Nachrichten aus Brüssel

Nachrichten aus Brüssel | © stock.adobe.com/somartin
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Für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union (EU) ist es eine große Bereicherung, dort zu leben, zu arbeiten und zu wohnen, wo sie möchten, egal in welchem Land der EU. Es überrascht deshalb nicht, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen dazu entschlossen haben, einer Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nachzugehen.

Wichtig ist hier, dass die Betroffenen ihre Ansprüche auf Sozialleistungen nicht einbüßen. Dafür hat Europa gesorgt. Die Verordnung zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme enthält hierzu konkrete Regelungen. Seit vielen Jahren tauschen die Sozialversicherungsinstitutionen aus verschiedenen Ländern die relevanten Informationen aus, um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Um den Datenaustausch zwischen den rund 15.000 europäischen Sozialversicherungsträgern zu vereinfachen, startete die EU 2007 ein Projekt zum elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten (EESSI).

Zum Einsatz kommt dabei vielfach „RINA“. Die Abkürzung steht für „Reference Implementation for a National Application“ und bezeichnet eine Fachanwendung mit eigener Benutzungsoberfläche. Sie soll die EESSI-Anbindung in den Mitgliedstaaten erleichtern und beschleunigen. RINA wurde von der Kommission entwickelt mit dem Ziel, auch solche Länder zu unterstützen, die nicht die Ressourcen haben, eine eigene Anwendung zu entwickeln. In der gesetzlichen Unfallversicherung wird RINA aktuell noch genutzt. Die Entwicklung einer eigenen Anwendung für die Deutsche Verbindungsstelle Unfallversicherung – Ausland (DVUA) ist in Arbeit. In der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung arbeitet man bereits mit eigenen Anwendungen. RINA ist für kleine Fallzahlen konzipiert worden und eignet sich damit für große Institutionen mit hoher Kommunikationsdichte nur bedingt.

Obwohl EESSI noch nicht in allen Ländern richtig läuft – der erste strukturierte elektronische Austausch erfolgte im Januar 2019 –, hat die Europäische Kommission im Januar 2020 mitgeteilt, dass sie die Weiterentwicklung und Pflege von RINA im Juli dieses Jahres in die Verantwortung der Mitgliedstaaten geben möchte. Die beteiligten Staaten beziehungsweise Sozialversicherungseinrichtungen müssen dann die Finanzierung und die Weiterentwicklung dieser Anwendung selbst übernehmen. Darauf sind viele überhaupt nicht vorbereitet, zumal die Entscheidung der Kommission zu einem Zeitpunkt kommt, zu dem sich noch viele Mitgliedstaaten in der Implementierungsphase befinden. Eine Übergabe an die Mitgliedstaaten zum geplanten Zeitpunkt stellt eine solch enorme technische und finanzielle Herausforderung dar, dass der elektronische Austausch von Sozialversicherungsinformationen und das gesamte EESSI-Projekt nachhaltig gefährdet werden könnten. Auch Einrichtungen, die in der EESSI-Praxis anstelle der RINA eine eigene Anwendung nutzen, sind betroffen. Denn ihnen wird die Abstimmung auf ein gemeinsames Datenmodell mit einem neuen RINA-Betreiber erschwert. Partnerinstitutionen für den elektronischen Datenaustausch gehen verloren, sobald sich diese aus wirtschaftlichen Gründen aus dem EESSI-Verbund verabschieden.

Die Haltung der Europäischen Kommission ist nicht nachvollziehbar, eine Reihe von Mitgliedstaaten, Europaabgeordnete sowie der Dachverband der europäischen Sozialversicherungsorganisationen (ESIP) haben deswegen zu Recht der Europäischen Kommission mehrfach deutlich gemacht, welche Konsequenzen drohen. Die Brüsseler Behörde hat daraufhin signalisiert, die Pflege von RINA bis längstens Ende 2021 aufrechtzuerhalten. Sie zeigt sich damit nur wenig flexibel und scheint aktuell nicht gewillt zu sein, von ihrer Position abzuweichen. Das wird nicht reichen, zumal RINA selbst noch fehlerbehaftet ist. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Kommission nachliefern wird.