Schulsportinitiative von KMK und DGUV – Start in die zweite Umsetzungsphase

Mit der Schulsportinitiative haben sich die Kommission Sport der Kultusministerkonferenz (KMK) und die DGUV erstmals auf eine konzertierte langfristige Initiative zur Prävention im Schulsport verständigt. Der Beitrag gibt einen Rückblick auf Maßnahmen der ersten Phase bis 2022 sowie einen Ausblick auf die kommende Phase.

Entwicklung einer neuen Präventionskultur im Schulsport

Im Januar 2019 starteten die Kommission Sport der KMK und die DGUV gemeinsam die Schulsportinitiative "Sicherheit und Gesundheit im und durch Schulsport" (kurz: SuGiS). Ziel der Initiative ist die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit des Schulsports aufgrund der seit Jahren hohen Unfallzahlen. Auf der einen Seite soll der präventive und gesundheitsförderliche Gehalt des schulischen Sports gestärkt werden, ohne auf der anderen Seite den für Kinder immanent wichtigen Bildungs- und Erlebniswert zu beschränken. Denn durch Sport, Spiel und Bewegung lernen Kinder und Jugendliche Risiken und Wagnisse unmittelbar kennen und bauen zugleich eine Risikokompetenz auf.[1]

Geplant ist die Schulsportinitiative für eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren; sie ist in drei Phasen aufgeteilt. Die Einzelmaßnahmen innerhalb jeder Phase, die sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene umgesetzt werden, sind unterschiedlichen Arbeitspaketen (AP) zugeordnet:

  • AP "Programmatik und Rahmenbedingungen"
  • AP "Schulmanagement und Schulentwicklung: Schulsport als lernende Organisation"
  • AP "Qualifikation und Personalentwicklung: Professionswissen und berufliche Kompetenz"
  • AP "Selbstevaluation und Unterrichtsentwicklung: Qualitätsmanagement durch Selbstevaluation"
  • AP "Arbeitsmaterialien und Wissenstransfer"

Sicherheit und Gesundheit sollen durch die Schulsportinitiative als handlungsleitende Werte sowohl in das praktische Handeln und Verhalten der Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern vor Ort als auch in die programmatischen und strukturellen Grundlagen (zum Beispiel Lehrpläne oder curriculare Vorgaben) integriert werden. Damit soll eine nachhaltige Kultur der Prävention im und durch den Schulsport etabliert werden.

Hohe Unfallzahlen im Bereich Bewegung, Spiel und Sport

Von den insgesamt jährlich gemeldeten 558.00 Unfällen an allgemein und berufsbildenden Schulen sind nach wie vor 34 Prozent auf Schulsportunfälle zurückzuführen (siehe Abbildung 1).
Die Rentenfälle, die sich aufgrund von Unfällen im Schulsport ereignen, belaufen sich an allgemeinbildenden Schulen sogar auf knapp 60 Prozent (siehe Abbildung 2). Im Berichtsjahr 2020 hat sich zudem etwa jeder zweite Schulsportunfall bei den Ballsportarten ereignet. Auch bei den neuen Unfallrenten liegt diese Sportart als Unfallschwerpunkt vorn (siehe Abbildungen 3 und 4). Daher liegt ein besonderer Schwerpunkt der Initiative auf den großen Sportspielen (unter anderem Handball, Fußball, Basketball, Volleyball), da diese ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aufweisen.

Unfälle an allgemein- und berufsbildenden Schulen 2020 in Prozent | © DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 1: Unfälle an allgemein- und berufsbildenden Schulen im Berichtsjahr 2020 in Prozent: allgemeinbildende Schulen N = 516.511, berufsbildende Schulen N = 41.536 ©DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Neue Schülerunfallrenten an allgemein- und berufsbildenden Schulen 2020 in Prozent | © DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 2: Neue Schülerunfallrenten an allgemein- und berufsbildenden Schulen im Berichtsjahr 2020 in Prozent: allgemeinbildende Schulen N = 519, berufsbildende Schulen N = 227 ©DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Schulsportunfälle nach Sportart 2020 an allgemein- und  berufsbildenden Schulen in Prozent | © DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 3: Schulsportunfälle nach Sportart im Berichtsjahr 2020 an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Prozent ©DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
 Meldepflichtige Unfälle in den Ballsportarten im Jahresverlauf an allgemein- und berufsbildenden Schulen | © DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 4: Meldepflichtige Unfälle in den Ballsportarten im Jahresverlauf an allgemein- und berufsbildenden Schulen ©DGUV-Statistik / Grafik: kleonstudio.com

Rückblick auf Phase 1 – was wurde bis jetzt erreicht?

In Phase eins in der Zeit von 2019 bis 2021 wurden insgesamt acht Maßnahmen geplant und koordiniert. Hierzu wurde bereits in den Ausgaben 11/2019 und 4/2021 des DGUV Forums berichtet. Nachstehend werden anhand der im Vorfeld genannten AP sechs umgesetzte oder noch laufende Maßnahmen der ersten Phase skizziert.

Bezogen auf das AP "Arbeitsmaterialien und Wissenstransfer" wurden zwei DGUV Informationen veröffentlicht:

Zu dem AP "Qualifikation und Personalentwicklung: Professionswissen und berufliche Kompetenz" wurden zwei zurzeit noch laufende Forschungsprojekte initiiert:

  • In dem Forschungsprojekt "Psychosoziale Gesundheit im Sportunterricht" sind drei Teilstudien geplant mit Fokus auf verunsichernde Situationen im Sportunterricht und ihre gesundheitsgefährdenden Handlungsstrukturen; auf den Umgang mit und die Folgen der gesundheitsbeeinträchtigenden Situationen im Sportunterricht; sowie auf die biografische Wirkmacht und fallspezifische Verarbeitung von Gesundheitsgefahren des Sportunterrichts.
  • Das Forschungsprojekt "Digitale Lehr-Lern-Szenarien zur Unfallprävention im Schulsport – Ein Präventionsprojekt zur Weiterentwicklung der Sportlehrerbildung" setzt sich zusammen aus der Analyse von Vermittlungspraktiken und -kulturen sicherheitsbezogener Kenntnisse, Maßnahmen und Verhaltensregeln des Schulsports in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung; der Konzeption und Erstellung von Legevideos zur Unterstützung des Erwerbs unfallpräventiver Kompetenzen; sowie der Konzeption und Entwicklung eines webbasierten Selbstlernkurses.

Bezogen auf das AP "Selbstevaluation und Unterrichtsentwicklung – Qualitätsmanagement durch Selbstevaluation" wurde die Maßnahme "Digitalisierte Selbstevaluation des schulsportlichen Unfallgeschehens auf Basis der Schulsoftware" geplant, die als Pilotprojekt vom Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zusammen mit der Unfallkasse Brandenburg umgesetzt werden soll.

Zu dem AP "Schulmanagement und Schulentwicklung: Schulsport als lernende Organisation" wurde die KMK-BZgA[2]-DGUV-Fachtagung "Prävention und Gesundheitsförderung in Schulen" mit dem Schwerpunkt „Sport, Spiel und Bewegung“ geplant. Aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie musste jedoch die als Präsenzveranstaltung angesetzte Fachtagung in die zweite Phase von SuGiS ab 2022 verschoben werden. Zwei weitere Maßnahmen des AP konnten pandemiebedingt ebenfalls noch nicht abgeschlossen werden:

  • Erarbeitung eines Seminars zum Thema „Bewegung – Lernen – Gesundheit“, das Schulleitungen bei der Umsetzung des Konzeptes der Bewegten Schule unterstützt
  • Entwicklung von Materialien zum Thema „Salutogenes Leitungshandeln“ für die Umsetzung auf Länderebene

Ausblick auf Phase 2 – welche Maßnahmen sind geplant?

Mit Beginn des Jahres 2022 startete die zweite Phase von SuGiS. Sie wird voraussichtlich bis zum Jahr 2024 andauern. Neben einzelnen Maßnahmen aus Phase eins, die aufgrund der Pandemie verschoben werden mussten, kommen insgesamt vier weitere neue Maßnahmen (Tabelle 1) dazu, die den existierenden AP zugeordnet sind. Die für die zweite Phase geplanten Maßnahmen wurden von der Konferenz der Präventionsleiterinnen und Präventionsleiter der DGUV, der Kommission Sport der KMK sowie den Mitgliedern des 33. KMK-LASI[3]-DGUV-Spitzengesprächs befürwortet.

Schulsportinitiative von KMK und DGUV – geplante Maßnahmen 2022-2024 | © KMK (Kommission Sport), DGUV
Tabelle 1: Übersicht zu den geplanten Maßnahmen der Schulsportinitiative in Phase 2 (2022–2024) ©KMK (Kommission Sport), DGUV

Sicher spielen können – eine Maßnahme in Phase 2

Wie bereits erwähnt, schenkt die Prävention den großen Sportspielen – unter anderem Handball, Fußball, Basketball, Volleyball – aufgrund der Unfallhäufigkeit und des Unfallrisikos ein besonderes Augenmerk. Ebenso besitzt das "Spielenkönnen" einen hohen fachlichen Stellenwert und bringt positive Gesundheitseffekte für die Schülerinnen und Schüler mit sich.

In den curricularen Materialien für den Schulsport wird dem "Spielenkönnen" im Rahmen der Entwicklungsförderung ein besonderer Schwerpunkt eingeräumt. Das Spielen in unterschiedlichen Formen (zum Beispiel kleine Spiele, Sportspiele, vielfältige Korbwurf-, Torschuss- oder Rückschlagspiele) und methodischen Formaten (zum Beispiel Spielreihen) gehört zum inhaltlichen Kern von Sportunterricht und Schulsport in allen Schulformen und Klassenstufen. Das regelgebundene Spielen, also das Verstehen der Spielgedanken, das Vereinbaren, Verändern und Einhalten von Regeln, enthält ein großes pädagogisches Potenzial.

Das Bewegungsfeld "Spielen" erfreut sich großer Beliebtheit bei den Schülerinnen und Schülern und ist zugleich erzieherisch bedeutsam. Faires Verhalten, der Umgang mit Sieg und Niederlage sowie das Erfahren, das Aushalten und der tolerante Umgang mit Unterschieden begründen den besonderen pädagogischen Status dieses Bewegungsfeldes. Darüber hinaus besitzt das "Spielenkönnen" positive Effekte für die Gesundheitsförderung und bietet eine hohe Freizeitrelevanz. Zugleich hat Spielen eine besondere Bedeutung für die fachliche, soziale und personale Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Diese beruht sowohl auf dem Erwerb sozialer Fähigkeiten und Fertigkeiten als auch auf dem lebenslangen Nutzen einer Teilhabe an der Spielkultur. Dies schließt den Erwerb wichtiger sensomotorischer und taktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten für aktuelle und künftige Anforderungen in Schule, Beruf, Verkehr und Alltagsleben mit ein. Die hohe erzieherische und bildende Relevanz spielbezogener Inhaltsbereiche des Schulsports steht jedoch in deutlichem Widerspruch zum herausragenden Anteil, den die großen Ballsportarten jedes Jahr am schulischen und insbesondere schulsportlichen Unfallgeschehen haben.

Daher hat sich die Steuerungsgruppe der Schulsportinitiative dafür entschieden, eine konkrete Maßnahme zum Konzept "Sicher spielen können" in die zweite Umsetzungsphase mit aufzunehmen und zu planen. Als SuGiS-Schwerpunktmaßnahme, die den Arbeitspaketen "Arbeitsmaterialien und Wissenstransfer" und "Schulmanagement und Schulentwicklung: Schulsport als lernende Organisation" zugeordnet ist, werden folgende Zielstellungen verfolgt:

  • Entwicklung eines wirksamen und zeitgemäßen Präventionskonzeptes "Sicher spielen können",
  • Erarbeitung eines innovativen, kompetenzorientierten, unfallpräventiven und sicherheitsförderlichen Lehr-Lern-Konzeptes "Sicher spielen können" (Niveaustufenkonzept) für die Schule und
  • Empfehlungen für die Lehramtsstudiengänge in Verbindung mit Schulsport.

Es wurde eine Projektgruppe mit Beteiligung der Kommission Sport der KMK, der großen Ballsportfachverbände, des Deutschen Sportlehrerverbandes (DSLV), der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) und der gesetzlichen Unfallversicherung (Sachgebiet "Allgemeinbildende Schulen" sowie Vertretungen einzelner Unfallversicherungsträger) eingerichtet, um gemeinsam bis 2024 an der Erfüllung der oben genannten Ziele zu arbeiten.

Erfahrungsaustausch und regelmäßige Netzwerkarbeit

Um eine nachhaltige Präventionskultur zu etablieren, müssen die einzelnen Maßnahmen der Schulsportinitiative auch alle Bereiche des Systems "Schule" abbilden beziehungsweise aufgreifen. Hierunter zählen zum Beispiel Rahmenbedingungen, Schulmanagement, Schulentwicklung, Qualifikation, Unterricht, Arbeitsmaterialien – die sich in den zuvor genannten Arbeitspaketen widerspiegeln. Ebenso sind in Zukunft unter anderem auch Themen wie der Ganztagsanspruch (mit multiprofessionellen Bedarfen und Arbeitsstrukturen) oder die Digitalisierung innerhalb der Schulsportinitiative SuGiS zu berücksichtigen.

Entscheidend für den Erfolg der SuGiS-Initiative und somit für die Entwicklung einer nachhaltigen Präventionskultur ist darüber hinaus die gute Zusammenarbeit und Akzeptanz aller Akteurinnen und Akteure in der Lebenswelt Schule auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene (zum Beispiel Schulleitungen, Schulträger, Schulministerien, Unfallversicherungsträger, Dachorganisationen).

Ein Beispiel für gelungene Netzwerkarbeit sind die regelmäßigen Veranstaltungen zum Erfahrungsaustausch zwischen den SuGiS-Ansprechpersonen der Ministerien und der Unfallversicherungsträger sowie den Mitgliedern der Steuerungsgruppe. Die SuGiS-Ansprechpersonen sind das direkte Bindeglied zwischen der Steuerungsgruppe auf Bundesebene und der Umsetzungsebene auf Landesebene. Im Rahmen der Initiative werden so bestehende Netzwerke gepflegt und neue Netzwerke beziehungsweise Anknüpfungspunkte für eine sichere und gesunde Schulsportkultur aufgebaut. Der nächste Erfahrungsaustausch ist für Anfang des Jahres 2023 geplant. Er wird die Maßnahmen der zweiten Phase sowie die Unterstützungsbedarfe der Länder in den Fokus stellen. Ebenso wird die KMK-BZgA-DGUV-Fachtagung "Prävention und Gesundheitsförderung in Schulen – Sport, Spiel und Bewegung", die für den 21./22. März 2023 in Dresden geplant ist, die fachpolitischen Akteure und Entscheidungsträger zusammenbringen.