Interkulturelles Training für die erfolgreiche Integration ausländischer Fachkräfte
Fachkräftemangel macht sich besonders in der Alten- und Krankenpflege bemerkbar. Abhilfe verspricht die Anwerbung im Ausland. Das Training „Das interkulturelle Team – Pflege“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unterstützt bei der Integration neuer Mitarbeitender.
Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln prognostiziert bis zum Jahr 2035 rund 307.000 fehlende Pflegekräfte in der stationären Versorgung in Deutschland.[1]Zusätzlich wird mit einem Anstieg an Pflegebedürftigen von rund 5 Millionen in 2021 auf 5,6 Millionen Menschen in 2035 gerechnet.[2] Mit Änderungen des Einwanderungsrechts und Anwerbeaktionen im außereuropäischen Ausland wirbt die Bundesregierung aktuell um Fachkräfte, insbesondere um Pflegefachkräfte. Für Unternehmen, Führungskräfte sowie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellt sich damit aber die Frage nach Voraussetzungen und Kriterien für eine gute, gesunde interkulturelle Zusammenarbeit.
Interkulturelles Arbeiten birgt einige Herausforderungen, unter anderem auch für den Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Frühere Studien legten zum Beispiel nahe, dass es kulturelle Unterschiede in der Risikowahrnehmung gibt.[3] Daneben wird die interkulturelle Zusammenarbeit oft als zweischneidiges Schwert bezeichnet, denn während sie auf der einen Seite eine große intellektuelle und soziale Bereicherung darstellen kann, werden damit andererseits auch viele negative Aspekte in Zusammenhang gebracht: geringere Arbeitszufriedenheit, Gefühl von Diskriminierung, gestiegene Konflikte und Fehlzeiten.[4]
Herausforderungen im Blick behalten
Unternehmensleitungen, Führungskräfte und auch die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen sollten sich frühzeitig bewusst machen, was die Integration der neuen Beschäftigten aus dem Ausland erschwert und wie diesen Problemen begegnet werden kann.
Ausländische Pflegekräfte treffen in Deutschland auf potenziell sehr angespannte Arbeitssituationen. Zeitmangel bei allen anderen Teammitgliedern reduziert auch die dringend benötigte Zeit für Erklärungen an die Neuen und für ein langsames Ankommen. Neue Beschäftigte, nicht nur solche aus dem Ausland, müssen oft von Anfang an Aufgaben übernehmen, auf die sie eventuell nicht ausreichend vorbereitet sind.
Zudem müssen ausländische Fachkräfte meistens auf den erfolgreichen Abschluss ihres Anerkennungsverfahrens warten. In der Pflege heißt das, dass sie als Pflegehelferinnen und Pflegehelfer im Bereich der Grundpflege eingesetzt werden. Die damit verbundenen Tätigkeiten sind zumeist deutlich unter ihrer tatsächlichen Qualifikation angesiedelt. Wenn dieser Zustand lange andauert, führt dies leicht zu Unzufriedenheit. Negativ auf die Motivation kann sich auch auswirken, wenn sie große Unterschiede zur Pflegetätigkeit im Heimatland feststellen. Dies ist besonders zu Beginn der neuen Tätigkeit der Fall.
Wahrgenommene Belastungen und Beanspruchungen der internationalen Pflegekräfte:
- sprachliche Barrieren allgemein (gesprochene Sprache, zum Beispiel beim Führen von Telefonaten und Pflegefachsprache)
- sprachliche Barrieren im Umgang mit Patientinnen und Patienten im Besonderen
- fachliche Defizite
- zu wenig Zeit für Einarbeitung
Hürden überwinden: Integration durch Information
Integrationsprozesse sind besonders anfällig für Missverständnisse und dadurch entstehende Konflikte. Beispielsweise fehlen den neuen Pflegekräften zum Teil relevante Informationen zur Charakteristik des anwerbenden Klinikums, was sich negativ auf Erwartungshaltungen und Orientierung auswirken kann. Informationsprozesse kommen oft zu kurz, weil für die Einarbeitung nicht genug Zeit bleibt.
Information zur Prävention von Konfliktsituationen ist auch für das Stammpersonal wichtig: So sollte den Kolleginnen und Kollegen bewusst gemacht werden, wie belastend die Situation für die neuen Beschäftigten ist – neue Arbeitssituation, neues Umfeld und dazu noch das Anerkennungsverfahren der beruflichen Qualifikation. Neue Mitarbeitende müssen ständig lernen – für die Anerkennungsprüfung und gleichzeitig für ein neues Arbeitsumfeld. Die größte Herausforderung im Rahmen der fachlichen Einarbeitung sind sprachliche Barrieren. Da kann es helfen, wenn die Einarbeitenden sich bemühen, eine einfache Sprache zu benutzen, Informationen zu wiederholen und nachzufragen, ob alles verstanden wurde.
Systematische Unterstützung im Rahmen der Anerkennung hilft den neuen ausländischen Pflegekräften. Das Verständnis des Teams ihnen gegenüber lässt sich steigern, indem Führungskräfte und andere Beschäftigte für die psychisch belastenden Aspekte des Anerkennungsverfahrens sensibilisiert werden.
Sprachliche Kompetenzen fördern
Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten sind eine große Hürde bei der Integration von Fachkräften aus dem Ausland. Schon die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten ist für die neu ankommenden Pflegekräfte schwierig. Auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen trauen sich die Neuen oft nicht nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Neben der Unsicherheit und der Zurückhaltung bei Fragen durch fehlende Sprachsicherheit im Alltag ist auch die Fachsprache für die Pflegekräfte neu. Die (fach-)sprachlichen Kompetenzen sind bestimmend für die Arbeitsinhalte und die fachliche/inhaltliche Verständigung. Strukturierte (mediale) Sprachlernangebote können das Stresserleben aller Beteiligten und das Konfliktpotenzial erheblich senken und sind elementar. Der Aufbau von Sprachkompetenzen kann somit als präventives Angebot im Kontext von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz verstanden werden.
Eine strukturierte Einarbeitung ist unerlässlich. Besonders hilfreich für den Integrationsverlauf ist dabei ein klar definierter Arbeitsbereich für die neuen Pflegefachkräfte. Wenn klar festgelegt ist, welche Aufgaben die Neuen übernehmen und welche nicht, mindert dies die Gefahr falscher Erwartungen des Stammpersonals an die Arbeitsleistung. So sinkt das Konfliktpotenzial in der Zusammenarbeit. Dies kann als elementare organisationale Maßnahme im Rahmen eines Integrationskonzeptes betrachtet werden.
Unterstützung von Anfang an
Die soziale Unterstützung, ein gutes soziales Miteinander sowie kulturelle Offenheit und interkulturelle Kompetenz sind neben der Sprache weitere wichtige Faktoren der betrieblichen und sozialen Integration internationaler Pflegefachkräfte. Ein kurzes Kennenlernen bei der Ankunft reicht hierfür nicht aus – besonders deshalb, weil die neuen Mitarbeitenden zu Anfang viele neue Eindrücke verarbeiten müssen. Feste Ansprechpersonen für die neuen Mitarbeitenden sind wichtig für den Erfolg des Integrationsprozesses. Auch ein transparentes Ansprachesystem für weitere wichtige Anlaufstellen wie beispielsweise Integrationsmanagement und Arbeitsschutz sind wichtig.
Im Sinne einer nachhaltigen Personalentwicklung sind Führungskräfte dafür zu sensibilisieren, dass es wichtig ist, ausländische Pflegekräfte nicht zu überfordern. Sie und auch die anderen Teammitglieder müssen sich darüber im Klaren sein, dass Konflikte zu jeder Zusammenarbeit dazugehören. Länger bestehende oder ungelöste Konflikte können die Zusammenarbeit, das Wohlbefinden und die Gesundheit jedoch erheblich negativ beeinflussen.
Was neuen Mitarbeitenden hilft:
- (mediale) Sprachlernangebote, auch für Fachsprache
- eine strukturierte Einarbeitung
- definierter Arbeitsbereich in der Anfangszeit
- Verständnis für die psychischen Aspekte des Anerkennungsverfahrens
- Führungskräfte, die sie nicht überfordern
- systematische Unterstützungsangebote im Rahmen der Anerkennung
- feste Ansprechpersonen
Integration: wichtig für den Arbeitsschutz
Die erfolgreiche Integration von neuen Pflegefachkräften aus dem Ausland ist eine wichtige Voraussetzung für den Arbeitsschutz. Schwierigkeiten im Verständnis der spezifischen Fachsprache können zu Fehlern bei der Arbeit führen. Auch kulturelle Unterschiede spielen eine Rolle. Dieser Unterschiede und des damit verbundenen Erklärungsbedarfs sollten sich Führungskräfte bewusst sein. Ausländische Fachkräfte haben eventuell ein anderes Verständnis von Prävention und Gesundheit und ein anderes Hygieneverständnis. Bei der Vermittlung sicherer Arbeitsweisen kann nicht von der gleichen Arbeits- und Sicherheitskultur ausgegangen werden. Hierfür ist auch eine andere Herangehensweise zur Vermittlung sicherheitsrelevanter Informationen erforderlich. Dies setzt außerdem eine ausreichende Unterstützung von Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen voraus.
Auftretende kulturelle Unterschiede:
- andere Arbeits- und Sicherheitskultur
- anderes Verständnis von Prävention und Gesundheit
- unterschiedliches Hygieneverständnis
- unterschiedliche Risikobereitschaft, geringes Bewusstsein für Gefährdungen
- Unterschiede in Gestik und Mimik
- mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen
Das Training „Interkulturelles Team – Pflege“
Beim interkulturellen Training der BGW geht es in drei jeweils eintägigen Modulen um einen kultursensiblen Umgang miteinander. Beantwortet werden Fragen wie: Was müssen die Beteiligten wissen? Wie können sie handeln?
Das „Interkulturelle Team – Pflege“ richtet sich an Einrichtungen in der stationären Krankenpflege sowie der Altenpflege, die gezielt (Pflege-)Fachkräfte im Ausland anwerben und langfristig betrieblich integrieren wollen. Es beinhaltet ein Vorgespräch mit der Leitung und eine optionale Unterstützung beim Transfer der Trainingsinhalte – auf Wunsch bis hin zu einem umfassenden Integrationskonzept. Betriebe, die am BGW-Training teilnehmen und ein besonderes Engagement für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten zeigen, können zudem eine Auszeichnung als integrationsfreundlicher Betrieb erhalten.
Ziele des Trainings:
- Fördern eines kultursensiblen Umgangs in der interkulturellen Zusammenarbeit
- Sichern und Fördern gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Einbindung des Themas in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
- Einbindung in ein betriebliches Integrationskonzept
Das Training soll dazu beitragen, Konfliktpotenziale und Stresserleben zu verringern. Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sichere und gesunde Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Das BGW-Training leistet einen wichtigen Beitrag zum betrieblichen Integrationskonzept: Erfolgreiche Integration wird eng mit offener Unternehmenskultur verbunden, in dem die Akteurinnen und Akteure regelmäßig für interkulturelle Aspekten sensibilisiert werden. Das Training motiviert Mitarbeitende, sich aktiv am Integrationsprozess zu beteiligen. Im Training selbst werden die Teilnehmenden dazu angehalten, das eigene Verhalten in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kritisch zu reflektieren.
Wichtig ist, dass in den verschiedenen Modulen unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden:
- Modul 1
„Grundlagen interkultureller Sensibilisierung“ richtet sich an Führungskräfte und Beschäftigte mit und ohne Migrationshintergrund, die bereits seit längerer Zeit in der Einrichtung arbeiten. - Modul 2
„Gut im neuen Betrieb ankommen“ richtet sich an Pflegekräfte aus dem Ausland, die neu in der Einrichtung sind. - Modul 3
„Der Weg zum integrationsfreundlichen Betrieb“ richtet sich an Multiplikatoren und Multiplikatorinnen im Unternehmen. Dazu gehören zum Beispiel die Pflegedienstleitung, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsärztin oder -arzt, Mentoren und Mentorinnen sowie Integrationsbeauftragte.
Betriebe werden angeregt, die Trainingsergebnisse in ein betriebliches Integrationskonzept einzubetten. Die BGW empfiehlt, den BGW Orga-Check durchzuführen und darauf aufbauend gegebenenfalls eine Auszeichnung und finanzielle Förderung zu BGW-Angeboten zu erwerben.
Fazit
Für eine nachhaltige Gewinnung und Beschäftigung von Pflegefachpersonen aus dem Ausland ist die fachliche, betriebliche und soziale Integration unerlässlich. Die neue Sprache, die fremde Kultur, aber auch ein oftmals anderes Pflegeverständnis stellen die neuen Beschäftigten – wie auch die bestehenden Teams in den Betrieben – vor besondere Herausforderungen.
Hier unterstützt die BGW mit dem Training „Interkulturelles Team – Pflege“. Das Training verbindet die Vermittlung interkultureller Kompetenzen mit Aspekten und Strukturen des betrieblichen Arbeitsschutzes. Damit leistet es einen sinnvollen Beitrag zum betrieblichen Integrationsprozess. Das Training ist zunächst auf die Pflegebranche ausgerichtet, die perspektivische Ausweitung auf andere Branchen ist angedacht.
Weiterführende Informationen zum Training finden Sie auf: www.bgw-online.de/pflege-interkulturell