Arbeitsunfall beim Bedienen der häuslichen Heizungsanlage im Homeoffice

Unternehmensdienliche Verrichtungen wie das Hochfahren des Heizungstemperaturreglers im Homeoffice, um die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen, stehen auch dann im rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn sich eine private Gefahr, wie eine defekte häusliche Heizungsanlage, beim unfallbringenden Ereignis realisiert.

§ BSG, Urteil vom 21.03.2024 – B 2 U 14/21 R

Der zu dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) führende Sachverhalt eines sich beim Arbeiten im Homeoffice ereigneten Unfallgeschehens spielte sich am 23. April 2015 und damit lange vor Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Sozialgesetzbuch (SGB) VII durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14. Juni 2021 (BGBl. I S. 1762) ab. Er ließ in den Vorinstanzen zwei Fragen im Rahmen der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls beim Arbeiten im Homeoffice diskutieren:

  1. Beseitigt eine zugleich eigenwirtschaftliche Motivationslage wie das Erwärmen der Räume für den Privatgebrauch im Rahmen des Arbeitens im Homeoffice die zugleich unternehmensdienliche Handlungstendenz, die betriebliche Tätigkeit bei angenehmer Raumtemperatur fortzusetzen?
  2. Wird die Unfallkausalität, das heißt die Zurechnung der verrichteten Tätigkeit als Ursache für das unfallbringende Ereignis, dadurch beseitigt, dass zu seiner Entstehung eine aus den privaten Gegenständen herrührende Gefahr mitgewirkt hat?

Der Kläger hatte im zu beurteilenden Sachverhalt zufolge recht umfänglicher Ermittlungen beider Vorinstanzen seine versicherte Tätigkeit als Inhaber eines Busunternehmens im Wohnzimmer seines Privathauses unterbrochen, da die Raumtemperatur für den Aufenthalt und das Weiterarbeiten am Schreibtisch zu niedrig erschien. Als er den Temperaturregler der Heizungsanlage im Keller des Hauses hochdrehte, kam es wegen einer Störung innerhalb der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel, in deren Folge die Zugluftklappe der Kaminwand heraussprang und den Kläger im Gesicht traf.

Während das Sozialgericht (SG) nach seinen Ermittlungen noch eine zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens verrichtete Tätigkeit im Homeoffice für nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt hielt, kam das Landessozialgericht (LSG) zu dem Ergebnis, dass der Kläger vor dem Aufsuchen der Heizungsanlage im Keller tatsächlich der betrieblichen Tätigkeit nachgegangen war. Somit konnte der innere Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit im Homeoffice und der konkreten Verrichtung nur verneint werden, wenn die eigenwirtschaftliche Motivationslage (Beseitigung der Störung der häuslichen Heizungsanlage) objektiv überwogen und als verrichtungsbezogene Handlungstendenz ihr das Gepräge verliehen hätte. So wird es in der Kritik der Entscheidung des LSG für Tätigkeiten, die die Bewohnbarkeit des Hauses betreffen, auch gesehen (Römer, JurisPR-SozR 19/2021 Anmerkung 5, unter C.), da anderenfalls durch Tätigkeiten im Homeoffice eine Art „Betriebsbann“ entstehe, den es auch auf der Unternehmensstätte nicht gebe. Das LSG bejahte hier aber den inneren Zusammenhang: Eine Tätigkeit mit gemischter Handlungstendenz sei auch dann durch die betriebliche Motivation wesentlich geprägt, wenn eine private Motivationslage (hier Beheizung der gesamten Wohnung unter anderem auch für die aus der Schule zuvor abgeholten Kinder) nur mitbestimmend gewesen sei. Entscheidend sei in der Beantwortung der ersten Frage, dass auch bei Wegfall der privaten Motivation die betrieblichen Erfordernisse weiterhin das Bedienen der Heizung bedingt hätten. Damit hätten diese der Verrichtung auch ihr maßgebliches Gepräge gegeben.

Bei der Beantwortung der zweiten Frage nach der sogenannten Unfallkausalität, bei der geprüft wird, ob die konkrete Verrichtung als Ursache für das Unfallereignis gilt oder eine konkurrierende andere – nicht versicherte – Ursache das Unfallereignis rechtlich wesentlich bedingt habe, stellte das LSG noch entscheidend auf die Rechtsfigur der „eingebrachten Gefahr“ als ein die Zurechnung zum Unfall ausschließendes Risiko aus der privaten Lebenssphäre ab. Auch dieser Eingrenzung des Versicherungsschutzes tritt das BSG mit der hier noch nicht in seiner Begründung vorliegenden Entscheidung entgegen: Das angeführte Argument der Störung der Heizungsanlage als „eingebrachte Gefahr“ sei kein den Ursachenzusammenhang hinderndes Rechtsprinzip. Damit bezeichne man vielmehr unversicherte Ursachen, die der Wesentlichkeit versicherter Ursachen entgegenstünden. Bei unternehmensdienlichen Verrichtungen seien indes auch im Homeoffice die von privaten Gegenständen ausgehenden Gefahren versichert.

Das BSG hat mit der hier kommentierten Entscheidung die Fachwelt vermutlich überrascht. Wenn man allgemein noch davon ausgegangen ist, dass erst mit Inkrafttreten der Neufassung des § 8 SGB VII durch den angefügten Abs. 1 Satz 3 eine vollkommene Gleichwertigkeit des Unfallversicherungsschutzes im privaten häuslichen Bereich mit der Tätigkeit im Betrieb erreicht würde, stellt das BSG für den Bereich der Unfallkausalität bereits im Vorfeld fest, dass die eigene häusliche Umgebung den Unfallversicherungsschutz nicht schmälert. Eingebrachte Gefahren können dementsprechend nicht aus den substanzbedingten (baulichen oder technischen) Gefahren der privaten Wohnumgebung begründet werden. Dies hatte in früheren Entscheidungen, auf die das LSG in seiner Entscheidung verwiesen hatte, noch ganz anders geklungen: Das Argument, dass die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken grundsätzlich nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte zu verantworten habe, weil er kraft seiner Verfügungsmacht die der privaten Risikosphäre entspringenden Gefahren durch entsprechendes Verhalten weitgehend beseitigen beziehungsweise reduzieren könne, tritt das BSG entgegen. So wird schon im Terminbericht des BSG vom 21. März 2024[1] ausgeführt, dass die eingeschränkten Möglichkeiten zur präventiven, sicheren Gestaltung von häuslichen Arbeitsplätzen keine Einschränkungen des Versicherungsschutzes rechtfertigten. Der Versicherungsschutz und damit korrespondierend die Haftungsfreistellung seien auch nicht an eine erfolgreiche Prävention geknüpft.

Entscheidend für den Unfallversicherungsschutz bleibt auch in vergleichbaren Fällen, in denen sich ein häusliches Gefahrenrisiko realisiert, die betriebsbezogene Handlungstendenz bei der konkreten Verrichtung. Dafür wird es weiterhin im Einzelfall schwierig zu treffender Ermittlungen über innere Tatsachen bedürfen, die sich anhand des objektiven Geschehensablaufs nachvollziehen und bestätigen lassen müssen. Es wird nicht wenige geben, die sich klarere Abgrenzungen für den Versicherungsschutz im Homeoffice wünschen. Ob dies ausreicht, den Gesetzgeber auf den Plan zu rufen, dem es mit der erst vor drei Jahren eingeführten Neuregelung ersichtlich darum ging, der Lebenswirklichkeit unserer Arbeitswelt mit einer erwünschten Ausweitung des Versicherungsschutzes Rechnung zu tragen, erscheint zweifelhaft. Die Praxis bleibt vor nicht geringe Herausforderungen gestellt, jeweils im Einzelfall die Grenze zwischen versicherten Tätigkeiten im Homeoffice und solchen, die dem nicht versicherten privaten Lebensbereich zuzuordnen sind, zu ziehen. 

Die Inhalte dieser Rechtskolumne stellen allein die Einschätzungen des Autors/der Autorin dar.