Nachhaltigkeit und Klimaneutralität in Zeiten von Energiekrise und Inflation – Widerspruch oder Chance?

Die DGUV möchte mit gutem Beispiel vorangehen und setzt sich daher intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität auseinander. Dabei orientiert sie sich am Maßnahmenprogramm des Bundes mit seinen zehn Themenfeldern. Darüber hinaus möchte sie den Austausch der Unfallversicherungsträger untereinander fördern und diese unterstützen.

Mit dem Thema Nachhaltigkeit hat sich die DGUV bereits sehr früh im Kontext ihres Strategiebildungsprozesses im Jahr 2019 befasst. Auch in den Belegschaftsdiskussionen zur Vorstellung der „Strategie 2029“ wurde Nachhaltigkeit thematisiert. Die Beschäftigten waren sich einig, dass das Thema innerhalb der DGUV noch stärker berücksichtigt und mit konkreten Maßnahmen unterfüttert werden sollte. In der strategischen Perspektive „Prozesse und Organisation“ hat die DGUV die Zielvorgabe verankert, das Prinzip der Nachhaltigkeit in all ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. 2021 wurde die Initiative Nachhaltigkeit der DGUV gegründet, in der sich sowohl Personen der Hauptabteilungen einbringen als auch die Institute der DGUV.

Seitdem ist einiges passiert. Vor allem die Hauptabteilungen Verwaltung, Finanzen, Bauen (VFB) und Personal (PERS) sowie das Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) haben sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und zunächst einmal eine Analyse der eigenen Prozesse im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorgenommen. Orientierung bot hier das Programm der Bundesregierung „Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen“ mit seinen zehn Bereichen:

  1. Klimaneutrale Verwaltung bis 2030
  2. Bau, Sanierung und Betrieb der Liegenschaften
  3. Mobilität
  4. Beschaffung
  5. Veranstaltungen
  6. Gemeinschaftsverpflegung
  7. Fortbildungen für nachhaltige Entwicklung
  8. Gesundheit
  9. Teilhabe an Führungspositionen & Vereinbarkeit von Pflegeaufgaben und Beruf
  10. Diversität

Diese Themenfelder hat sich die Initiative Nachhaltigkeit nach ihren eigenen Kernaufgaben aufgeteilt. So liegen die Themen klimaneutrale Verwaltung, Bau, Sanierung, Betrieb der Liegenschaften sowie Beschaffung in der Hauptabteilung VFB, Sensibilisierung, Netzwerken, Veranstaltungen, Verpflegung und Qualifizierung für nachhaltige Entwicklung eher beim IAG und die Themen Personalmanagement, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen, Diversität, Dienstreisen und Jobtickets bei PERS. Es gibt aber auch Querschnittsthemen wie Gesundheit und Führung oder Mobilität. Ganz so strikt sind die Themen also nicht voneinander abzugrenzen.

Wie ist der aktuelle Stand in den einzelnen Bereichen?

Wie nachhaltig sind die Prozesse der DGUV gemessen am Maßnahmenprogramm der Bundesregierung? An vielen Stellen ist die DGUV deutlich weiter, als dies das Nachhaltigkeitsprogramm des Bundes vorschreibt, bei anderen Bereichen wird noch geprüft, inwieweit die Vorschläge des Bundes für die DGUV umsetzbar sind. Generell kann gesagt werden, dass die DGUV mit ihrem Kerngeschäft Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit direkt zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen beiträgt, so zum Beispiel zu Ziel 3 „Gesundheit und Wohlbefinden“, zu Ziel 4 „Hochwertige Bildung“, zu Ziel 8 „Menschenwürdige Arbeit“, aber natürlich auch zu Ziel 17 durch ihre Vielzahl an nationalen und internationalen Partnerschaften. Auch zu anderen Zielen trägt die DGUV bei (vergleiche Abbildung 1). Potenzial gibt es im Ressourcenverbrauch, ein Bereich, der dann eher mit den Zielen 12 „Nachhaltiger Konsum“ oder Ziel 13 „Klimaschutz“ zusammenhängt. Auch im Maßnahmenprogramm werden die ressourcenintensivsten Themen wie Bau, Sanierung, Betrieb der Liegenschaften und Mobilität gemeinsam mit dem Ziel einer klimaneutralen Bundesverwaltung mit als Erstes benannt.

Abbildung 1: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen | © 2021 ENGAGEMENT GLOBAL
Abbildung 1: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ©2021 ENGAGEMENT GLOBAL

Das Thema Bauen und Infrastruktur vertieft die DGUV aktuell ganz erheblich unter Aspekten der Nachhaltigkeit. Grundsätze wie der Vorrang der Sanierung vor der Errichtung von Neubauten und, wo dies möglich ist, die Einführung von Zertifizierungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) sowie die Verwendung von möglichst „gesunden“ und nachhaltigen Baustoffen, sind der DGUV schon seit Langem ein Anliegen. Der Standort Berlin war hierfür bereits 2015 mit der DGNB-Zertifizierung „Platin“ ein Pilotprojekt und wird als Niedrigenergiegebäude betrieben.

Welche Herausforderungen gibt es für die DGUV?

Im Jahr 2022 kam es infolge des Ukrainekrieges zu einer Krise der Energieversorgung. Ein solches Szenario wurde bis dahin für undenkbar gehalten und hatte Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. Maßnahmen wie die kurzfristige und mittelfristige Energieeinsparverordnung (EnEV) des Bundes beschäftigten die DGUV dabei in der Umsetzung ganz erheblich.

Seit Mitte des Jahres 2022 setzt sich die DGUV damit auseinander, wie angesichts massiv gestiegener Energiekosten, Störungen der Lieferketten und inflationsbedingter Mehrkosten in nahezu allen Haushaltsansätzen weiter mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität umgegangen werden kann. Aktuell wird der Ansatz vertieft, dass sich aus den Krisen des Jahres 2022 auch Chancen für die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz ergeben können. Ausgehend von der These, dass die wirksamste Maßnahme der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes die Verringerung von Emissionen sind, bündelt die DGUV ihre Überlegungen dahin gehend, den eigenen Verbrauch an Energie und Arbeitsmitteln kritisch zu prüfen.

Der größte Emittent von CO2 ist ohne jeden Zweifel der Betrieb der Liegenschaften. Dabei wird es beispielsweise nicht gelingen, die Prozessenergie großer Forschungsinstitute auf null zu reduzieren, allerdings ist schon eine Verringerung der insgesamt notwendigen Energiebedarfe für alle Liegenschaften ein wesentlicher Erfolg. In einem ersten Schritt hat die DGUV daher Energie- und CO2-Bilanzen für alle Liegenschaften erhoben. Nun werden Maßnahmen konkretisiert, die den Energiebedarf dauerhaft senken sollen. Themen wie Müllvermeidung, Einführung eines Umweltmanagement- und Auditierungssystems (EMAS), die schon einige Unfallversicherungsträger erfolgreich umgesetzt haben, aber auch die konsequente und kritische Prüfung von Mengen und Individualität der Beschaffungsbedarfe im Einkauf dienen dabei sowohl der Nachhaltigkeit als auch der Umsetzung von Klimaschutzzielen.

In den Themenfeldern Fuhrpark und Einkauf versucht die DGUV, möglichst viele Vorgaben des Maßnahmenprogramms zu adaptieren. Dies gelingt leider aufgrund der massiven Lieferschwierigkeiten der Industrie vor allem bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen nur schleppend. Beim Thema Beschaffung wird in diesem Jahr der Schwerpunkt darauf gelegt werden, DGUV-übergreifende Standards für nachhaltige Beschaffungsvorgaben zu erarbeiten und verbindlich in Kraft zu setzen. Bereits 2019 wurde bei der Vergabe der Stromlieferverträge für die Unfallversicherungsträger und die DGUV für die Lieferperiode 2019 bis 2023 darauf Wert gelegt, 100 Prozent Ökostrom zu beschaffen. Ebenso wurde bei der Vergabe der Gaslieferverträge darauf geachtet, einen möglichst großen Biogasanteil im Vergabeverfahren durchzusetzen.

Einsparung von Ressourcen und ökonomische Nachhaltigkeit

Neu in der Betrachtungsweise der DGUV ist die Berücksichtigung dieser Maßnahmen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Je erfolgreicher die DGUV in der Reduktion ihrer Energiebedarfe im Liegenschaftsbetrieb ist, umso weniger Energie muss künftig eingekauft werden. Vor allem vor dem Hintergrund der ab April 2023 anstehenden Ausschreibung für die Stromlieferverträge der Unfallversicherungsträger und der DGUV wird sich dies durch geringere Bedarfsmengen möglicherweise bereits bezahlt machen. Die Betrachtung von CO2-Fußabdrücken in Kombination mit den Nachhaltigkeitsüberlegungen werden also konsequent mit dem Thema Wirtschaftlichkeit verknüpft, wo dies möglich und sinnvoll erscheint. Eine höhere und energetisch getriebene Investition in Sanierungsvorhaben macht sich bei den künftig zu erwartenden Energiepreisen bezahlt und unterstützt gleichzeitig die Erreichung der Klimaziele.

Im Themenfeld Mobilität kann die DGUV auf positive Entwicklungen unter Nachhaltigkeitsaspekten verweisen. Die Auswertung der Zahlen der auf Dienstreisen verwendeten Verkehrsmittel im Vergleich August bis Oktober 2019 mit August bis Oktober 2022 ergab eine deutliche Verlagerung des verwendeten Verkehrsmittels vom Flugzeug auf die Bahn. Im vergangenen Jahr wurde das Thema Nachhaltigkeit bei Dienstreisen als Genehmigungsgrundlage verankert. Mit dem Nachhaltigkeitszuschuss und dem Jobticket an einigen Standorten fördert die DGUV darüber hinaus die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Arbeitsweg. Der Standort Sankt Augustin wird in 2023 zum zweiten Mal in Folge am Mobilitätsprogramm Jobwärts teilnehmen, einer Initiative der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises zur Förderung der Mobilitätswende. Die Mehrzahl der Standorte der DGUV nimmt außerdem jedes Jahr bei der Aktion „Mit dem Rad zu Arbeit“ teil.

Auch beim Thema soziale Nachhaltigkeit konnte bereits einiges erreicht werden. Die Gesamtbetriebsvereinbarung „Flexibles Arbeiten“ ermöglicht den Beschäftigten nicht nur eine möglichst flexible Einteilung der Arbeitszeit, sondern beinhaltet darüber hinaus eine großzügige Regelung hinsichtlich des mobilen Arbeitens. Sie wird im zweiten Halbjahr 2023 evaluiert und weiterentwickelt werden, um weiterhin flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten und sozialverträgliche Arbeitszeiten anbieten zu können. Auch das Angebot an hybriden Sitzungsformaten und digitalen Schulungen wird stetig erweitert. Im Zuge des gegenwärtig durchgeführten Providerwechsels stellt die DGUV ein neues Serviceportal mit erweiterten digitalen Angeboten für ihre Beschäftigten bereit. So gibt es beispielsweise nun die Möglichkeit, Dienstreisen papierlos zu beantragen und abrechnen zu können. Das Projekt der Einführung der digitalen Personalakte steht kurz vor dem Abschluss. Weiterhin ist im Themenbereich Diversität geplant, die Inklusionsvereinbarung zu verabschieden. Die Arbeitsgruppe Vielfalt wird dazu ein Konzept erarbeiten und veröffentlichen. Durch das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist die Zertifizierung der DGUV mit dem Deutschen Siegel Unternehmensgesundheit geplant.

Die Geschäftsprozesse zur Gemeinschaftsversorgung und für Veranstaltungen prüft und überarbeitet die DGUV ebenfalls kontinuierlich im Hinblick auf die geltenden Nachhaltigkeitskriterien (siehe auch der Artikel zu nachhaltigen Veranstaltungen in DGUV Forum 1/2022). So hat beispielsweise das IAG bereits ein nachhaltiges Restaurantkonzept erarbeitet und umgesetzt. Und auch für den Standort Sankt Augustin setzt die DGUV mit einem neuen Bistro-Konzept seit Anfang 2023 auf Klimaverträglichkeit und mehr Gesundheit.

Mit gutem Beispiel vorangehen und den Austausch fördern

Die DGUV möchte mit ihren Aktivitäten sowohl mit gutem Beispiel vorangehen als auch die Unfallversicherungsträger bei diesen Themen unterstützen. Daher wurden im vergangenen Jahr verschiedene Möglichkeiten des Austauschs und Netzwerkens angeboten. So fand beispielsweise im Herbst 2022 das erste Fachgespräch zum Thema Nachhaltigkeit für alle Unfallversicherungsträger unter der Schirmherrschaft des IAG statt. Das Interesse der Unfallversicherungsträger an dieser Online-Veranstaltung war groß. Am ersten Tag ging es thematisch um die Nachhaltigkeit in den eigenen Prozessen. Hier stellten verschiedene Unfallversicherungsträger ihre Ansätze vor, darunter die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) (siehe dazu den Artikel in DGUV Forum 1/2022), die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM, Artikel in dieser Ausgabe), die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG, Artikel in dieser Ausgabe) und die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI). Am zweiten Tag ging es um die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Präventionshandeln. Das Thema wurde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: aus Sicht einer Aufsichtsperson, eines Geschäftsführers einer Gießerei aus Sachsen, aus Sicht unserer Sachgebiete und Präventionsexpertinnen und -experten. Die Erkenntnisse aus dem Fachgespräch flossen in verschiedene Aktivitäten ein. So hat sich mittlerweile ein Stammtisch aller aktiven Unfallversicherungsträger gegründet und seit Ende vergangenen Jahres ist das Thema für alle Interessierten auch im UV-Net zu finden. Die Veranstaltung Zukunft der Arbeit (ZDA) fand im März 2023 ebenfalls unter dem Motto Nachhaltigkeit statt. Auf Wunsch der Unfallversicherungsträger wird es am 16. und 17. Mai 2023 ein zweites Fachgespräch als Präsenzveranstaltung in Dresden geben.

Abbildung 2: Programm des zweiten Fachgesprächs Nachhaltigkeit | © Quelle: IAG
Abbildung 2: Programm des zweiten Fachgesprächs Nachhaltigkeit ©Quelle: IAG

Bei diesem Fachgespräch wird es wieder um den Austausch und das Netzwerken gehen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich Anregungen und Impulse bei Fachleuten im Bereich Nachhaltigkeit aus der Praxis zu holen. Seit Beginn dieses Jahres arbeitet das IAG außerdem an einem Seminarkonzept zum Thema „Nachhaltigkeit, Klimawandel und Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz“ für Mitarbeitende der Präventionsdienste. Weiterhin sind auch kurzweilige Digital-Dialoge zum Thema geplant. Da der Campus in Dresden jährlich mehrere Tausend Gäste der Unfallversicherungsträger, Firmen und Betriebe beherbergt, besteht hier eine besondere Verpflichtung, in den Bereichen nachhaltiges Seminar- und Veranstaltungsmanagement, barrierefreies Hotel sowie gesunder Verpflegung mit gutem Beispiel voranzugehen.

Es ist der DGUV ein besonderes Anliegen, den Weg in die Nachhaltigkeit kontinuierlich und zügig weiterzugehen. Eine nachhaltigere Gestaltung der Unfallversicherung kann besser gelingen, wenn sich alle Beteiligten sinnvoll vernetzen und Synergien schaffen.