Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
100 Jahre alt wird die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) im Mai dieses Jahres. Krankheiten sind in der Regel kein Grund zum Feiern. Der Einsatz für die Unterstützung Betroffener im Krankheitsfall und für die Gesunderhaltung bei der Arbeit bietet hingegen eine gute Grundlage für das Jubiläum. Wir schauen zurück auf eine Verordnung, die sich bis heute bewährt und als reformfähig erwiesen hat. Letzteres zeigte sich zuletzt im Jahr 2020 mit der Verabschiedung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze und – ganz aktuell – mit der Sechsten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung, die am 1. April 2025 in Kraft trat.
Wer sich die Geschichte der Berufskrankheiten ansieht, der kann daran den Wandel der Arbeitswelt und des medizinisch-diagnostischen Fortschritts ablesen. Auf der ersten Berufskrankheitenliste von 1925 standen elf Krankheiten, heute umfasst die Liste 85. Die Liste wurde beständig erweitert, schon 1929 kamen weitere zehn Berufskrankheiten hinzu, darunter auch die Silikose. Begleitend wurde das Silikose-Forschungsinstitut gegründet, aus dem das heutige Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) hervorgegangen ist.
Das zeigt: Von Anfang an waren die Träger der Unfallversicherung bestrebt, arbeitsbedingte Krankheiten zu erforschen, um die Heilungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten der Versicherten zu verbessern. Das ist heute nicht anders. Nur hat sich das Wissen über Erkrankungen, ihre Ursachen und mögliche Präventionsansätze immens erweitert. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Berufskrankheiten-Abteilungen der Unfallversicherungsträger ist das eine große Herausforderung. Ein effizienter, trägerübergreifender Wissenstransfer ist deshalb unerlässlich. In den vergangenen Jahren wurde ein neues Qualifizierungskonzept für das Fachpersonal entwickelt, das die infrage stehenden krankheitsauslösenden Einwirkungen ermittelt. Ziel ist eine gemeinsame und kontinuierliche Weiterentwicklung sowie die Qualitätssicherung in der Feststellung von Leistungsansprüchen berufserkrankter Personen.
Manche Berufskrankheiten haben für die Betroffenen schwere Folgen. Die Versicherten bedürfen zum Teil lebenslanger Unterstützung. Wie können die Unfallversicherungsträger diese Versicherten bestmöglich versorgen? Dazu wurde das System der „Nachgehenden Betreuung“ implementiert. Es setzt auf eine enge Betreuung mit persönlichem Kontakt, um Fragen zur individuellen Lebenssituation und der medizinischen Versorgung zu klären. Eine aktuelle Umfrage der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) belegt, dass diese Art der Betreuung wertgeschätzt wird.
Zum 1. April 2025 wurde die Berufskrankheitenliste um drei neue Positionen erweitert. Im Berufskrankheitengeschehen ist viel Dynamik, und das wird vermutlich auch die kommenden Jahre prägen. Unsere Aufgabe als Unfallversicherung ist es, ein bewährtes System mit den sich verändernden Anforderungen in Einklang zu bringen.
Ihr
Dr. Stefan Hussy
Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung