Reha-Management unter Corona-Bedingungen

Reha-Management in der Corona-Pandemie. Wie soll das funktionieren? Was ist möglich? Kreativität war gefragt. Ein Bericht aus dem Alltag von Reha-Managerinnen und Reha-Managern der BGN.

Reha-Managerinnen und Reha-Manager führen vielfältigste persönliche Gespräche mit Unfallversicherten, Betroffenen von Berufskrankheiten, Ärztinnen und Ärzten, weiteren Personen in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen, mit Verantwortlichen in Betrieben, bei Bildungsträgern und einigen anderen Reha-Partnerinnen und Reha-Partnern. In dieser Form gestalten Reha-Managerinnen und Reha-Manager ihre tägliche Arbeit und engagieren sich im Sinne der Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie setzen sich dafür ein, dass die Versicherten optimal medizinisch betreut werden, und helfen ihnen – und damit auch den Betrieben in Deutschland – bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben. Und gerade bei dieser Aufgabe des Reha-Managements geht es darum, die Hilfe in gemeinsamer Zusammenarbeit mit den betroffenen Menschen sowie Partnerinnen und Partnern direkt zu leisten.

Mit Ausbruch der Pandemie stellten sich etliche Fragen, da die gesetzliche Unfallversicherung Teil eines großen deutschen Gesundheitswesens ist und sich auch für das System mit den berufsgenossenschaftlichen Krankenhäusern, D-Ärztinnen und D-Ärzten, Reha-Einrichtungen und weiteren Netzwerkpartnerinnen und Netzwerkpartnern einiges änderte. Wer geht wie mit der neuen Situation um? Was muss man beachten? Wie werden die Corona-Maßnahmen jeweils umgesetzt?

Telefonische Fallkonferenzen ersetzen den persönlichen Kontakt

Durch ein neu gegründetes Ad-hoc-Gremium innerhalb der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) wurden alle Beschäftigten in Bezug auf die Corona-Situation umfassend informiert und Arbeitsanweisungen herausgegeben. Die Beschäftigten hatten großes Glück, dass die BGN zu diesem entscheidenden Zeitpunkt technisch bereits so gut und weitreichend aufgestellt war, dass der überwiegenden Mehrheit der Belegschaft zügig Homeoffice ermöglicht werden konnte.

Im weiteren Verlauf folgten unzählige telefonische Fallkonferenzen. Diese waren anfangs noch ungewohnt, da die Situation für alle Beteiligten neu war. Die Ärztinnen und Ärzte haben sich jedoch schnell mit der neuen Vorgehensweise zurechtgefunden. Vorteil ist zum einen, dass Reha-Manager und Reha-Managerinnen spontan Termine wahrnehmen können, zum anderen auch mehrere Termine an einem Tag durchführen können. Ein großer Nachteil des telefonischen Kontakts insbesondere mit neuen Versicherten ist jedoch, dass der persönliche Eindruck fehlt. Die beteiligte Person wird nur anhand der Stimme wahrgenommen. Mimik und Gestik sagen jedoch viel über einen Menschen aus und helfen dabei, das Gegenüber besser einschätzen zu können. 

Bei einem persönlichen Kontakt lassen sich für die Beschäftigten im Reha-Management auch besser Begleitumstände erkennen, die die Rehabilitation beeinflussen können. Das Verletzungsausmaß und die Handhabung mit den Beschwerden können viel besser beurteilt und mögliche Hilfsmittel früher angeboten werden. Die verunfallten Personen öffnen sich in der Regel bereitwilliger und sprechen selbst Probleme und Schwierigkeiten an, wenn sie ein Gesicht der Abteilung Reha-Management vor Augen haben.

Laut Rückmeldungen der Verunfallten äußerten viele den Wunsch, nicht allein beim Arzt oder der Ärztin vorstellig zu werden, sondern direkt ein gemeinsames Reha-Planungsgespräch zu organisieren. In den großen Kliniken mit ausreichend Platz im Behandlungszimmer und einem sehr guten Hygienekonzept konnte dies bei Schwerunfallverletzten bereits frühzeitig durchgeführt werden. Seitens der Verwaltung wurden FFP2-Masken und Hygienesets zur Verfügung gestellt, die die Sicherheit bei den Terminen erhöhten.

In der Bezirksverwaltung Berlin standen den Reha-Managerinnen und Reha-Managern ab dem Frühjahr 2021 Corona-Selbsttests zur Verfügung, die sie vor Außendiensten anwenden konnten. In dieser Zeit gab es noch keine kostenlosen wöchentlichen Testmöglichkeiten. Aufgrund der strengen Richtlinien in den Kliniken galten und gelten verschärfte Anmelderegelungen, die deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Ein Außendienst dauert daher in der Regel länger als früher. Der Alltag sah jedoch vorwiegend telefonische Absprachen mit Ärztinnen und Ärzten, Versicherten sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern vor.

Insbesondere die Unternehmen mussten auf Besuche betriebsfremder Personen verzichten. Die Gespräche zur Rückkehr an den Arbeitsplatz gestalteten sich dadurch sehr schwierig. Die sonst üblichen Gespräche mit Betriebsärztin oder Betriebsarzt, Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Vorgesetzten und Versicherten konnten nicht im Beisein der Berufsgenossenschaft erfolgen. Der Austausch wurde intern geführt und telefonisch mit dem Reha-Management vor- und nachbesprochen. Die Planung zur Rückkehr in die alte Tätigkeit oder zur Arbeitsplatzumsetzung konnte oftmals erst erfolgen, nachdem alle Beteiligten einzeln telefonisch kontaktiert worden waren. Die Betriebe waren dennoch sehr bemüht, unter diesen Umständen im engen telefonischen Austausch mit dem Reha-Management der BGN für die verunfallten Beschäftigten eine Lösung zu finden.

Mitgliedsbetriebe der BGN leiden besonders unter der Pandemie

Bei der BGN kam erschwerend hinzu: Die Mitgliedsbetriebe im Hotel-, Gaststätten- und Freizeitgewerbe waren und sind massiv von der Pandemie und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Einschränkungen betroffen. Viele Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, verloren ihre Arbeit und einige Betriebe mussten endgültig schließen. Und trotzdem kämpft die Branche enorm, trotz der Öffnungen.

Hinzu kommt, dass die Versicherten Menschen sind, die sich aufgrund ihres berufsgenossenschaftlichen Versicherungsfalles um eine neue Arbeit bemühen müssen und hier natürlich auch deutlich zu spüren bekommen, dass viele Betriebe bei Neueinstellungen sehr zurückhaltend bleiben. Selbst Praktikumsplätze werden deutlich seltener vergeben.

Es gibt aber auch vereinzelt sehr positive Beispiele, etwa eine ehemalige Bäckereiverkäuferin, die nach langer Suche eine neue Anstellung in einer Physiotherapiepraxis am Empfang erhielt und der sich dadurch wieder eine neue Perspektive eröffnete. Folglich geschehen in Pandemiezeiten durchaus auch positive Dinge, aus denen die Versicherten Hoffnung schöpfen können und die auch andere Betroffene motivieren.

Besonders kreativ wurde das Reha-Management, wenn Schwerunfallverletzte zum Beispiel Wohnungshilfe benötigten. Um das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 für alle Beteiligten zu vermeiden, waren die Versicherten gern bereit, Fotos (etwa von Grundrissen der Wohnung oder des Grundstückes) zu senden, um einen Eindruck zu vermitteln, welche Schwierigkeiten im Alltag bestehen und welche Lösungsmöglichkeiten hierfür in Betracht kommen. Bei größeren Projekten wurde die beratende Architektin eingeschaltet. Bei kleineren Badumbauten beispielsweise konnten anhand der Kostenvoranschläge der Baufirmen Gewährungen erfolgen, ohne dass ein persönlicher Besuch vor Ort notwendig war.

Alle Beteiligten haben sich an die besonderen Umstände der Corona-Pandemie angepasst. Diese Vorgehensweise soll jedoch nur vorübergehend sein. Als abzusehen war, dass diese Arbeitsweise lange bestehen bleiben würde, erfolgte auch die Beratung Langzeitverunfallter, die im Rahmen der nachgehenden Betreuung normalerweise persönlich aufgesucht werden, telefonisch. Für viele Versicherte war dies eine ungewohnte Situation, häufig baten sie darum, nach der Impfung gegen das Coronavirus wieder persönlich besucht zu werden.

Ausblick

Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Alltag der Menschen verändert, sondern auch die Arbeitsweise der Beschäftigten im Reha-Management. Durch die Offenheit der Beteiligten, insbesondere der Versicherten, aber auch der Ärztinnen und Ärzte sowie der Betriebe, wurden neue Handlungsweisen erarbeitet. Die Praxis zeigt jedoch, dass auf den persönlichen Kontakt nicht verzichtet werden kann, um eine Rehabilitation optimal, zeitnah und auf die Gegebenheiten und Schwierigkeiten abgestimmt zu planen und durchzuführen. Durch das frühzeitige Erkennen von Schwierigkeiten kann die Rehabilitation engmaschiger kontrolliert und besser angepasst werden. Langwierige Heilungsverläufe werden dadurch oft vermieden.

Die derzeitige Impfstrategie lässt hoffen, dass in naher Zukunft das Reha-Management wieder so funktionieren kann, wie es vorgesehen ist, und dadurch die Versicherten schneller optimal rehabilitiert und versorgt werden.