Auswirkungen der Klimakrise auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
Der Klimawandel hat bereits heute großflächig negative Folgen für die Natur und den Menschen. Wie stark sehen sich deutsche Unternehmen bereits von der Klimakrise betroffen? Welche Maßnahmen haben sie bereits umgesetzt und wo sehen sie Handlungsbedarf? Zu diesen Fragen führte die DGUV im September 2022 eine Umfrage durch.
Die Klimakrise hat sehr unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Planeten und seine Lebewesen. Seitdem der Mensch mit Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert mehr und mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstößt, ist die durchschnittliche Temperatur der Atmosphäre und auch der Ozeane angestiegen. Man kann heute schon beobachten, wie sich Wetterphänomene und Trends verändert haben. Neben einem Anstieg des Meeresspiegels um bisher 19 Zentimeter seit dem Jahr 1901 sind auch extreme Wetterereignisse häufiger und ausgeprägter geworden.
Arbeitswelt und Klimawandel
Diese Entwicklungen wirken sich wiederum auf den Menschen und seine Gesundheit aus. Die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit führen zu Einschränkungen des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit, auch von Beschäftigten bei der Arbeit. Wenn es beispielsweise zukünftig zu einer Zunahme von Extremwettererscheinungen kommt, können etwa Hitze, Stürme und Orkane sowie Hochwasser und Überschwemmungen, bedingt durch Stark- oder Dauerregen, zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten und einem erhöhten Unfallrisiko führen.
Die hierdurch ausgelösten gesundheitlichen Beeinträchtigungen können aber nicht nur physischer Natur sein, zum Beispiel Herz-Kreislaufbeschwerden, Erschöpfung, Infektionen oder Verletzungen, sondern auch psychische Stressreaktionen, beispielsweise Reizbarkeit, Angst, Hilflosigkeit sowie Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen auslösen beziehungsweise verschlimmern.
Indirekte gesundheitliche Auswirkungen und Risiken treten durch nachteilig veränderte Umweltbedingungen als Folge der Klimaerwärmung auf. Hierzu gehören unter anderem das veränderte beziehungsweise verlängerte Auftreten biologischer Allergene (beispielsweise Pollen) sowie tierischer Krankheitsüberträger (etwa Borrelien, FSME[1]-Viren oder Stechmücken), aber auch die Beseitigung von Folgeschäden durch Flut und Unwetter. Durch Technologiesprünge oder die beschleunigte Einführung neuer Techniken, Verfahren und Stoffe wie in der Kreislaufwirtschaft oder bei der Erforschung und dem Ausbau erneuerbarer Energien kann es auch zu Gefährdungen kommen, die noch wenig bekannt sind und auf die adäquat reagiert werden muss oder für die vorgesorgt werden sollte.
In einer repräsentativen Umfrage wurden die Wahrnehmung der Risiken und das Bewusstsein von Beschäftigten über die Auswirkungen der Klimakrise auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit untersucht. Die DGUV befragte dazu mehr als 1.000 Beschäftigte per Online-Panel.
Angaben zur Befragung und zur Stichprobe
Bei der Zielgruppe der Befragung handelte es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigte unterschiedlicher Betriebsgrößen und verschiedener Branchen (siehe Abbildungen 1 und 2). 45 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bei ihrer Arbeit Personal- beziehungsweise Führungsverantwortung haben.
Für die Befragung wurde ein standardisierter Online-Fragebogen genutzt. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 13. bis zum 30. September 2022.
Die Zusammensetzung der Stichprobe kann bezüglich der Branchen als repräsentativ angesehen werden, da die Quoten für die Branchen entsprechend vorgegeben waren.
Bewusstsein für das Thema in den Betrieben
Zunächst interessierte, inwieweit eine Auseinandersetzung mit der Klimakrise in den Betrieben bereits stattgefunden hat oder stattfindet. Die Ergebnisse zeigen, dass nur knapp ein Viertel der Befragten angibt, dass sich der Klimawandel bereits auf die Arbeitsplätze und -tätigkeiten im Betrieb ausgewirkt hat. 43 Prozent zeigten sich unentschlossen und etwa ein Drittel stimmte der Aussage nicht zu (siehe Abbildung 3).
Ein umgekehrtes Bild zeigt sich bei der Frage, ob der Betrieb sich bereits mit den Folgen des Klimawandels für sicheres und gesundes Arbeiten auseinandergesetzt hat. Hier stimmte ein Drittel der Befragten zu, die Zahl der Unentschlossenen ist mit 44 Prozent annähernd gleich und knapp ein Viertel verneinte dies.
Führungskräfte haben stärkeres Bewusstsein für die Risiken
Sind mögliche Auswirkungen der Klimakrise für die Betriebe also bislang kaum ein Thema? Zunächst ist zu beachten, dass die Stichprobe auf der Ebene der Erwerbsbevölkerung repräsentativ ist – es ist also zu vermuten, dass ein Großteil der Befragten an Bildschirmarbeitsplätzen arbeitet. Befragungen, die sich auf Beschäftigte bestimmter Wirtschaftszweige oder Branchen konzentrieren, könnten für den jeweiligen Sektor zu einem anderen Ergebnis kommen.
Ein differenziertes Bild ergibt sich zudem, wenn Führungskräfte und Beschäftigte ohne Führungsverantwortung separat betrachtet werden. Sie unterscheiden sich in ihren Antworten deutlich (siehe Abbildung 4). Mehr als 30 Prozent der Führungskräfte waren der Meinung, dass sich der Klimawandel in den vergangenen Jahren auf die Arbeitsplätze und Tätigkeiten in ihrem Betrieb ausgewirkt hat, und 43 Prozent gaben an, dass sich ihr Betrieb mit den Folgen für sicheres und gesundes Arbeiten bereits beschäftigt. Das wird bei den Beschäftigten ohne Führungsverantwortung nicht so wahrgenommen.
Risiken für Sicherheit und Gesundheit
Die Befragten sollten für zwölf verschiedene Risiken, die in Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, einschätzen, wie relevant diese für die Sicherheit und Gesundheit in ihrem Betrieb sind. Die meisten Befragten stuften Gesundheitsprobleme und Unfallrisiken durch Hitze und psychische Stressreaktionen als dringendste Probleme ein, die durch die Klimakrise verursacht werden (siehe Abbildung 5).
Dagegen wurden Allergien und neue Allergene (21,8 Prozent) sowie Unfallrisiken durch Unwetter und Beseitigung von Folgeschäden (19,6 Prozent) und auch Krankheiten, die durch Tiere übertragen werden (14,1 Prozent), von deutlich weniger Befragten als relevant eingeschätzt. Ein Ergebnis, das sich möglicherweise mit der Zusammensetzung der Stichprobe erklären lässt, in der viele Branchen vertreten sind, deren Beschäftigte nicht im Freien arbeiten.
Handlungsbedarf für sicheres und gesundes Arbeiten
Die Beschäftigten wurden auch gefragt, bei welchen Risiken gehandelt werden müsse, damit sicheres und gesundes Arbeiten weiterhin möglich sei. Rund zwei Drittel der Befragten sahen Handlungsbedarf bei Hitze in Innenräumen und die Hälfte bei der Arbeit im Freien. 44 Prozent wünschten sich Präventionsangebote für die psychische Gesundheit von Beschäftigten. Vorgesorgt werden müsse auch für Unfallrisiken, die durch Extremwetter (42 Prozent), Gefahrstoffe (31 Prozent) und durch hitzebedingte Störungen (31 Prozent) an Maschinen entstehen könnten. Weiterhin gab ein Drittel an, dass auch an die Gefährdungen durch Krankheitserreger gedacht werden müsse. Ein Viertel machte Angaben zu Beeinträchtigungen durch Allergien und 18 Prozent votierten für die Unterstützung der Beschäftigten bei Risiken durch neue Technologien (siehe Abbildung 6).
Umgesetzte und geplante Maßnahmen in den Betrieben
Die 465 an der Studie teilnehmenden Führungskräfte wurden gesondert befragt, ob in ihrem Betrieb bereits Maßnahmen ergriffen wurden oder geplant sind, um den genannten Risiken entgegenzuwirken (siehe Abbildung 7). Die Hälfte der befragten Führungskräfte bejahte diese Frage. Ein Fünftel gab an, schon etwas umgesetzt zu haben, und 31 Prozent sagten, das gerade etwas in Planung sei. Allerdings machten 36 Prozent der Befragten keine Angaben.
Die genannten Maßnahmen wurden mithilfe des TOP-Prinzips (Technik, Organisation, Person) geclustert und in Schlagwortwolken dargestellt. Bei den technischen Maßnahmen wurden in erster Linie Klimaanlagen, Dämmungen und Außenrollos aufgezählt, aber auch Pflanzen zur Kühlung. Außerdem wurden Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung (PSA) genannt. Auch Modernisierungen von Maschinen und Geräten waren Thema sowie die generelle Einsparung von Ressourcen.
Bei den organisatorischen Maßnahmen spielten die Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie die Pausengestaltung eine große Rolle. Weiterhin wurden Notfall- und Hitzepläne genannt, aber auch Trainings, die Sensibilisierung der Beschäftigten sowie der Einsatz von mehr Personal beziehungsweise die konkrete Unterstützung durch Fachpersonal.
Da den Befragten der Hitzesommer offensichtlich noch im Gedächtnis war, verwundert es nicht, dass bei den persönlichen Maßnahmen die Getränkezufuhr sowie leichtes Essen und regelmäßige Pausen häufig genannt wurden. Die Führungskräfte empfehlen generell, die Angebote des Betriebs in Form von Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), Schulungen und Trainings sowie Teamtreffen zu nutzen, um gesund und motiviert und damit leistungsfähig zu bleiben. Außerdem ist es aus Sicht der Führungskräfte ratsam, sich zu bewegen und Sport zu treiben, sich gesund zu ernähren und für ausreichend Schlaf Sorge zu tragen.
Fazit
Die Klimakrise liegt nicht in ferner Zukunft. Sie wirkt sich schon jetzt auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten in den Betrieben aus. Eine verstärkte Sensibilisierung und Beratung durch die Verantwortlichen im Arbeitsschutz ist unerlässlich, damit sich Betriebe und Einrichtungen möglichst schnell mit den bereits spürbaren sowie den absehbaren Folgen der Klimakrise auseinandersetzen können. Es braucht Strategien zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten, damit diese gesund, motiviert und somit leistungsfähig bleiben. Die Herausforderungen sind groß, denn Normen, Regeln und Vorschriften, die uns in der Vergangenheit gute Dienste geleistet haben, werden höchstwahrscheinlich in naher Zukunft so nicht mehr funktionieren. Die Befragung der DGUV vermittelt erste Erkenntnisse dazu, wie die Auswirkungen des Klimawandels auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in den Betrieben gesehen werden und wo mögliche Handlungsbedarfe liegen. Weitere Untersuchungen – insbesondere auf der Ebene einzelner Branchen und Berufe – könnten dabei helfen, ein differenzierteres Bild der möglichen Gefährdungen zu erhalten und bedarfsgerechte Unterstützung anzubieten.