VISION ZERO-Rating System India
Jede Person hat das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Zahlen der Arbeits- und Wegeunfälle zeigen jedoch, dass diese humanitäre Anforderung weltweit nicht erfüllt ist. Das Ziel des Vision Zero-Rating System India ist, die Vision Zero-Strategie prozessorientiert und nachhaltig in indischen Unternehmen als Präventionsstrategie zu implementieren.
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind weder schicksalsbedingt noch unvermeidbar – es gibt immer eine Ursache. Durch den Aufbau einer starken Präventionskultur, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Verpflichtungen von Unternehmen und Menschenrechten können Ursachen für Arbeitsunfälle, Gesundheitsschäden und Berufskrankheiten verhindert werden.
Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sind nicht nur eine rechtliche und moralische Verpflichtung – sie zahlen sich auch wirtschaftlich aus. Investitionen in Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vermeiden menschliches Leid und schützen unser wertvollstes Gut – unsere Gesundheit und unsere physische und psychische Integrität. Richtig ist auch, dass sich sichere und gesunde Arbeitsbedingungen positiv auf die Motivation der Beschäftigten, auf die Qualität der Arbeit und der Produkte, auf den Ruf des Unternehmens, auf die Zufriedenheit der Beschäftigten, Führungskräfte, Kundinnen und Kunden und damit auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirken. Gesunde Arbeitsbedingungen tragen zu einem gesunden Unternehmen und allgemein zu einer besseren und sichereren Welt bei.
Das Baugewerbe und die verarbeitende Industrie sind nach dem Agrarsektor die zweitgrößten Arbeitgeber in Indien. Beide Branchen sind größtenteils unorganisiert und beschäftigen viele unausgebildete, ungeschulte und unerfahrene Arbeitskräfte, meist Migrantinnen und Migranten. In beiden Sektoren werden Technologien eingesetzt, die von sehr einfachen bis hin zu neuesten Automatisierungen reichen und die Beschäftigten extremen Arbeitssituationen aussetzen. Diese Merkmale machen sie im Allgemeinen und speziell im Hinblick auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten anfälliger.
In Anbetracht dieser Faktoren wurde auf der Grundlage des Vision Zero-Ansatzes und den „7 Goldenen Regeln“ das Vision Zero-Rating System India (VZ-RSI) ins Leben gerufen. Die Stakeholder des Projekts sind: die DGUV, die Deutsche Botschaft Neu-Delhi, die Sektion Bau der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), die Akademie für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Es handelt sich um ein Benchmarkingsystem zur Erreichung gleicher Standards bei der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Das Ziel des Ratingsystems ist es, zur Entwicklung einer „Kultur für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ zu motivieren und dazu beizutragen, das Ziel Vision Zero (VZ) durch kontinuierliche Verbesserung zu erreichen.
Der Vision Zero-RSI-Prozess
Das VZ-RSI ist ein umfassendes Instrument zur Bewertung von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und zur Verbesserung von Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Das VZ-RSI schafft ein internationales Instrument zur Ermittlung und Vermeidung von Risiken. Es handelt sich um ein webbasiertes System mit zwei Phasen.
Die erste Phase besteht aus 82 Fragen zu technischen und administrativen Bereichen der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes, der Umwelt und des Wohlbefindens der Beschäftigten, wie in den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften in Indien vorgesehen. Sie umfasst auch die Anwendung dieser Gesetze und Vorschriften, einschließlich der von den zuständigen Behörden verhängten Sanktionen und erteilten Genehmigungen. Kurz gesagt, in der ersten Phase geht es um das Herausfiltern von Unternehmen, die sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten.
Der von der verantwortlichen Person beziehungsweise dem Inhaber oder der Inhaberin des Unternehmens ausgefüllte Online-Fragebogen wird von technischen Expertinnen und Experten geprüft und bewertet. Unternehmen, die die erste Phase erfolgreich durchlaufen haben, kommen in die zweite Phase, die sich ausschließlich auf die durch das Unternehmen schrittweise umgesetzten goldenen Regeln der Vision Zero[1]bezieht. In erster Linie geht es um den Stand der Umsetzung und den Grad der erreichten Fortschritte bei der Entwicklung einer „Kultur für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“. Die Unternehmen werden gebeten, die Methoden und Maßnahmen zu beschreiben, die sie zur Umsetzung dieser goldenen Regeln anwenden.
Die Vision Zero-RSI-Ratings
Die endgültige Bewertung erfolgt durch ein Expertenteam in fünf Ratingkategorien. Ein Stern, die niedrigste Kategorie, wird an Unternehmen vergeben, die
1. alle Anforderungen erfüllen gemäß den in Indien geltenden Gesetzen, Regeln, Vorschriften und Normen und
2. während des Bewertungsjahres nicht strafrechtlich verfolgt wurden, Strafen auferlegt oder Mahnbescheide zugestellt bekamen (gemäß Phase eins).
Zwei Sterne erhalten Unternehmen, die sich für den ersten Stern qualifiziert haben und im Bewertungsjahr Anstrengungen zur Umsetzung der „7 Goldenen Regeln“ der Vision Zero (VZ-7) unternommen haben. Drei Sterne erhalten Unternehmen, die sich für den ersten Stern qualifiziert haben und im Bewertungsjahr ebenfalls die goldenen Regeln von VZ-7 erfolgreich umgesetzt haben. Vier Sterne erhalten Unternehmen, die sich für den ersten Stern qualifiziert haben und ebenfalls die goldenen Regeln von VZ-7 im laufenden und unmittelbar zurückliegenden Bewertungsjahr erfolgreich umgesetzt haben.
Das höchste Rating, die fünf Sterne, erhalten Unternehmen, die sich für den ersten Stern qualifiziert haben und die darüber hinaus als Vermittler für die Einführung des VZ-Ratingsystems in anderen Unternehmen unter Einbeziehung der dort beschäftigten Fachkräfte für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit fungiert haben.
Die Bekanntgabe der Vision Zero-RSI-Ratings
Die Ratings werden auf einer jährlich stattfindenden Vision Zero-Konferenz in Indien bekannt gegeben. Die Fachleute des bewerteten Unternehmens werden gebeten, eine Präsentation über die Erfolgsgeschichte der Umsetzung der „7 Goldenen Regeln“ zu halten. Diese Präsentation „Gemeinsamer Austausch von Best Practices“ motiviert andere Unternehmen zur Umsetzung.
Der gegenwärtige Status
Zur Verbreitung der Konzepte Vision Zero und „Vision Zero-Rating System India“ wurden 14 Workshops in verschiedenen Industrieclustern organisiert. Sie wurden in den Bundesstaaten Delhi, Uttar Pradesh, Haryana, Punjab, Uttarakhand, Maharashtra und Gujarat durchgeführt.
Im Jahr 2021 wurden zum ersten Mal Beurteilungen für das Rating vorgenommen. Im Jahr 2023 haben in der ersten Phase 42 Unternehmen den Fragebogen ausgefüllt. In der zweiten Phase konnten sich jedoch nur neun qualifizieren. Am 10. Februar 2023 wurden diese neun Unternehmen zur Jahreskonferenz des VZ-RSI nach Neu-Delhi eingeladen, wo ihnen die Gelegenheit geboten wurde, ihre zur Umsetzung der „7 Goldenen Regeln“ entwickelten beziehungsweise angepassten Best Practices zu präsentieren.
Während der Konferenz wurde die Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen für das Bewertungsjahr 2022 bekannt gegeben und es wird erwartet, dass für 2022 mehr als 100 Unternehmen an dem Ratingsystem teilnehmen werden.
Der Plan für die Zukunft
Nach der erfolgreichen Einführung des Ratingsystems im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie ist nun eine Ausweitung des Systems auf andere Industriezweige wie Bergbau, Häfen und Docks sowie den Dienstleistungssektor geplant. Derzeit werden in Indien 13 Gesetze in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu einem Gesetzbuch über Sicherheit, Gesundheitsschutz und Arbeitsbedingungen bei der Arbeit (2020) zusammengefasst, sodass es in den kommenden Jahren erforderlich sein wird, alle Branchen und Arbeitsbereiche abzudecken.
In Indien haben sich bereits Organisationen wie die Indische Handelskammer (ICC) und die Apex Foundation an der Förderung des Ratingsystems beteiligt. Es wird damit gerechnet, dass sich für 2023 mehr als 500 Unternehmen um ein Rating bewerben werden.
Das VZ-RSI ist offen für die Unterstützung bei der Entwicklung und Ausweitung des Systems auf andere Länder. Einige Länder haben bereits ihr Interesse bekundet.