf Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn und demnächst TikTok aus. Während ihre Druckauflagen sinken, wird die BG ETEM im Bereich Social Media in den kommenden Jahren das stärkste Wachstum verzeichnen. Mit mehr Mediabudget und aufmerksamkeitsstarkem Content soll die Wahrnehmung berufsgenossenschaftlicher Themen verbessert werden. Daneben spielt Social Media beim Employer Branding eine immer größere Rolle.

Marktforschung

Die Kommunikationsstrategien der BG ETEM sind historisch gewachsen und wurden immer wieder justiert. Sie basieren auf den Veränderungen der Medienwelt und des Nutzungsverhaltens, der Beratung durch Kommunikationsagenturen, den Rückmeldungen aus den Betrieben, dem Aufsichtsdienst und der Selbstverwaltung. Ab 2023 ergänzt die BG ETEM diese Datenlage durch Elemente der professionellen Marktforschung. Für alle strategischen Anpassungen soll von nun an regelmäßig die Wirkung auf die Zielgruppen untersucht werden. Aus den Ergebnissen sollen Schlussfolgerungen gezogen werden mit dem Ziel, die Kommunikation der BG ETEM weiter zu optimieren.

Fazit

Die BG ETEM setzt auch künftig auf einen ausgewogenen Mix aus Print-, Online- und sozialen Medien. Gedruckte Medien mit klarem Mehrwert werden dort eingesetzt, wo davon auszugehen ist, dass sie die einzige Chance sind, mit den Botschaften die Zielgruppen zu erreichen. Onlinemagazine sind keine Nebenprodukte mehr, sondern wichtige eigenständige Kanäle, die für Fach- und Führungskräfte mit fundierten und erweiterten Informationen angereichert sind. Die Rolle sozialer Medien steigt mit Blick auf ein sich weiter wandelndes Medienverhalten vor allem jüngerer Menschen enorm an.