Rechtsanspruch auf Homeoffice überflüssig

Deutschland hinkt im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung deutlich hinterher. Das zeigt sich gerade auch in dem Verständnis, das manchen gesetzgeberischen Vorschlägen zu neuen digitalen Arbeitsformen zugrunde liegt. Ein aktuelles Beispiel ist die Diskussion um ein Recht auf Homeoffice und die Ankündigung des Bundesarbeitsministers, ein solches einführen zu wollen.

Digitalisierung bedeutet, dass Arbeit heute in vielen Bereichen unabhängig von Ort und Zeit erbracht werden kann. Der Einsatz mobiler Endgeräte erlaubt zudem nicht mehr nur das schon fast klassische Homeoffice, sondern auch das Arbeiten von unterwegs. Mobiles Arbeiten schafft damit ein hohes Maß an Flexibilität für Beschäftigte beispielsweise zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, zur Reduzierung von Pendel- und Präsenzzeiten, aber auch zur Optimierung des Kundenkontakts vor Ort. Das erhöht die Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit, wovon auch Unternehmen profitieren. 

Grundsätzlich können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen (§ 106 Satz 1 Gewerbeordnung [GewO]). Aufgrund dieses Weisungsrechts legen sie in der Praxis fest, ob die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung im Betrieb oder auch mobil erbringen. Diese Regelung ist sachgerecht, da Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Wettbewerb mit anderen Unternehmen die Erfüllung der Kundenwünsche gewährleisten müssen und die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden über den Erfolg des Unternehmens und damit auch über die Sicherheit der Arbeitsplätze entscheidet. 

Die Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten ist bereits heute ausreichend gesichert, da die Ausübung des Weisungsrechts "nach billigem Ermessen" erfolgen muss. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Hierzu gehören auch die sozialen Lebensverhältnisse der Beschäftigten, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. 

Offensichtlich ist, dass sich Beschäftigte, die ihre Tätigkeit nicht im Homeoffice ausführen können, benachteiligt fühlen werden, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen sich aussuchen dürfen, von wo aus sie arbeiten.

Die letzten Wochen und Monate haben deutlich gezeigt, dass überall dort, wo es möglich ist, Beschäftigte im Homeoffice arbeiten. Und genau dort, wo sich zeigt, dass es gut funktioniert, werden Unternehmen und Beschäftigte auch nach der Krise davon flexibel Gebrauch machen. Ein Rechtsanspruch ist also nicht nur unsinnig, sondern auch völlig überflüssig.  
 
Natürlich ist es im Interesse von Beschäftigten sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gleichermaßen, mobiles Arbeiten dort einzusetzen, wo es machbar ist. Es sollte aber Sache der Unternehmen und Beschäftigten bleiben, hier individuelle und pragmatische Lösungen zu finden. Starre Gesetze helfen an dieser Stelle nicht weiter. Sie behindern vielmehr die Ausgestaltung der Arbeitsbeziehungen. Ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice wäre außerdem ein schwerwiegender Eingriff in die unternehmerische Freiheit und verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.[1] Denn: Arbeitsort und Arbeitszeit werden vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin bestimmt und richten sich grundsätzlich nach den Wünschen und Anforderungen der Kundinnen und Kunden. 
 
Ähnlich wie beim Rechtsanspruch auf Teilzeit würde ein Rechtsanspruch auf Homeoffice die Idee des Betriebsfriedens ausblenden. Offensichtlich ist, dass sich Beschäftigte, die ihre Tätigkeit nicht im Homeoffice ausführen können, benachteiligt fühlen werden, wenn ihre Kolleginnen und Kollegen sich aussuchen dürfen, von wo aus sie arbeiten. Dieses Gefühl von Benachteiligung könnte eine betriebliche Zweiklassengesellschaft schaffen: Privilegierung für diejenigen, die im Homeoffice arbeiten, und Frustration bei denjenigen, deren Tätigkeit sich nicht für mobiles Arbeiten eignet.

Großes Angebot mobilen Arbeitens

Insgesamt boten bereits vor der Coronakrise 61 Prozent aller Unternehmen in Deutschland ihren Beschäftigten, für die das möglich ist, die Option zum mobilen Arbeiten an, wozu auch das Arbeiten im Homeoffice gehört. Der Anteil der Unternehmen steigt mit der Unternehmensgröße. Während 60 Prozent der Kleinstunternehmen (1 bis 9 Beschäftigte) mobiles Arbeiten einrichten, sind es 65 Prozent der kleinen Unternehmen (10 bis 49 Beschäftigte). Bei 83 Prozent der mittelgroßen Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) ist mobiles Arbeiten möglich. Bei den großen Unternehmen (250 und mehr Beschäftigte) beträgt der Anteil 94 Prozent.[2]

Zwischen den Beschäftigungsformen des mobilen Arbeitens und des Homeoffice besteht ein wesentlicher Unterschied. Beim Einsatz im Homeoffice wird vertraglich – nahezu deckungsgleich mit der seit Langem bekannten Telearbeit – geregelt, dass und in welchem Umfang Beschäftigte die Arbeitsleistung bei sich zu Hause erbringen. Beim mobilen Arbeiten dagegen werden keine vertraglichen Vorgaben gemacht, wo die Arbeitsleistung zu erbringen ist.

Die gegenüber dem mobilen Arbeiten engere Beschäftigungsform des Homeoffice bieten laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 35 Prozent der Betriebe an.[3] Das IAB hat auch festgestellt, dass beispielsweise 64 Prozent der Beschäftigten, die bisher kein Homeoffice genutzt haben, dies nicht möchten, weil eine Trennung von Beruf und Privatleben gewünscht ist.

Ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice wäre ein schwerwiegender Eingriff in die unternehmerische Freiheit und verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.

Diese Zahlen zeigen, dass es keines gesetzgeberischen Anstoßes bedarf, um mobiles Arbeiten zu fördern. Im Gegenteil: Dort, wo mobiles Arbeiten möglich ist, gehört ein entsprechendes Angebot an die Beschäftigten zum Gesamtpaket, um als Unternehmen in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels insbesondere für junge Fachkräfte attraktiv zu sein. Ein reiner Homeoffice-Anspruch, der das mobile Arbeiten auf die Wohnung der oder des Beschäftigten beschränkt, wäre wegen den damit verbundenen Kostenfolgen für das Unternehmen wirtschaftlich gar nicht vertretbar. 

Mobiles Arbeiten und Homeoffice nicht überall möglich

Allerdings arbeitet ein großer Teil der Beschäftigten in Berufen, in denen mobiles Arbeiten nicht möglich ist. Ein Krankenpfleger kann keinen Schichtdienst von zu Hause aus machen und eine Monteurin in der Produktion muss zwangsläufig im Werk an der Fertigungsstraße ihrer Beschäftigung nachgehen. Die Pflicht zur Begründung, dass mobiles Arbeiten nicht möglich ist, würde in diesen Bereichen nur zu sinnloser Bürokratie für die Unternehmen führen. Zudem würde ein Rechtsanspruch bei Beschäftigten, die diesen nicht in Anspruch nehmen können, zusätzlich zur ohnehin oft besonders beanspruchenden Tätigkeit zu Unzufriedenheit führen. Dieser Aspekt sollte angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen gerade aufgrund der Coronakrise nicht unterschätzt werden. 

Der Umgang mit und die Anforderungen an mobiles Arbeiten variieren sehr stark zwischen einzelnen Unternehmen und können daher nur auf betrieblicher Ebene sinnvoll und im Interesse aller Beteiligten geregelt werden. 

Mobiles Arbeiten erfordert Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts

Mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeitgestaltung gehen zunehmend mit einer Ausweitung von Vertrauensarbeitszeit einher. Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass  auf die Kontrolle der Arbeitszeiten verzichtet wird und die Beschäftigten weitgehend selbstständig in der Einteilung ihrer Arbeitszeit sind. Unternehmensleitung und Vorgesetzte vertrauen darauf, dass die Beschäftigten ihre Aufgaben in einem verabredeten Zeitraum eigenverantwortlich erledigen. Deshalb entfällt eine formale Zeiterfassung ebenso wie die Anwesenheitskontrolle.

Entscheidend ist nur, dass das abgesprochene Arbeitsergebnis termingerecht vorliegt. Die Gestaltung der Arbeitszeit, oft auch die Bestimmung des Arbeitsorts, sollte bei Vertrauensarbeitszeit prinzipiell Sache der Beschäftigten sein. Für Beschäftigte bedeutet dies, dass sie ihre Arbeitszeit unkompliziert, flexibel und vor allem weitgehend eigenständig einteilen und so Beruf und Privatleben optimal vereinbaren können.  

Auch wenn Beschäftigte ihre Arbeitszeit weitgehend selbstständig einteilen können, sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nach geltender Rechtslage verpflichtet sicherzustellen, dass sie gegebenenfalls gegenüber der Aufsichtsbehörde nachweisen können, dass die Aufzeichnungspflichten des Arbeitszeitgesetzes eingehalten wurden. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Aufzeichnungspflichten haftet allein der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin. Für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ist es im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit zum Beispiel im Homeoffice kaum möglich, die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten zu gewährleisten.  

Will der Gesetzgeber mobiles Arbeiten und Homeoffice zusätzlich fördern, so sollte statt der Schaffung eines starren Rechtsanspruchs das Arbeitszeitgesetz dahingehend angepasst werden, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Falle von Vertrauensarbeitszeit die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten abschließend auf die Beschäftigten übertragen können. 

Anpassung des Arbeitsschutzes an Erfordernisse der mobilen Arbeit

Beim Einsatz mobiler Arbeit stellt sich regelmäßig die Frage, welche arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden müssen. Die Anforderungen an Telearbeit sind in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) aufgeführt. Gelegentliches Arbeiten im Homeoffice als Teil von mobiler Arbeit muss hingegen zwar nicht den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung entsprechen, aber die allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) finden hier Anwendung.

In der Praxis stellen sich zum Beispiel die Fragen, ob und wie eine Gefährdungsbeurteilung für neu eingeführtes oder verstärktes Arbeiten im Homeoffice durchgeführt werden muss, ob Unterweisungen durchgeführt werden müssen, ob auch mehrere Tage am Stück an einem mobilen Endgerät gearbeitet werden darf oder andere Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies kann Angebote der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verzögern oder gar verhindern, im Homeoffice oder mobil tätig zu sein.

Um weitere Hindernisse bei mobiler Arbeit und Arbeit im Homeoffice aus dem Weg zu räumen, sollte gesetzlich klargestellt werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten beim mobilen Arbeiten datenschutzrechtlich zulässig ist.

Um dem entgegenzuwirken und mobiles Arbeiten und Arbeiten im Homeoffice zu fördern, sollte die Arbeitsstättenverordnung entsprechend angepasst werden. Grundsätzlich sollte das Arbeitsschutzrecht keine Hindernisse für mobile Arbeit und Telearbeit errichten.

Mobiles Arbeiten und Datenschutz

Um weitere Hindernisse bei mobiler Arbeit und Arbeit im Homeoffice aus dem Weg zu räumen, sollte gesetzlich klargestellt werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten beim mobilen Arbeiten datenschutzrechtlich zulässig ist. Gleichzeitig sollte klargestellt werden, dass eine technische Trennung von privaten und dienstlichen Daten (zum Beispiel via VPN-Tunnelung) ausreichend ist und es keiner Getrenntnutzung von dienstlicher und privater Hardware beziehungsweise Arbeitsmittel bedarf. 

Vertragsfreiheit beim Einsatz der Arbeitsmittel

MobiIes Arbeiten und Homeoffice können darüber hinaus gefördert werden, indem klar geregelt wird, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Beschäftigte frei darin sind, vertragliche Vereinbarungen über die Nutzung von Arbeitsmitteln – entweder vom Unternehmen oder den Beschäftigten gestellt – und mögliche Kostenerstattungen zu treffen. Zusätzlich sollte klargestellt werden, dass für Beschäftigte generell kein Anspruch auf Gestellung der Arbeitsmittel im Homeoffice und kein Kostenerstattungsanspruch besteht, wenn die Anschaffung vom Arbeitgeber beziehungsweise der Arbeitgeberin nicht klar und eindeutig angeordnet worden ist.  

Fazit

Durch die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen können mobiles Arbeiten und Arbeiten im Homeoffice sinnvoll gefördert werden. Diese Rahmenbedingungen müssen auf die Eigenverantwortung von Unternehmen und Beschäftigten sowie auf gegenseitiges Vertrauen setzen. Die Verantwortung für die Einhaltung etwa von Arbeitsschutzvorschriften, Arbeitszeitregelungen und Datenschutz . muss auf Unternehmen und Beschäftigte so verteilt werden, dass der Einsatz von mobiler Arbeit und Homeoffice nicht gebremst wird. Durch die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Homeoffice, wie vom Bundesarbeitsmininister geplant[4], kann mobiles Arbeiten nicht gefördert werden und es entsteht die Gefahr einer Spaltung von Belegschaften. Nur auf Basis der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien können die Entwicklung und der Einsatz neuer Arbeitsformen im Interesse von Unternehmen und Beschäftigten vorangetrieben werden.