Smarte persönliche Schutzausrüstung (PSA) – Herausforderung für Entwicklung, Normung und Prüfung
Smarte PSA interagiert mit der Umgebung und erzeugt dadurch eine höhere Schutzwirkung. Manche Lösungen versprechen erhöhten Tragekomfort. Das neue Gebiet ist hoch dynamisch – noch lernen alle Beteiligten, das Potenzial der Produkte voll auszunutzen.
In dieser Ausgabe werden im Beitrag „Einsatz von Wearables im Arbeitsschutz“ (Seite 3ff.) „Smart Devices und Wearables“ vorgestellt: am Körper mitgeführte Minicomputer, die mit Sensoren Daten über die Trägerin oder den Träger und die jeweilige Umgebung sammeln und helfen, den eigenen Körper besser einzuschätzen, vielleicht sogar die Person zu überwachen und beispielsweise im Notfall ärztliche Hilfe zu rufen. Das zeigt, was Wearables neben anderen Dingen auch leisten können: die Trägerin oder den Träger schützen.
Was sind smarte PSA?
Damit ist es nur ein kleiner Schritt, um zur allseits bekannten persönlichen Schutzausrüstung zu kommen. PSA schützt seit vielen Jahrzehnten die Tragenden vor Risiken, seien es eine kleine Verletzung bei der Gartenarbeit, die Schädigung des Gehörs durch Umgebungslärm oder extreme Hitze beim Feuerwehreinsatz. Auch wenn PSA schon lange erfolgreich insbesondere an Arbeitsplätzen eingesetzt wird, läuft die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich weiter. Seit einigen Jahren wird dabei immer öfter von „intelligenter“ oder „smarter“ PSA gesprochen. Ziel smarter PSA ist es, durch den Einsatz von elektronischen Elementen oder neuartigen Materialien das Schutzniveau weiter zu erhöhen oder die Ausrüstung komfortabler machen.
Intelligente Komponenten
Ein prägnantes Beispiel ist smarte PSA für Feuerwehrleute. Sensoren, Auswerteelektronik, Datenübertragungsmodule sind neben notwendigen Kabeln und Stromversorgung in die „klassische“ Feuerwehrjacke eingebaut und nehmen Daten der Umgebung ebenso auf wie biometrische Werte des oder der Tragenden, werten diese aus und geben Signale direkt an die Trägerin beziehungsweise den Träger oder eine zentrale Stelle weiter. Damit kann die Einsatzsituation besser eingeschätzt und auch der körperliche Zustand des Personals bewertet werden. Die Entscheidungen für das nötige Equipment oder ob und wann das Personal gewechselt werden muss, kann auf der Basis dieser Daten getroffen werden. Interessant für Nutzerinnen und Nutzer ist auch die Möglichkeit, Informationen über den Zustand der Schutzkleidung zu sammeln, womit sich Reinigung und Wartung nach dem Einsatz verbessern lassen. All das sind Schritte, um den Schutz der Feuerwehrleute zu optimieren.
Neuartiges stoßdämpfendes Material zum Beispiel könnte Gelenkschoner komfortabler machen, da es beim Laufen weich und flexibel wie normaler Stoff ist, beim Stoß aber die dämpfende Wirkung aufbaut und das Gelenk schützt.
Smarte PSA zeichnet sich also dadurch aus, dass sie in gewissem Maße mit der Umgebung interagiert. Das zuständige europäische Normungsgremium hat folgende Definition formuliert: Smarte PSA ist eine PSA, „die eine beabsichtigte und ausnutzbare Reaktion entweder auf Veränderungen in ihrer Umgebung/Umwelt oder auf ein externes Signal/Eingang zeigt“.[1]
Wer smarte PSA entwickelt, sollte sich frühzeitig sowohl mit späteren Anwendenden als auch mit relevanten Prüfstellen und Behörden austauschen. Es ist besonders wichtig, die Akzeptanz des Produkts durch die späteren Anwendenden sicherzustellen.
Herausforderungen
Wenn die Aussichten für besseren Schutz durch smarte PSA so gut sind, warum sieht man so wenige oder gar keine dieser PSA-Typen an den Arbeitsplätzen? Die smarte PSA stellt eine deutliche Umstellung für den Sektor dar. Die meisten Entwicklungen von smarter PSA verwenden elektronische Bauteile als intelligente Elemente. Und Elektrik und Elektronik haben im PSA-Bereich bisher nur eine kleine Rolle gespielt. Damit stehen alle Beteiligten – Hersteller, Prüfstellen, Behörden und auch Anwendende – vor der Aufgabe „Elektronik zu lernen“. Da die smarten Elemente die Schutzwirkung erhöhen sollen, sind sie per Definition Bestandteil der PSA. Und die gesamte PSA muss die relevanten Anforderungen erfüllen – in der Europäischen Union (EU) sind diese in der europäischen PSA-Verordnung formuliert. Es ist wichtig zu verstehen, dass eine smarte PSA nicht einfach ein Zusammenbau von zum Beispiel klassischer Feuerwehrschutzjacke und einigen elektronischen Bauteilen ist. Beide Bestandteile sind Teil der PSA und dürfen zusammengefügt weder neue Risiken erzeugen noch beispielsweise die bisher bestehende Schutzwirkung der Jacke verringern. Es ist demnach nicht möglich, eine zertifizierte klassische Feuerwehrjacke mit zertifizierten elektrischen Bauteilen zu kombinieren und damit eine zertifizierte smarte PSA zu erhalten. Stattdessen gilt: Die smarte PSA ist die fertiggestellte Kombination aller Bestandteile, und diese Kombination muss gemäß der PSA-Gesetzgebung bewertet und geprüft werden. Neben den klassischen PSA-Tests gehören dazu auch Prüfungen der elektrischen Bestandteile und des Zusammenwirkens aller Komponenten. Dabei sind die elektrische Sicherheit und Aspekte wie Oberflächentemperatur und Batteriesicherheit ebenso zu untersuchen wie die Auswirkungen elektromagnetischer Felder und die elektromagnetische Verträglichkeit.
Normen sind notwendig
Der PSA-Bereich wird seit Langem durch ein erfolgreiches System von Normen unterstützt. Hersteller entwickeln PSA nach Normen; gewerblich Anwendende nutzen sie, um geeignete PSA auszuwählen. Viele PSA-Typen werden durch Prüfstellen nach Normvorgaben getestet. Für smarte PSA steht die Normung allerdings noch ganz am Anfang. Auch hier ist die Herausforderung, die neuen Aspekte zu analysieren und in Normungsprodukte hoher Qualität zu integrieren – eine komplexe Aufgabe, die zeitaufwendig ist. Die Lücke wird geschlossen werden, aber die Beteiligten müssen noch einige Zeit insbesondere ohne konkrete Produktnormen auskommen. Die sonst übliche Orientierung an Normen ist daher noch nicht möglich. Bei Fragen hilft nur die Zusammenarbeit der Beteiligten untereinander. Wer smarte PSA entwickelt, sollte sich frühzeitig sowohl mit späteren Anwendenden als auch mit relevanten Prüfstellen und Behörden austauschen. Es ist besonders wichtig, die Akzeptanz des Produkts durch die späteren Anwendenden sicherzustellen. Verschiedene Befragungen ergaben eine differenzierte Sicht der Anwendenden auf smarte PSA. So wollen zum Beispiel Feuerwehrleute keine Überfrachtung mit Informationen, die eher ablenkend wirkt als hilft. Die Beschäftigtenvertretung sieht die Sammlung personengebundener Daten besonders kritisch – ein Problem für viele smarte PSA. Hier gilt es, ein Zuviel an Datensammlung konstruktiv zu verhindern. Im Dialog mit Prüfstellen und Behörden, schon während der Produktentwicklung, können die Herausforderungen der Zertifizierung und Inverkehrbringung nach PSA-Gesetzgebung minimiert werden.
Viele PSA-Typen werden durch Prüfstellen nach Normvorgaben getestet. Für smarte PSA steht die Normung allerdings noch ganz am Anfang. Auch hier ist die Herausforderung, die neuen Aspekte zu analysieren und in Normungsprodukte hoher Qualität zu integrieren – eine komplexe Aufgabe, die zeitaufwendig ist.
Transparente Benutzerinformationen
Die Anwendenden von smarter PSA sind ebenso gefordert. Sie müssen sich auf die Produkte mit ihren neuen Möglichkeiten und Eigenschaften einstellen. Dazu sind umfassende Informationen notwendig, die vom Hersteller auch schon vor einem Kauf bereitgestellt werden sollten. Dabei muss deutlich werden, was die Chancen, aber auch die Grenzen der Produkte sind. Nur so können die Anwendenden die smarten PSA optimal auswählen und später nutzen, reinigen und warten.
Smarte PSA sind im Anmarsch und lassen viele sinnvolle Aspekte und einen erhöhten Schutz erhoffen. Die Aufgaben und Herausforderungen für dieses noch junge Feld sind vielfältig, aber lösbar. Forschung und Entwicklung sowie die Erfahrungen der Nutzerinnen und Nutzer werden dazu beitragen. Smarte PSA haben ein großes Potenzial, Arbeitsplätze in Zukunft noch sicherer und gesünder zu gestalten.