Psychosoziale Notfallversorgung: Ergebnisse zu Angeboten der Unfallversicherungsträger

Notfälle wie Unfälle bei der Arbeit oder Gewalttaten können schwerwiegende psychische Gesundheitsschäden verursachen. Interviews zeigten, wie Unfallversicherungsträger ihre Mitgliedsunternehmen in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) unterstützen. Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Forschungsarbeit zum Thema PSNV.

Bei der Etablierung einer Psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen kommt Unfallversicherungsträgern eine zentrale Rolle zu. Sie unterstützen den Aufbau und die Implementierung einer psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen teilweise finanziell und durch die Bereitstellung von Expertise und praktischer Hilfe. Damit Unfallversicherungsträger Unternehmen noch besser dabei unterstützen können, ihren Beschäftigten eine gute Betreuung nach plötzlich auftretenden Notfallsituationen zu ermöglichen, wird das Forschungsprojekt „Psychosoziale Notfallversorgung in Unternehmen – eine Bestandsaufnahme in Deutschland“ von 2022 bis 2025 durchgeführt. In vier Teilprojekten erfolgt eine multiperspektivische Bestandsaufnahme der Psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen – aus Sicht der Betriebe, der Unfallversicherungsträger, der ehrenamtlichen PSNV-B-Teams[1] und der externen Anbieterinnen und Anbieter[2].

Der Fokus dieses Artikels liegt auf den Ergebnissen des bereits abgeschlossenen Teilprojekts 2, in dem mit Dokumentenanalysen und Interviews die Angebote der Unfallversicherungsträger untersucht wurden.

Das Forschungsprojekt zur Psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen wurde im DGUV Forum 7/2022 vorgestellt.[3] Erste Ergebnisse des Projektes zur Psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen erschienen im DGUV Forum 3/2024.[4]

Die Psychosoziale Notfallversorgung ist ein umfassendes System von Maßnahmen, das darauf abzielt, Menschen in Notfallsituationen sowohl kurzfristig als auch langfristig psychosozial zu unterstützen. Die PSNV basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Bereichen Psychologie, Medizin, Soziologie, Pädagogik und Recht.[5] Ziel der PSNV ist es, den Betroffenen bei der Verarbeitung von Notfällen zu helfen, indem deren individuelle und soziale Ressourcen gestärkt und erweitert werden. Dies soll helfen, anhaltende psychische und soziale Einschränkungen zu vermeiden oder zu mindern.[6]

Im betrieblichen Kontext sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dafür verantwortlich, eine Psychosoziale Notfallversorgung für ihre Mitarbeitenden bereitzustellen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (§ 5 Abs. 1 ArbSchG).[7] Dies umfasst auch Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung von negativen psychischen Beanspruchungen, die durch plötzlich auftretende Notfälle entstehen können.[8] [9] Eine Untersuchung zum Unfallgeschehen in Deutschland zeigt, dass etwa 30 Prozent aller Unfälle während der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit geschehen. Im Jahr 2019 ereigneten sich 806 tödliche und über eine Million nicht tödliche Arbeits- und Wegeunfälle, wobei die Dunkelziffer hoch eingeschätzt wird, da viele Vorfälle nicht gemeldet werden, wenn keine Arbeitsunfähigkeit besteht oder kein körperlicher Schaden ersichtlich ist.[10] [11]

Um die psychische Stabilität der Betroffenen zu fördern, empfiehlt die DGUV die Implementierung einer PSNV in Betrieben. Frühzeitige psychologische Unterstützung soll akute Stressreaktionen reduzieren und die Bewältigungsstrategien der Betroffenen stärken. Bei Bedarf wird eine Weitervermittlung in die psychotherapeutische Nachversorgung vorgesehen.[12] [13] [14] Studien und Erfahrungsberichte zeigen jedoch, dass diese Maßnahmen oft nicht als notwendig erachtet werden und auf ehrenamtliche Strukturen zurückgegriffen wird, die für langfristige Betreuung nicht ausreichend qualifiziert sind.[15] [16] [17] Diese Berichte zeigen die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Bereich.

 

Teilprojekt 2 – die Unfallversicherungsträger

Das Hauptziel des Teilprojekts 2 war es, zu verstehen, wie Unfallversicherungsträger ihre Mitgliedsunternehmen unterstützen und welche praktischen Maßnahmen und Strategien sie anwenden, um die Psychosoziale Notfallversorgung zu verbessern. Die Fragestellungen, die dabei im Fokus standen, waren:

  1. Welche Hilfestellungen beziehungsweise Unterstützung bieten Unfallversicherungsträger im Bereich PSNV für ihre Mitgliedsbetriebe an?
  2. Welche Ideen und Pläne haben die Unfallversicherungsträger, wie Betriebe zukünftig bei der psychosozialen Betreuung nach plötzlich auftretenden Extremsituationen im Arbeitskontext unterstützt werden können?

Vorgehen bei der Erhebung der Daten

Die Erhebung der Daten erfolgte durch zwei Hauptmethoden: eine umfassende Sammlung von Dokumenten und Interviews mit Unfallversicherungsträgern. Ziel war es, detaillierte Einblicke in die Arbeits- und Wirkungsweise der Unfallversicherungsträger bezüglich ihrer Unterstützungsmaßnahmen bei Notfällen mit potenzieller psychischer Gesundheitsgefährdung zu gewinnen.

Studie 1 – Dokumentensammlung

Im ersten Schritt wurden verschiedene Dokumente wie Broschüren, Flyer und andere Textmaterialien gesammelt, die sich mit der Psychosozialen Notfallversorgung befassen. Die Unfallversicherungsträger wurden gebeten, relevante Dokumente bereitzustellen. Falls keine Dokumente bereitgestellt wurden, erfolgte eine Internetrecherche auf den Webseiten der jeweiligen Unfallversicherungsträger anhand spezifischer Schlagworte. Diese systematische Sammlung zielte darauf ab, zu zeigen, welche Informationen und Hilfsmittel die Unfallversicherungsträger zur Unterstützung ihrer Mitgliedsunternehmen bereitstellen.

Ergebnisse der Dokumentensammlung

Insgesamt wurden 118 Dokumente von 31 Unfallversicherungsträgern identifiziert. 13 Träger stellten Dokumente vorab bereit, während für die restlichen 18 eine intensive Internetrecherche durchgeführt wurde. Zur inhaltlichen Aufschlüsselung wurden die Daten auch separat in vier Gruppen betrachtet: Berufsgenossenschaften (BG), Unfallkassen (UK), Feuerwehr-Unfallkassen (FUK) und sonstige Unfallversicherungsträger (Sonstige).

Die am häufigsten gefundenen Dokumente waren die DGUV Vorschrift 25 zur Überfallprävention, die Broschüre „Trauma – was tun?“, die DGUV Information 206-023 zu betrieblicher psychologischer Erstbetreuung und die DGUV Information 205-027 zur Prävention von Übergriffen auf Einsatzkräfte.

Die Recherche war bei vier Unfallversicherungsträgern besonders schwierig, bedingt durch die eingeschränkte Zugänglichkeit und Suchfunktion auf den Websites. Dies erschwerte die Auffindbarkeit branchenspezifischer Informationen erheblich. Träger mit mehr als zehn Dokumenten wiesen oft eine branchenspezifische Spezialisierung auf, die jedoch durch fehlende Querverweise und die Struktur der Websites schwer zu identifizieren war.

Studie 2 – Interviews

Die Interviews wurden als qualitative Forschungsmethode genutzt, um tiefere Einblicke in die praktische Umsetzung der Psychosozialen Notfallversorgung durch die Unfallversicherungsträger zu erhalten. Ein speziell entwickelter Interviewleitfaden umfasste Fragen zu Notfallindikationen, präventiven Maßnahmen, Akuthilfe, Nachsorge, Rehabilitation und Wiedereingliederung sowie zur Kostenübernahme und Zusammenarbeit. Vor den eigentlichen Interviews wurden Probeinterviews durchgeführt, um den Leitfaden zu testen und anzupassen. Ein kognitives Debriefing mit Fachpersonen stellte sicher, dass die Fragen verständlich und zielgerichtet waren, um die gewünschten Informationen effektiv zu erfassen.

Tabelle 1: Deskriptive Statistik zu den Dokumenten der Unfallversicherungsträger | © Eigene Darstellung der Forschungsgruppe
Tabelle 1: Deskriptive Statistik zu den Dokumenten der Unfallversicherungsträger ©Eigene Darstellung der Forschungsgruppe

Stichprobenakquise und -beschreibung

Die Projektvorstellung fand in einem Onlinetreffen der DGUV am 1. Juni 2022 statt. Die Kontaktaufnahme mit den Unfallversicherungsträgern erfolgte nach einer gründlichen Recherche und Identifikation passender Ansprechpersonen per E-Mail. Alle betroffenen Personen gaben ihre Einwilligung zur Teilnahme und es wurden Maßnahmen getroffen, um die Privatsphäre und Anonymität der Befragten zu schützen.

Die Akquise der Teilnehmenden erfolgte durch eine geplante Vollerhebung, die alle 34 Unfallversicherungsträger umfasste. Aufgrund von Zusammenschlüssen wurden tatsächlich 31 Unfallversicherungsträger berücksichtigt. Um die Daten und Ergebnisse klarer zu differenzieren, wurde eine getrennte Betrachtung einzelner Gruppierungen vorgenommen. Diese Gruppierungen bestanden aus vier Kategorien: Berufsgenossenschaften, Unfallkassen der öffentlichen Hand, Feuerwehr-Unfallkassen und sonstige Unfallversicherungsträger. Diese Einteilung betonte die spezifische Situation jeder Gruppierung und gewährleistete eine Vergleichbarkeit der Daten innerhalb der Kategorien.

Datenaufbereitung und -auswertung

Nach Abschluss der Interviews wurden die Audioaufnahmen transkribiert. Die Transkripte wurden systematisch nach thematischen Kategorien analysiert, um Muster und Zusammenhänge zu identifizieren. Diese methodische Vorgehensweise ermöglichte es, spezifische Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Unfallversicherungsträgern zu identifizieren und daraus zielgerichtete Empfehlungen abzuleiten.

Ergebnisse der Interviews

Die Ergebnisse der Interviews spiegeln die Perspektiven der Unfallversicherungsträger wider. Mehrfachnennungen waren möglich, weshalb die Prozentangaben nicht zu 100 Prozent summieren. Im Folgenden werden die drei häufigsten Nennungen beschrieben, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Die individuellen Rückmeldungen wurden jeweils an die Ansprechpersonen der teilnehmenden Unfallversicherungsträger übermittelt.

Von 31 Unfallversicherungsträgern wurden 23 interviewt (74,2 Prozent). Die qualitative Inhaltsanalyse ermöglichte die Identifikation und Interpretation von Themen im Datenmaterial. Die hohe Übereinstimmung zwischen den beiden Kodierenden[18] unterstreicht die Zuverlässigkeit der Analyse. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an dem Aufbau des Interviewleitfadens.

Indikationen und Statistikführung

Laut den Befragten könnten und traten in den Mitgliedsunternehmen neben Unfällen bei der Arbeit oder auf dem Weg zur oder von der Arbeit sexualisierte Gewalt, Suizid(versuche), medizinische Notfälle und Brände auf. Dies wurde von jedem der 21 Unfallversicherungsträger berichtet. Auch gewaltsame körperliche Übergriffe (95,2 Prozent), Angriffe durch Tiere (90,5 Prozent) und Raubüberfälle (66,7 Prozent) wurden genannt. Verbale Gewalt (42,9 Prozent) und plötzliche Todesfälle (23,8 Prozent) wurden hingegen seltener erwähnt.

Mehr als die Hälfte der Unfallversicherungsträger (57,1 Prozent) gab an, keine eigenen Statistiken zu Notfällen mit potenzieller psychischer Gesundheitsgefährdung zu führen. Etwa ein Drittel (28,6 Prozent) erfasst spezifische Daten zu Unfallarten und Einsätzen und ein kleinerer Teil (14,3 Prozent) dokumentiert systematisch Leistungsfälle. Ein weiteres Sechstel (14,3 Prozent) führt Aufzeichnungen über Arbeitsunfälle. Nahezu die Hälfte (42,9 Prozent) kennzeichnet psychische Gesundheitsschäden gesondert.

Tabelle 2: Stichprobe der Unfallversicherungsträger für die Interviews | © Eigene Darstellung der Forschungsgruppe
Tabelle 2: Stichprobe der Unfallversicherungsträger für die Interviews ©Eigene Darstellung der Forschungsgruppe

Prävention von Notfällen

Die von den Unfallversicherungsträgern für ihre Mitgliedsunternehmen empfohlenen Maßnahmen zur Notfallprävention umfassen sowohl technische als auch organisatorische und personenbezogene Ansätze. Tabelle 3 zeigt die häufigsten genannten Präventionsmaßnahmen.

Die Unfallversicherungsträger gaben in den Interviews an, dass sie ihre Mitgliedsunternehmen im Bereich der Prävention durch ihre Internetpräsenz (95,2 Prozent), Beratungstätigkeit (90,5 Prozent) und die Bereitstellung relevanter Dokumente (81 Prozent) unterstützen. Sie fördern größtenteils die Ausbildung betrieblich psychologischer Erstbetreuender (bpE) durch finanzielle Entlastungen (52,4 Prozent) und kostenfreie Seminare (38,1 Prozent). Als Hindernisse wurden Neutralitätsverpflichtungen[19] (14,3 Prozent) und Rollenkonflikte (9,5 Prozent) erwähnt. Neutralitätsverpflichtungen der Unfallversicherungsträger bedeuten, dass diese keine bestimmten externen Anbieter empfehlen dürfen, beispielsweise bei der Ausbildung von betrieblichen psychologischen Erstbetreuenden, um ihre Unparteilichkeit zu wahren.

Fachkräfte für Arbeitssicherheit (85,7 Prozent), Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie die Unternehmensleitungen (jeweils 42,9 Prozent) wurden als zentrale Ansprechpersonen für die Psychosoziale Notfallversorgung in Unternehmen genannt. Die Verantwortung für die Implementierung von Präventionsmaßnahmen liege hauptsächlich bei den Unternehmensleiungen (81 Prozent) und Führungskräften (47,6 Prozent), wobei die praktische Umsetzung ebenfalls durch Unternehmensleitungen (81 Prozent) und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (66,7 Prozent) erfolge.

Die Unfallversicherungsträger nannten finanzielle und personelle Ressourcen (90,5 Prozent), eine positive Unternehmenskultur (61,9 Prozent) und Erfahrungen mit früheren Notfällen (57,1 Prozent) als wichtige Faktoren für ein Gelingen der Prävention. Herausforderungen seien Ressourcenknappheit (38,1 Prozent), eine negative Einstellung zum Arbeitsschutz (28,6 Prozent) und Personalwechsel (19,0 Prozent). Zur Sicherstellung der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen wurden Aufsichtspersonen (76,2 Prozent), Gefährdungsbeurteilungen (42,9 Prozent) und Arbeitsstättenbesichtigungen (38,1 Prozent) genannt. Zukünftige Unterstützungsideen umfassen Schulungen (23,8 Prozent), Onlinemodule und Seminarangebote (9,5 Prozent) sowie Auffrischungskurse und Erfahrungsaustausch im Bereich der betrieblichen psychologischen Erstbetreuung (9,5 Prozent). Zudem wurde die Kooperation mit externen Partnern zur Prävention von Notfällen genannt, um vielfältige Fachkenntnisse für effektive Präventionsstrategien zu nutzen.

Akuthilfe und Nachsorge

In den Interviews betonten die Unfallversicherungsträger, dass die Akutversorgung in der Verantwortung der Unternehmen liegt. Sie bieten jedoch Unterstützung durch Sorgentelefone oder Hotlines (52,4 Prozent), externe Anbieterinnen und Anbieter (28,6 Prozent) sowie Psychologinnen und Psychologen vor Ort (23,8 Prozent). Auch die Einbeziehung ehrenamtlicher Notfallseelsorge (28,6 Prozent) und betrieblicher psychologischer Erstbetreuender (23,8 Prozent) wurde empfohlen. Die Unfallversicherungsträger gaben an, dass Notfälle je nach Ereignis unterschiedlich gemeldet werden: 61,9 Prozent sagten, der Zeitpunkt ist vom Ereignis abhängig, 23,8 Prozent erfolgen am gleichen oder nächsten Tag und 9,5 Prozent innerhalb einer Stunde. Die Meldungen erfolgen, so die Unfallversicherungsträger, am häufigsten schriftlich (66,7 Prozent), telefonisch (47,6 Prozent) oder über Dritte (33,3 Prozent). Die Notwendigkeit einer stärkeren Sensibilisierung für negative psychische Beanspruchungen wurde betont. Augenzeuginnen und Augenzeugen sowie Ersthelfende werden laut diesen durch Unfallanzeigen (90,5 Prozent) und aktive Nachfrage (76,2 Prozent) identifiziert, wobei Schwierigkeiten bei der Identifikation und Datenschutzbedenken genannt wurden. Es ist möglich, dass Unfallanzeigen für Zeuginnen, Zeugen und Ersthelfende separat geschrieben werden. Häufiger jedoch wird keine separate Unfallanzeige für sie erstellt, sondern sie tauchen in den Unfallanzeigen der Betroffenen unter dem Punkt „Augenzeugen“ oder in der detaillierten Beschreibung auf.

Für die weitere Nachsorge nannten die Unfallversicherungsträger die Art und Schwere des Ereignisses (95,2 Prozent), psychologische Einschätzungen (90,5 Prozent) und ärztliche Diagnosen (42,9 Prozent) als Basis. Maßnahmen umfassten direkte Vermittlung, schnelle Probatorik und individuelle Fallbetrachtung (jeweils 100 Prozent) sowie die Kooperation mit Ärztinnen und Ärzten (95,2 Prozent).

Tabelle 3: Empfohlene Präventionsmaßnahmen | © Eigene Darstellung der Forschungsgruppe
Tabelle 3: Empfohlene Präventionsmaßnahmen ©Eigene Darstellung der Forschungsgruppe

Rehabilitation und Wiedereingliederung

Die Unfallversicherungsträger nannten das Psychotherapeutenverfahren als häufigste Maßnahme in der Rehabilitation (100 Prozent), wobei Rückmeldungen der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten laut 57,1 Prozent der Befragten die weitere Behandlung prägen. Das Psychotherapeutenverfahren bezieht sich auf die therapeutischen Maßnahmen und Behandlungspläne, die von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erstellt und durchgeführt werden, um psychische Erkrankungen zu behandeln und die Rehabilitation zu unterstützen. Zusätzlich wurde das Angebot über die fünf probatorischen Sitzungen (28,6 Prozent) als wichtig erachtet. Stationäre Maßnahmen wurden von 71,4 Prozent genannt. Ein direkter Kontakt zu den Betroffenen wurde von 71,4 Prozent der Unfallversicherungsträger als Teil des Rehabilitationsprozesses beschrieben, wobei der Kontakt telefonisch (47,6 Prozent), persönlich (38,1 Prozent) und schriftlich (38,1 Prozent) erfolgt. Der Übergang von der Rehabilitation zur Wiedereingliederung wurde als fließend beschrieben (81,0 Prozent), mit individuell abgestimmten Maßnahmen (61,9 Prozent) und der Möglichkeit einer parallelen Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen und beruflicher Tätigkeit (42,9 Prozent).

Die Bemühungen um eine Wiedereingliederung umfassten laut den Unfallversicherungsträgern die Teilnahme an Gesprächen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (85,7 Prozent), Schulungen und Qualifizierungen (57,1 Prozent) sowie Arbeits- und Belastungserprobungen (47,6 Prozent). Ein multidisziplinärer und kollaborativer Ansatz wurde betont, um die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Betroffenen zu berücksichtigen.

Kostenübernahme und Zusammenarbeit

Die Kostenübernahme durch die Unfallversicherungsträger in der Psychosozialen Notfallversorgung wurde in drei Hauptbereiche unterteilt. Im Bereich der Prävention umfassen die Maßnahmen vor allem Beratung und Überwachung (71,4 Prozent). Seminare und Broschüren waren ebenfalls ein wichtiger Bestandteil (66,7 Prozent). Diese Maßnahmen wurden als kostenneutral beschrieben. Darüber hinaus wurde die Förderung der Ausbildung zur betrieblich psychologischen Erstbetreuung von 52,4 Prozent der Befragten als relevant angesehen. Bei der Akuthilfe und Nachsorge wurden spezifische Beratungsangebote vor Ort in den Unternehmen (9,5 Prozent), ein Netzwerk zur Psychosozialen Notfallversorgung (4,8 Prozent), mögliche Kostenübernahme (4,8 Prozent) und Unterstützung in der Akuthilfe und Nachsorge (4,8 Prozent) genannt. Der Bereich der Rehabilitation und Wiedereingliederung umfasst die Rehabilitationsphase (57,1 Prozent). Berufliche, soziale und medizinische Rehabilitation wurden von 42,9 der Befragten genannt, während 33,3 Prozent der Befragten auf alle geeigneten Mittel und Behandlungsmaßnahmen hinwiesen.

Im Rahmen der Interviews wurde gefragt, wie die Zusammenarbeit innerhalb der Unfallversicherungsträger zur Psychosozialen Notfallversorgung in Unternehmen verläuft. Die häufigsten Nennungen zur Zusammenarbeit waren der Informationsaustausch (90,5 Prozent), die Abstimmung an Schnittstellen (47,6 Prozent) sowie die Vernetzung (42,9 Prozent). Als verbesserungswürdig wurden eine mangelnde Vernetzung (9,5 Prozent), starke Hierarchien (4,8 Prozent) und unzureichende Prozesse (4,8 Prozent) erwähnt.

Fazit und Empfehlungen

Unfallversicherungsträger bieten umfassende Hilfestellungen und maßgeschneiderte Lösungen an und verbessern so die Psychosoziale Notfallversorgung in Unternehmen. Die durchgeführte Forschung hat wesentliche Einblicke in die derzeitigen Maßnahmen und zukünftigen Pläne der Unfallversicherungsträger gegeben.

1. Welche Hilfestellungen beziehungsweise Unterstützung bieten Unfallversicherungsträger im Bereich PSNV für ihre Mitgliedsbetriebe an?

Übersicht der Unterstützungsangebote der Unfallversicherungsträger:

  • Bereitstellung von Dokumenten und Broschüren
  • Unterstützung durch finanzielle Entlastungen und kostenfreie Seminare zur Ausbildung betrieblich psychologischer Erstbetreuender
  • Empfehlung spezifischer technischer, organisatorischer und personenbezogener Präventionsmaßnahmen
  • Unterstützung in der Akuthilfe durch Sorgentelefone oder Hotlines, externe Anbieterinnen und Anbieter sowie Psychologinnen und Psychologen vor Ort
  • Sicherstellung, dass alles Erforderliche in der Rehabilitation und Wiedereingliederung getan wird, um Betroffene nach einem Notfall optimal zu unterstützen

2. Welche Ideen und Pläne haben die Unfallversicherungsträger, wie Betriebe zukünftig bei der psychosozialen Betreuung nach plötzlich auftretenden Extremsituationen im Arbeitskontext unterstützt werden können?

Die Interviews haben auch die Zukunftspläne der Unfallversicherungsträger offengelegt, die darauf abzielen, die psychosoziale Betreuung in Unternehmen weiter zu verbessern. Zentrale zukünftige Unterstützungsideen umfassen:

  • Angebot zusätzlicher Schulungen, um das Wissen und die Kompetenzen in den Unternehmen zu erweitern
  • Weiterentwicklung von Onlinemodulen und Seminarangeboten, um eine flexible und zugängliche Weiterbildung zu ermöglichen
  • Auffrischungskurse und Plattformen für den Erfahrungsaustausch unter den betrieblich psychologischen Erstbetreuenden

Empfehlungen

Um die Psychosoziale Notfallversorgung in Unternehmen weiter zu verbessern, werden folgende Empfehlungen gegeben:

  • Einführung einheitlicher Methoden zur Statistikführung über Notfälle und deren psychosoziale Folgen, um eine bessere Analyse und Vergleichbarkeit der Daten zu ermöglichen
  • eine umfassendere Definition der Ausbildungsstandards für betrieblich psychologische Erstbetreuende, um eine konsistente und qualitativ hochwertige psychologische Erstbetreuung sicherzustellen
  • Reduzierung der Anzahl der benötigten Broschüren für ein Gesamtbild und Verbesserung der Auffindbarkeit dieser Materialien
  • Nutzung der ehrenamtlichen Notfallseelsorge nur in Verbindung mit einer vertraglichen Regelung seitens der Unternehmen, um das Ausnutzen ehrenamtlicher Strukturen zu vermeiden