„MindMatters wirkt gewaltpräventiv“
Die Unfallkasse Baden-Württemberg stellt das Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit allen Grundschulen des Bundeslandes zur Verfügung. Ein Gespräch über Einsatzmöglichkeiten und Feedback der Schulen.
Frau Bossinger-Fischer, was ist der Kern des MindMatters-Programms? Warum hat sich die Unfallkasse Baden-Württemberg entschlossen, es einzusetzen?
Bossinger-Fischer: MindMatters ist ein Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Schule. Es ist praxiserprobt, wird bundesweit eingesetzt und wissenschaftlich begleitet. Insbesondere während der Coronapandemie gab es wenig Raum an den Schulen, sich mit dem Wohlbefinden und der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zu beschäftigen. Unser Ziel ist es, den Schulen ein Angebot zu unterbreiten, wie sie diese Themen mit wenig Aufwand in den bestehenden Fachunterricht integrieren können, um die Gesundheit aller schulischen Akteure zu fördern und ein positives Schulklima zu schaffen.
Die Unfallkasse Baden-Württemberg ist auch nicht der einzige Unfallversicherungsträger, der das Programm unterstützt. Bundesweit haben sich viele Unfallkassen zusammengeschlossen und unterstützen MindMatters als ein Projekt des Sachgebiets „Schulen“ des Fachbereichs „Bildungseinrichtungen“ der DGUV. Kooperationspartner sind die Barmer Krankenversicherung und die Leuphana Universität Lüneburg.
Welche Probleme oder Konflikte können Bildungseinrichtungen mit MindMatters bearbeiten? Ist es auch geeignet für die Gewaltprävention?
Bossinger-Fischer: MindMatters ist ein sehr breit aufgestelltes Programm. Es besteht aus drei Schulentwicklungsmodulen und sieben Unterrichtsmodulen mit unterschiedlichem Themenschwerpunkt. Für die Grundschulen liegt der Fokus auf der Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen, für die Sekundarstufe gibt es zum Beispiel Angebote zum Umgang mit Verlust und Trauer in der Schule, Mobbing, psychischen Störungen, aber auch zur Stärkung der Resilienz. Auch werden Kooperationen mit außerschulischen Unterstützungssystemen sowie eine wertschätzende und konstruktive Elternzusammenarbeit angeregt. Kinder und Jugendliche lernen, ihre Gefühle besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen. So wird auch ein positives Schulklima gefördert, was alles auch gewaltpräventiv wirkt. Denn es entstehen weniger Konflikte, wenn Kinder und Jugendliche Kompetenzen zum Umgang mit Emotionen erlernen, um besser mit diesen umzugehen.
An welche Gruppen richtet sich das Programm – Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulsozialarbeiter?
Bossinger-Fischer: Ganz klar an alle schulischen Akteure. MindMatters ist ein flexibel gestaltetes Programm aus verschiedenen Einzelmodulen. Sie eignen sich dazu, sowohl im Fachunterricht als auch in der Nachmittagsbetreuung oder an spezifischen Projekttagen eingesetzt zu werden.
Grundsätzlich gilt, je mehr Akteure beteiligt sind, desto besser, desto vielschichtiger und ganzheitlicher kann das Programm an der Schule wirken.
Frau Bossinger-Fischer, die Unfallkasse Baden-Württemberg kooperiert mit Partnern, um das Programm an die Schulen zu bringen. Wie funktioniert das?
Bossinger-Fischer: Für die Etablierung von MindMatters in Baden-Württemberg arbeiten wir eng mit der Barmer Baden-Württemberg und dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg zusammen. Es ist uns in diesem Schuljahr gelungen mit diesen starken Partnern sowie der Unterstützung des Programmzentrums in Lüneburg alle etwa 2.800 Grundschulen inklusive ihrer Außenstellen in Baden-Württemberg mit einer Sonderauflage des Primarstufenordners „Gemeinsam(es) Lernen mit Gefühl“ in einer großen Versandaktion zu versorgen.
Das Besondere ist hierbei, dass der Ordner durch eine eigens vom ZSL entwickelte Broschüre ergänzt wird, die das Baden-Württemberg-spezifische Präventionskonzept „stark.stärker.WIR.“ mit MindMatters verbindet. Damit wird das Programm in die Baden-Württemberg-spezifischen Vorgaben und Rahmenbedingungen eingebettet, wie zum Beispiel die „Leitperspektive Prävention und Gesundheitsförderung“, und es werden Bezüge zum baden-württembergischen Bildungsplan aufgezeigt.
Baden-Württemberg verfügt über 120 Präventionsbeauftragte, die am ZSL angesiedelt sind und Schulen im Rahmen des Präventionsrahmenkonzepts „stark.stärker.WIR.“ bei ihrer Präventionsarbeit unterstützen. Diese Präventionsbeauftragten fungieren auch als Multiplikatoren für MindMatters und bieten in ganz Baden-Württemberg Beratungen und Fortbildungen für interessierte Schulen an.
Wie viele Schulen in Baden-Württemberg sind mit MindMatters vertraut, haben Sie da einen Überblick?
Bossinger-Fischer: Wie oben beschrieben haben wir in diesem Schuljahr mit einer Schwerpunktaktion für Grundschulen gestartet. Alle 2.800 Grundschulen mit ihren Außenstellen in Baden-Württemberg haben durch die Versandaktion die Materialien an ihren Schulen und können mithilfe der begleitenden Informationen die Inhalte umsetzen.
Alle weiterführenden Schulen können sich jederzeit kostenlos die Materialien über die Website von MindMatters als PDFs downloaden oder dort als Printmodule bestellen. Ebenso weisen die Präventionsbeauftragten des ZSL in ihren Beratungen an den Schulen bedarfsorientiert auf die Angebote des MindMatters-Programms hin.
Frau Brinks, das ZSL ist Kooperationspartner der UKBW. Wie bringen Sie MindMatters an die Schulen?
Brinks: Wie bereits erwähnt, wurde in Baden-Württemberg flächendeckend an alle Grundschulen der Ordner des MindMatters-Grundschulmoduls und zusätzlich der ZSL-Einleger, der die spezifischen Rahmenbedingungen für Baden-Württemberg aufzeigt, versandt. Zuvor wurden alle Präventionsbeauftragten, das sind speziell ausgebildete Lehrkräfte, im Programm geschult. Die Präventionsbeauftragten bieten nun in ihren Regionen Fortbildungen zum Grundschulmodul in unterschiedlichen Formaten in Präsenz oder digital an. Darüber hinaus beraten sie zum Programm und bieten den Schulen direkte Unterstützung bei der Implementierung des Programms vor Ort an.
Können Sie vielleicht an einem konkreten Beispiel aus Ihrer Praxis schildern, wie MindMatters eingesetzt wird?
Brinks: MindMatters wird im Idealfall im täglichen Unterricht eingesetzt, kann aber auch in einer wöchentlichen Klassenlehrerstunde, in der Nachmittagsbetreuung oder an einem Projekttag vermittelt werden.
Frau Bossinger-Fischer, die Unfallkasse Baden-Württemberg betreibt einen großen Aufwand, um MindMatters in den Schulen bekannt zu machen. Wie schätzen Sie die Wirkung des Programms ein?
Bossinger-Fischer: Wir sind davon überzeugt, dass MindMatters in den Schulen sehr viel Positives bewirkt. Die Rückmeldungen aus den Schulen bestärken uns. Vor allem durch die Coronapandemie und den damit verbundenen Fernunterricht ist das Miteinander an den Schulen zu kurz gekommen und die Schulen sind nun dankbar über Unterstützungsangebote in diesem Bereich.
MindMatters wirkt gewaltpräventiv, wenn es fest im Schulalltag angewendet wird. Das setzt voraus, dass Lehrkräfte die Inhalte regelmäßig einsetzen und die Umsetzung durch Ressourcen ermöglicht wird, die die Schulleitung bereitstellt.
Frau Brinks, auch an Sie die Frage: Welches Feedback bekommen Sie aus den Schulen zur Anwendbarkeit von MindMatters im Schulbetrieb?
Brinks: Schulen wählen aus dem umfangreichen Material die Elemente aus, die für sie im Unterricht gut umsetzbar sind. Sie wählen inhaltliche Schwerpunkte je nach Bedarf in ihrer Klasse. Zum Einleger „stark.stärker.WIR.“ in Baden-Württemberg gibt es besonders positive Rückmeldungen. Die hohe Praxisorientierung und leichte Anwendbarkeit werden sehr dankbar angenommen.
Das Interview führte Elke Biesel.