Sicherheits- und Gesundheitskompetenz

Jede Form der Arbeit – an festen oder wechselnden Arbeitsplätzen – erfordert Sicherheits- und Gesundheitskompetenz der Beschäftigten. Für eine Förderung dieser Kompetenz ist ein einheitliches Begriffsverständnis grundlegend. Die hier vorgestellte umfassende Definition geht über Definitionen, die sich auf das Verstehen von Gesundheitsinformation (Health Literacy) konzentrieren, deutlich hinaus.

Homeoffice beschreibt in der Regel die Arbeit zu Hause ohne einen durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin eingerichteten Telearbeitsplatz. Neben der Gestaltung des Arbeitsplatzes regeln Beschäftigte im Homeoffice oft auch ihre Arbeitsabläufe selbst und haben weniger Kontakt zu ihren Vorgesetzten und Kolleginnen oder Kollegen. Dies erfordert eine höhere individuelle Verantwortung – auch für die eigene Sicherheit und Gesundheit im Arbeitskontext – und damit die Entwicklung einer eigenen Sicherheits- und Gesundheitskompetenz.

Sicherheits- und Gesundheitskompetenz – was ist das?

Nach Weinert[1] umfasst Kompetenz nicht nur die "kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen", sondern auch die notwendige Motivation und Selbstregulation zur erfolgreichen Umsetzung der gesetzten Ziele. Die hier vorgestellte Definition von Sicherheits- und Gesundheitskompetenz (siehe Infokasten) nimmt diese Inhalte von Weinert auf und erweitert und konkretisiert sie für den Arbeitsschutz.

Vorschlag einer Definition

Sicherheits- und Gesundheitskompetenz umfasst die kognitiven Fähigkeiten sowie die Fertigkeiten und Motivation, in vielfältigen Situationen gesundheitsgefährdende, -erhaltende und -fördernde Faktoren für sich und andere vorherzusehen oder zu erkennen, risikomindernde, gesundheitserhaltende und -fördernde Entscheidungen zu treffen sowie die Selbstregulation, diese verantwortungsvoll umzusetzen.

Die Betonung der Motivation und Selbstregulation ist wichtig, da viele heute noch genutzte Definitionen von Gesundheitskompetenz diese nicht beinhalten. Ohne Motivation ("Ich will") erfolgt auch bei den besten Fähigkeiten ("Ich kann") keine Umsetzung von Maßnahmen. Auch wenn Fähigkeit und Motivation hoch sind, benötigt es Selbstregulation, um die gesetzten Ziele in die Tat umzusetzen – beispielsweise wenn man sich vornimmt, in den Arbeitspausen regelmäßig Bewegungsübungen durchzuführen.

Unter dem von Weinert genannten "Problemlösen" wird in der hier vorgestellten Definition nicht nur eine bestimmte Handlung wie das sichere Verlegen des Laptopkabels zu Hause oder das Einlegen von Bewegungspausen verstanden, sondern auch dieser Handlung vorangehende Schritte: das Vorhersehen und Einschätzen eines Risikos für die Sicherheit und Gesundheit sowie das Treffen von Entscheidungen, die das Risiko mindern. Beispielsweise könnte vor Einrichten des Arbeitsplatzes zu Hause das Laptopkabel als potenzielle Stolpergefahr erkannt und dementsprechend der Arbeitsplatz in der Nähe einer Steckdose eingerichtet werden. Oder man stellt frühzeitig fest, dass der Stuhl zu Hause weniger ergonomisch gestaltet ist als derjenige im Büro, und plant vorbeugende Lockerungsübungen für Hals, Schultern und Rücken ein.

Sicherheits- und gesundheitskompetentes Entscheiden und Handeln bedeuten, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Neben dem Erhalt und der Förderung der Gesundheit ist ein Zweck von Sicherheits- und Gesundheitskompetenz der Schutz der Gesundheit vor Schäden durch Unfälle und Berufskrankheiten und vor den Folgen arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren.

Die Abbildungen 1a und 1b veranschaulichen die Zusammenhänge: Gesundheit ist aufbauend auf Antonovsky[2] auf einem Kontinuum von sehr negativ (links) bis sehr positiv (rechts) dargestellt.

Abbildung 1a zeigt, dass eine Schädigung der Gesundheit durch Unfälle, Berufskrankheiten oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren ein Verschieben hin zum negativen Pol des Gesundheitskontinuums bewirkt.

Abbildung 1b zeigt, wie Handlungen, die Bestandteil der Sicherheits- und Gesundheitskompetenz sind, positiv auf die Gesundheit wirken. Sicherheits- und Gesundheitskompetenz schützt vor einer Schädigung der Gesundheit und somit vor einem Verschieben zum negativen Pol hin. Erhalten und Fördern der Gesundheit stehen hingegen für ein Beibehalten des aktuellen Gesundheitszustands beziehungsweise ein Verschieben nach rechts in den positiveren Bereich des Kontinuums.

Gesundheitsschäden Gesundheitskontinuum Berufskrankheit Unfall | © Grafik: DGUV
Abbildung 1a: Mögliche Gesundheitsschäden, die mit einem Verschieben nach links im Gesundheitskontinuum einhergehen ©Grafik: DGUV
Handlungen Gesundheit Sicherheitskompetenz Gesundheitskompetenz | © Grafik: DGUV
Abbildung 1b: Darstellung, welche Handlungen sich positiv auf die Gesundheit auswirken und Bestandteil der Sicherheits- und Gesundheitskompetenz sind ©Grafik: DGUV

Ein relevanter Bestandteil der Definition, der auch bei Weinert einbezogen ist, ist die Verantwortung. Sicherheits- und gesundheitskompetentes Entscheiden und Handeln bedeuten, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Das kann als Ziel und Folge haben, dass Kolleginnen und Kollegen nicht durch eigene Entscheidungen oder Verhaltensweisen geschädigt werden, aber auch, dass jene auf gesundheitsschädliches Verhalten aufmerksam gemacht und hilfreiche Tipps geteilt werden. Dies funktioniert auch im Homeoffice, beispielsweise in Videokonferenzen.[3]

Ausblick

Sicherheits- und Gesundheitskompetenz ist zentral für sicheres und gesundes Arbeiten – egal ob am festen Arbeitsplatz oder im Homeoffice. Entsprechend sollten Führungskräfte und Beschäftigte die Inhalte und die Wichtigkeit dieser Kompetenz als wesentlichen Bestandteil der Präventionskultur eines Unternehmens verstehen und gezielt darin geschult werden. Hierfür ist ein einheitliches Verständnis von Sicherheits- und Gesundheitskompetenz notwendig.

Literatur

Antonovsky, A.: A Somewhat Personal Odyssey in Studying the Stress Process. In: Stress medicine, Ausgabe 2/1990

Hamacher, W.; Eickholt, C.; Lenartz, N.; Blanco, S.: Sicherheits- und Gesundheitskompetenz durch informelles Lernen im Prozess der Arbeit. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2012

Weinert, F. E.: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim und Basel 2001