Bericht der High-Level Group: Lücken beim Arbeitsschutz beheben
Das Miteinander und der soziale Zusammenhalt der Menschen in der Europäischen Union werden immer wieder auf die Probe gestellt – sei es durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die damit in Verbindung stehende hohe Inflation oder steigende Energiepreise. Die Sozialversicherungen in Europa stehen dabei vor großen Herausforderungen. Ihre Stärke erwächst aus ihren großen Versichertengemeinschaften. Sie sind in der Lage, Belastungen fair und gerecht zu verteilen und so unvorhersehbare Ereignisse abzumildern.
Aber auch vorhersehbare Ereignisse beeinflussen nachhaltig das Miteinander in Europa – und somit auch die Systeme der sozialen Sicherung. Die Europäische Kommission hat drei Megatrends identifiziert: den demografischen, den ökologischen und den digitalen Wandel. Verdeutlichen lässt sich das an einem Beispiel: Die Menschen werden immer älter, gleichzeitig sinkt die Geburtenrate in vielen europäischen Ländern. Wie kann mit Blick auf diese Entwicklungen der Generationenvertrag weiter aufrechterhalten werden? Wie können Menschen länger an einem Erwerbsleben teilhaben, das stark durch den digitalen Wandel beeinflusst wird?
Die Europäische Kommission hat deswegen bereits im vergangenen Jahr eine Expertengruppe – auch High-Level Group (HLG) genannt – eingesetzt, um europäische Antworten auf diese Fragen zu finden. Die Ergebnisse sollen insbesondere in die Weiterentwicklung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) einfließen, die mit ihren 20 Grundsätzen zu einem starken sozialen Europa beitragen soll.
Die HLG hat nach einem Jahr intensiver Arbeit nun einen Bericht mit Empfehlungen in Brüssel vorgestellt – diese betreffen auch den Arbeitsschutz: So hebt die HLG die Bedeutung eines gesunden und sicheren Arbeitsumfelds hervor. Dabei wird betont, dass gerade bei soloselbständig Beschäftigten sowie im häuslichen Arbeitsumfeld, wie im Fall von Homeoffice, noch große Lücken beim Arbeitsschutz bestehen.
Im Bericht wird zudem die Notwendigkeit unterstrichen, die Erwerbsbeteiligung Älterer zu erhöhen. Interessant ist, dass die HLG in diesem Zusammenhang keine Empfehlung für eine pauschale Erhöhung der Regelaltersgrenze vorschlägt – so wie es gerade Frankreich beschlossen hat. Vielmehr betont die HLG die Bedeutung integrativer Arbeitsmärkte, die Prävention und die Stärkung der beruflichen Rehabilitation. Dadurch sollen Menschen in die Lage versetzt werden, am Wandel der Arbeitswelt erfolgreich teilzuhaben.
Wie geht es nun weiter? Bei der Vorstellung des Berichts der HLG waren auch die Sozialminister Spaniens und Belgiens anwesend. Sie griffen die Ergebnisse auf und kündigten bereits an, diese mit in die politische Agenda der kommenden Ratspräsidentschaften einfließen zu lassen. Spanien wird ab diesem Juli die Ratspräsidentschaft innehaben, Belgien folgt nach sechs Monaten. Wir können also davon ausgehen, dass die Themen Arbeitsschutz, Prävention und berufliche Rehabilitation bei der Weiterentwicklung der ESSR auch weiterhin eine große Rolle spielen werden.