Allergene und Bioaerosole am Arbeitsplatz

Bioaerosole treten an vielen Arbeitsplätzen auf und sind Ursache vieler Berufskrankheiten. Immer bessere Nachweisverfahren machen eine erfolgreiche Prävention gegen diese Bioaerosole möglich. Einen großen Anteil daran hat das IPA und seine Forschung.

Staub ist nicht gleich Staub

Staub gibt es an zahlreichen Arbeitsplätzen und etwa jede achte erwerbstätige Person kommt damit in Berührung. Auch wenn Staub auf den ersten Blick vielfach harmlos erscheint, kann er die Gesundheit von Beschäftigten in verschiedenen Branchen und an vielen Arbeitsplätzen schädigen und die Ursache für viele Berufskrankheiten sein. Staub hat viele Facetten und je nach Herkunft und Zusammensetzung auch unterschiedliche Wirkungen. Die Erforschung organischer Stäube, auch Bioaerosole genannt, stellt seit vielen Jahren einen Schwerpunkt im IPA dar, der auf Initiative von oder gemeinsam mit den Unfallversicherungsträgern bearbeitet wird. Im Fokus stehen dabei die Wirkungsmechanismen von Stäuben und die Entwicklung von Methoden zum Nachweis der verschiedenen Bioaerosole und ihrer Bestandteile sowie deren Diagnostik.

Stäube wirken nicht nur irritativ-toxisch und infektiös, sondern auch sensibilisierend. Letzteres kann zu Allergien und insbesondere zu Atemwegsbeschwerden führen.

Eine diagnostische Herausforderung ist es, einen direkten Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beschwerden und der aktuell vorliegenden Exposition am Arbeitsplatz zu belegen. Um Präventionsmaßnahmen zur Expositionsreduktion messtechnisch überprüfen zu können, müssen in vielen Fällen neue Verfahren entwickelt und eingesetzt werden. Da Allergene häufig nur in Mikro- beziehungsweise Nanogrammkonzentrationen vorkommen, sind sehr sensitive immunologische Methoden erforderlich. Für jedes Allergen, das quantifiziert werden soll, muss deshalb ein spezieller Test in Form eines Immunoassays[1] aufgebaut und validiert werden.

Forschung für die betriebliche Praxis

Im Rahmen angewandter Forschungsprojekte zu Bioaerosolen greift das IPA Fragen aus der betrieblichen Praxis und den öffentlichen Bereichen auf und unterstützt damit die Unfallversicherungsträger bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. So müssen für zielgerichtete Präventionsmaßnahmen oder auch in Begutachtungsverfahren Allergene am Arbeitsplatz quantifiziert werden. Im Rahmen des Projekts „AllQuant“ analysiert das IPA für die Unfallversicherungsträger Arbeitsplatzproben hinsichtlich der Allergenbelastung. Genutzt wird das Angebot besonders zur Erfassung der „State of the Art“-Allergenbelastung unter anderem vor und nach der Einführung von technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Reduzierung von Allergenbelastungen. „Zusammen mit dem IPA bieten wir als Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) unseren versicherten Betrieben der forschenden Pharmaindustrie die Möglichkeit an, Allergenbelastung durch Labortiere messtechnisch zu erfassen“, erläutert Dr. Harald Wellhäußer, stellvertretender Präventionsleiter der BG RCI. „Gemeinsam mit den betroffenen Betrieben haben wir Arbeitsschutz- und Organisationsmaßnahmen erarbeitet, die Allergenbelastung reduzieren oder vermeiden, um zukünftig entsprechende Allergien zu verhindern. Dabei ging es in einigen Fällen darum, optimale Bedingungen in Hinsicht einer ‘Allergieprävention' für geplante Umbaumaßnahmen der bestehenden Einrichtungen herauszuarbeiten“, so Wellhäußer weiter. Neben der BG RCI wird dieses Angebot der Allergenquantifizierung besonders in Bereichen der Labortierhaltung von den Unfallkassen genutzt, die unter anderem universitäre Forschungseinrichtungen betreuen und im Rahmen der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen Allergenverschleppungen untersuchen.

Tierische Allergene in der Veterinärmedizin

Auch in der Veterinärmedizin und in der praktischen Ausbildung der Studierenden der Veterinärmedizin kommen Expositionen gegenüber verschiedenen Säugetierallergenen, Milbenallergenen sowie mikrobiellen Bestandteilen von Bioaerosolen vor. Insbesondere die Allergenexposition durch den Kontakt zu den tierischen Patienten stellt ein Risiko für eine Sensibilisierung und allergische Beschwerden dar.

Mit der Unfallkasse Hessen führt das IPA die „AllergoVet-Studie“ durch, eine Längsschnittstudie zum Einfluss von Expositionen auf die Entwicklung von Sensibilisierung und allergischen Beschwerden bei Personen, die ihr Studium der Veterinärmedizin beginnen. Neben den jährlichen medizinischen Untersuchungen der Studierenden, die aufgrund des Längsschnittcharakters der Studie – vom Studienbeginn bis zum Studienabschluss – noch nicht abgeschlossen sind, wurden Staubsammlungen zur Allergenquantifizierung auf dem Campus des Fachbereichs Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) sowie auf einem Versuchsgut der JLU durchgeführt.

„Die höchsten Konzentrationen der Hauptallergene von Katzen, Hunden, Pferden und Rindern konnten dort gemessen werden, wo die Tiere behandelt werden, beziehungsweise in den Ställen, in denen sie untergebracht sind. Aufgrund der im IPA eingesetzten sensitiven Quantifizierungsmethoden konnten auch die jeweiligen Tierallergene in Sozialräumen nachgewiesen werden, allerdings in deutlich geringerer Konzentration, sodass wir von einer Verschleppung der Allergene, zum Beispiel durch Kleidung, ausgehen können“, so Ingrid Thullner, Aufsichtsperson und frühere Leiterin der Messstelle „Gefahrstoffe“ der Unfallkasse Hessen und eine Initiatorin der Studie.

Auf Initiative der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) führt das IPA die „AllergoMed-Studie“ zur Allergieprävalenz und Allergenexposition unter tiermedizinischen Fachangestellten (TFA) durch. Erste Ergebnisse der vergleichenden Expositionsmessungen zwischen den Praxen und den Wohnungen der Beschäftigten zeigten, dass bei Beschäftigten, die selbst ein Tier halten beziehungsweise privat Kontakt zu Tieren haben, die Allergenexposition zu Hause höher ist als am Arbeitsplatz. Interessanterweise waren in den Praxen, in denen nachweislich nur Kleintiere behandelt wurden, Pferdeallergene weitverbreitet, sodass man hier von einer Verschleppung des Allergens in die Praxis durch Beschäftigte oder die Klientel ausgehen kann.

Neue Belastungen durch Bioaerosole frühzeitig erkennen

Zukünftige Herausforderungen ergeben sich durch neue mikrobielle und allergene Expositionen an Arbeitsplätzen, die durch klima- beziehungsweise umweltbedingte Veränderungen ebenso wie durch modifizierte Verfahrensprozesse und neue Technologien auftreten können. So konnte zum Beispiel am IPA die serologische IgE-Diagnostik zum Nachweis einer Holzstaub- beziehungsweise Sensibilisierung gegen diverse Enzyme aufgebaut werden, die kommerziell nicht verfügbar sind. Auch mikrobielle Antigene stehen jetzt unter anderem für die Diagnostik einer beruflich erworbenen exogen allergischen Alveolitis (EAA) durch mikrobielle Kontamination in wassergemischten Kühlschmierstoffen zur Verfügung. Diese Aspekte müssen zukünftig noch stärker bei der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz berücksichtigt werden. So zeigt die aktuelle Pandemie, wie wichtig es ist, schnell und adäquat mithilfe von geeigneten Testsystemen den Immunstatus und damit die Schutzdauer vor einer Infektion oder erneuten Infektion nach Impfung von Beschäftigten an Arbeitsplätzen mit erhöhtem Infektionsrisiko zu überprüfen. Auch hier entwickelt und validiert das IPA quantitative Testsysteme zum Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2-Antigene, die in gemeinsamen Projekten mit den Unfallversicherungsträgern eingesetzt werden können.