Auch in Zeiten der Krise: Europa braucht ein menschliches Antlitz

Nachrichten aus Brüssel | © Adobe Stock/somartin
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Die Corona-Pandemie betrifft uns alle unmittelbar im Alltag. Nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich. Täglich steigende Fallzahlen und zunehmende Todesfälle haben in vielen Ländern zu schwerwiegenden Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit und des täglichen Lebens geführt. Ziel ist es, die Ausbreitung der unsichtbaren Gefahr zu verlangsamen und damit die Gesundheitssysteme vor einem Zusammenbruch zu bewahren.

Schließung von Schulen, Geschäften und Restaurants, vorsorgliche Quarantäne, Reisebeschränkungen und soziale Kontaktverbote bis hin zu Ausgangssperren sind Maßnahmen, die wir uns vor einem halben Jahr noch nicht vorstellen konnten. Es hat uns aber auch gezeigt, wie unterschiedlich der Umgang mit der Epidemie in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist. Einerseits verständlich, denn es steht vieles auf dem Spiel, was miteinander nicht einfach in Einklang zu bringen ist: das Leben und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, das Überleben ganzer Volkswirtschaften und nicht zuletzt fundamentale Freiheitsrechte. Andererseits erschien vielen das Ergebnis als ein Flickenteppich, eine Vielfalt nicht immer gut miteinander kommunizierter Maßnahmen. Unabgestimmte Grenzschließungen sowie Kontrollen und die Frage, was im Krisenfall die inner- (und außer!)europäische Solidarität zu leisten vermag, ohne die Versorgung der eigenen Bürgerinnen und Bürger zu gefährden, haben vielen Menschen in Europa Sorgen bereitet.

Auch wenn die Gesundheits- und die innenpolitische Sicherheitspolitik auf europäischer Ebene nur über begrenzte Möglichkeiten und Infrastrukturen verfügt – mehr europäische Solidarität ist nun das Gebot der Stunde. Es ist gut, wenn sich die Mitgliedsländer gegenseitig helfen. Auf diesem Weg sind wir jetzt auch wieder, das zeigen zahlreiche Solidaritätsaktionen. Medizinisches Material wurde vor allem in die besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Länder geschickt und Länder wie Deutschland, Luxemburg und die Schweiz haben an COVID-19 erkrankte Patientinnen und Patienten aus Italien und Frankreich in ihren eigenen Krankenhäusern aufgenommen.

Solidarität darf sich allerdings nicht in grenzüberschreitender Mangelverwaltung erschöpfen, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Vielmehr sollte Europa den Blick in die Zukunft richten und alles unternehmen, um durch den Ausbau der notwendigen Forschungs- und Behandlungskapazitäten sowie der (Notfall-)Infrastrukturen eine Wiederholung solch dramatischer Ereignisse, wie wir sie heute erleben, mit allen Kräften zu vermeiden. Dies kann in der Tat ein gewaltiges europäisches Projekt sein, zu dem jeder und jede einen Beitrag leisten kann.

Das Coronavirus macht an den Ländergrenzen nicht halt. Keine Region wird die Herausforderungen alleine bewältigen können. Aus diesem Grund wird der Weltgesundheitsorganisation in Zukunft eine weitaus größere Bedeutung zukommen müssen. Was den Beitrag Europas angeht, so hat es die Europäische Kommission es zumindest geschafft, die Reaktionen auf das Coronavirus zu vereinheitlichen.

Damit sich die kritische Versorgungssituation mit persönlicher Schutzausrüstung auf absehbare Zeit entspannt, hat die EU-Kommission bereits im Februar damit begonnen, Schutzmasken zentral zu beschaffen. 90 Prozent der Beschaffungskosten für Tests, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung werden von der EU finanziert werden.

Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert und die Krise ist noch nicht vorüber. Einen vergleichbaren Notstand in der öffentlichen Versorgung hat man sich gar nicht vorstellen können. In der aktuellen und in der noch zu erwartenden Krise ist eines deswegen besonders wichtig: Europa muss zusammenhalten aber eigene ebenso wie auch internationale Ansätze entwickeln.