Versicherungsschutz für Blutspendende
Für medizinische Studien, die nicht der Arzneimittelzulassung dienen, ist der Abschluss einer Probanden- oder Wegeunfallversicherung möglich, aber nicht vorgeschrieben. In den Patienteninformationen findet sich daher regelmäßig der Hinweis auf einen „gegebenenfalls bestehenden“ gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für die Blutspende zum Zweck der medizinischen Forschung.
§ Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 13b Alt. 1 SGB VII für „Blutspenden zu Forschungszwecken“
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13b Alt. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Personen, die Blut spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden, kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die Vorschrift ist Nachfolger einer Regelung der Reichsversicherungsordnung (RVO) aus dem Jahr 1942. Danach war die Blutspende nach § 537 Nr. 5 RVO zunächst als „Sonderfall“[1] der Rettung aus Lebensgefahr oder der Hilfeleistung bei Unglücksfällen konzipiert und nur bei Unentgeltlichkeit oder bei Vorliegen eines amtlichen Blutspendeausweises versichert.[2] Diese beiden Voraussetzungen wurden jedoch noch im selben Jahr zugunsten von Personen, die „zu Blutspenden herangezogen werden“[3], aufgegeben. Mit dieser Erweiterung sollten unter anderem auch vergütete Blutspenden in den Versicherungsschutz einbezogen werden, die der Gewinnung von menschlichem Rekonvaleszentenserum zur Behandlung von Poliomyelitis dienten.[4] Bereits an dieser Stelle wird eine Ausweitung des Blutspendebegriffs deutlich, der über die Entnahme zur reinen Blutersatztherapie hinaus auch den Zweck der Antikörpergewinnung oder Arzneimittelherstellung umfasst. Bei der Überführung der – zwischenzeitlich in § 539 Nr. 10 RVO angesiedelten –[5] Vorschrift in das SGB VII wurde die Zuständigkeit auf den „Unfallversicherungsträger [übertragen], der für das Unternehmen zuständig ist, das die Maßnahme zur Gewinnung von Blut oder Gewebe durchführt (§ 133 Abs. 1 SGB VII)“[6]. Hintergrund dieser Anpassung war der Umstand, dass Blutspenden auch „von Unternehmen der Pharmaindustrie entnommen werden, […] die zum Teil [mit einer] kommerziellen Nutzung der Spenden“[7] verbunden sind. Eine Verwendung zur Herstellung von Arzneimitteln – und damit implizit auch zu der zwangsläufig vorgelagerten Forschung – war daher spätestens seit diesem Zeitpunkt im Gesetz angelegt.[8]
Bereits im Jahr 1984 hatte sich auch das Bundessozialgericht (BSG) zur Reichweite des Blutspendebegriffs im Kontext einer von einem gewerblichen Anbieter durchgeführten Plasmapherese geäußert: „Unabhängig davon, ob ein gewerbliches oder ein nicht gewerbliches Unternehmen gespendetes Blut entgegennimmt, um daraus nach Aufbereitung oder nur aus Teilen des Blutes Heilmittel für andere Menschen herzustellen, verdient der Blutspender gleichermaßen, im Falle eines damit zusammenhängenden Unfalls geschützt zu werden.“[9] Diese Entscheidung wird in der Literatur als Beleg für eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf rein forschungsbezogene Blutspenden herangezogen,[10] obwohl sich das Gericht dazu nicht explizit geäußert hat.
Die Gegenauffassung verweist dagegen auf den auch bei einer Weiterverarbeitung letztlich erfolgenden Transfer der Spende auf einen Dritten, der bei der Nutzung allein zu Forschungszwecken nicht stattfindet.[11] Nach vorherrschender Auffassung im Schrifttum sei allerdings auf das – in den Gesetzesmaterialien verankerte –[12] Handeln des Spenders im öffentlichen Interesse abzustellen, das bei der Verwendung zu Forschungszwecken ebenfalls gegeben ist. Diese Ansicht überzeugt,[13] schließlich ist auch dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 13b Alt. 1 SGB VII keine Beschränkung auf Spenden zu entnehmen, die auf einen Empfänger transferiert werden.[14] Allenfalls Eigenblutspenden[15] ließen sich auf diese Weise ausschließen.
Darüber hinaus rückt der Empfänger bei einer Blutspende im klassischen Sinne eigentlich nur als repräsentativer „‚Adressat des Tätigkeitsnutzens‘ an die Stelle der [von § 2 Abs. 1 Nr. 13b Alt. 1 SGB VII adressierten] Allgemeinheit“[16], während bei einer Verwendung zu Forschungszwecken der Gemeinnutzen sogar noch deutlich stärker hervortritt. Ein gegebenenfalls konkurrierender (Individual-)Nutzen der forschenden Einrichtung erweist sich dabei versicherungsrechtlich als „unschädlich“, schließlich kann auch die klassische Blutspende im Rahmen einer wirtschaftlichen[17] Tätigkeit der entnehmenden Institution erfolgen. Er wird zudem durch die Zuständigkeit des für das Unternehmen verantwortlichen Versicherungsträgers nach den §§ 136 Abs. 3 Nr. 1, 133 Abs. 1 SGB VII zumindest mittelbar auch ökonomisch kompensiert. Zutreffend ging daher auch der damalige Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (seit 2007: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV) bereits in einem Rundschreiben aus dem Jahr 1999 davon aus, dass ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII besteht, „soweit im Rahmen des Forschungsprojektes Blutproben entnommen werden“[18].
Die Inhalte dieser Rechtskolumne stellen allein die Einschätzungen des Autors/der Autorin dar.