Sichere gesunde Studienbedingungen – 50 Jahre gesetzliche Unfallversicherung für Studierende

Mit Einführung der Schülerunfallversicherung für Studierende wurde eine erste Grundlage für die systematische Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger in Hochschulen geschaffen. Es ist eine Herausforderung, die besonderen Bedingungen für Sicherheit und Gesundheit in Forschung und Lehre im aktuellen Vorschriften- und Regelwerk zu berücksichtigen und dieses praxisgerecht aufzubereiten.

Die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung für Studierende im Jahr 1971 war ein wichtiger erster Schritt zur Thematisierung von Sicherheit und Gesundheit an Hochschulen. Während die zuständigen Unfallversicherungsträger für den kommunalen Bereich von Beginn an auf Prävention in Schulen und Kindertageseinrichtungen gesetzt haben, wurde die Zuständigkeit für die Hochschulen von den alten Bundesländern bis zur Ablösung der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) im Jahr 1997 zumeist auf die staatlichen Arbeitsschutzbehörden übertragen und fand nahezu ausschließlich in Gestalt punktueller Überwachung statt.

Staatliche Arbeitsschutzvorschriften galten bis zur Einführung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) im Jahr 1996 an Hochschulen bestenfalls mittelbar über Erlasse der zuständigen Landesministerien und dann auch nur für Beschäftigte. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden dem Arbeits- und Umweltschutz gesellschaftlich zunehmend höhere Prioritäten eingeräumt. Diese Entwicklung ging auch an den Hochschulen nicht vorbei, an denen nicht zuletzt aufgrund studentischer und gewerkschaftlicher Initiativen in der Folge zum Teil wesentliche Verbesserungen für Beschäftigte und Studierende erwirkt werden konnten.[1]

Mit der ersten Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 26. August 1986 wurde erstmals der Geltungsbereich einer Arbeitsschutzverordnung auf Studierende ausgeweitet. Die Einbeziehung der Studierenden war eine politische Reaktion auf eine Reihe schwerer Laborunfälle an den Hochschulen.[2] Erst mit der Neufassung der DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ im Jahr 2013 wurde das Schutzniveau für Studierende zumindest mittelbar an das für Beschäftigte angeglichen. Seitdem gelten die in staatlichem Recht bestimmten Maßnahmen auch zum Schutz von Versicherten, die keine Beschäftigten sind, unter anderen auch für Studierende.[3] Anders als für Kindertageseinrichtungen und Schulen gab und gibt es keine entsprechende Unfallverhütungsvorschrift für Hochschulen. Diese Lücke soll zukünftig die DGUV Regel „Branche Hochschule“ ausfüllen, die im laufenden Jahr 2021 veröffentlicht werden soll. Sie bildet einen Leitfaden für die Verantwortlichen in den Hochschulen und beinhaltet viele wichtige Themen zu Sicherheit und Gesundheit in Forschung und Lehre.

Organisation von Sicherheit und Gesundheit mit System

Der Weg zu sicheren und gesunden Arbeits- und Lernbedingungen für Studierende und Beschäftigte führt über die Entwicklung der Organisation in Hochschulen. Die Schaffung einer gleichermaßen transparenten wie rechtssicheren Aufbau- und Ablauforganisation für die komplexen Strukturen einer Hochschule bildet die Grundlage hierfür. Seit 1999 unterstützen Unfallversicherungsträger Projekte zur Entwicklung von Arbeitsschutzmanagementsystemen mit dem Ziel, eine prozess- und schutzzielorientierte Organisation von Sicherheit und Gesundheit zu etablieren. Mit dem übertragbaren internetbasierten „Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzmanagementsystem“ (AGUM) für Hochschulen ging 2007 ein System online, das inzwischen von mehr als 80 Hochschulen bundesweit genutzt wird. Seit 2009 wird es durch den eigens dafür gegründeten „Verein zur Pflege und Weiterentwicklung des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzmanagements e. V.“ (AGUM e.V.) betrieben und weiterentwickelt. Das Sachgebiet Hochschulen, Forschungseinrichtungen der DGUV (SG HSFE) unterstützt und berät den Verein regelmäßig bei der Aufbereitung aktueller Themen für das Managementsystem. Im Nachgang zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts[4] zu Unternehmerpflichten und Delegation von Verantwortung für Sicherheit und Gesundheit auf Professorinnen und Professoren an Hochschulen wurden seit 2016 gemeinsam entsprechende Handlungshilfen entwickelt und im AGUM hinterlegt.

Muster-Gefährdungsbeurteilung für coronabedingte Gefährdungen

Die Entwicklung und regelmäßige Fortschreibung des SARS-CoV-2-Schutzstandards für Hochschulen und Forschungseinrichtungen erfolgt seit April 2020 analog. Als wesentlichen Bestandteil enthält er die Muster-Gefährdungsbeurteilung (Muster-GBU) für den Schutz gegen die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Hochschulen.[5] Diese praktische Handlungshilfe für die Hochschulleitungen sowie die weiteren verantwortlichen Personen in Forschung, Lehre und Verwaltung haben Expertinnen und Experten des AGUM e.V. gemeinsam mit dem SG HSFE entwickelt und über die bestehenden Netzwerke binnen weniger Tage innerhalb der Hochschullandschaft in die Fläche gebracht. Die Muster-GBU dient als Beurteilungsgrundlage für SARS-CoV-2-bedingte Gefährdungen und die Ableitung entsprechender Schutzmaßnahmen für Sicherheit und Gesundheit der Studierenden und Beschäftigten.

Sicherheit in Lehre und Forschung

Neben der Aufbau- und Ablauforganisation spielen Fragestellungen zu Bau und Einrichtung sowie zur sicheren Gestaltung von praktischen Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekten eine zentrale Rolle. Ziel ist es immer, den Verantwortlichen die Systematik der Gefährdungsbeurteilung und der Ableitung geeigneter Maßnahmen daraus nahezubringen. Der Übergang von minutiös geplanten Praktikumsaufgaben im Studium zur Mitarbeit in Forschungsprojekten ist dabei speziell für fortgeschrittene Studierende fließend. Insbesondere im Bereich natur- und ingenieurwissenschaftlicher Forschungsprojekte bedarf es hierfür einer intensiven Beratung durch die Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger, da praktische Forschung auch immer bedeutet, Neuland zu betreten. Hier ist nicht selten ein Netzwerk von Expertinnen und Experten für die Gefährdungsbeurteilung gefragt, denn die Abarbeitung gängiger Checklisten führt hier nur selten zum gewünschten Ziel.

Verhältnisprävention als Schlüssel zum gesunden Studium

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen Beschäftigter und Studierender rückt seit 2013 mehr und mehr in den Fokus des SG HSFE und der Aufsichtspersonen vor Ort. Mit dem Projekt „Gesund und sicher an Hochschulen mit dem Bielefelder Verfahren –  Belastungen analysieren –  Maßnahmen evaluieren –  Prävention sichern“ hat die DGUV die systematische branchenbezogene Forschung hierzu erfolgreich unterstützt.[6] Dieses Verfahren wird im Netzwerk der teilnehmenden Hochschulen unter Federführung der Universität Bielefeld kontinuierlich fortgeführt und weiterentwickelt. In dem neuen Forschungsvorhaben „Studienbedingungen und (psychische) Gesundheit Studierender: Weiterentwicklung und Erprobung des Bielefelder Fragebogens zu Studienbedingungen als Instrument für die psychische Gefährdungsbeurteilung Studierender und Aufbau einer Hochschuldatenbank“ (Projekt-Nr. FF-FP-0460)[7] wird der erfolgreich etablierte verhältnispräventive Ansatz des „Bielefelder Fragebogens“ auf die Gruppe der Studierenden ausgeweitet.