Eine Zeitreise durch 50 Jahre Schüler-Unfallversicherung

Die Schüler-Unfallversicherung wurde durch eine Gerichtsentscheidung auf den Weg gebracht und nahm 1971 ihre Arbeit auf. Dieser Beitrag zeichnet die Geschichte dieser Errungenschaft des Sozialstaates nach.

Am 1. April 2021 wird die gesetzliche Schüler-Unfallversicherung (SUV) 50 Jahre alt und umfasst aktuell 17,6 Millionen Versicherte.[1] Die Autoren[2] haben einen großen Teil des Weges begleitet. Innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) ist die SUV die "kleine Schwester" der Unfallversicherungsfamilie. Hinsichtlich der Unfallhäufigkeit[3] ist sie allerdings größer als die allgemeine Unfallversicherung (AUV)[4]. Für die SUV sind die Unfallkassen, Landesunfallkassen und Gemeinde-Unfallversicherungsverbände zuständig.[5]

Bis ins Jahr 1971 war die UV zwar schon für etliche Personengruppen, vor allem für Beschäftigte, zuständig, jedoch noch nicht für Schülerinnen und Schüler. Mit der SUV wurde sie um einen gesellschaftlich wichtigen Bereich erweitert. Die Haftungsablösung durch die gesetzliche Unfallversicherung brachte bereits im Jahre 1885[6] Betriebsfrieden[7] in die Arbeitsverhältnisse. 86 Jahre später, ab dem 1. April 1971, zog dieser Frieden in die Schulen, Kindertagesstätten und Hochschulen ein. Seither werden Schulunfälle[8] von der UV entschädigt. Gleichzeitig bauten Unfallkassen und Gemeinde-Unfallversicherungsverbände die Prävention für diesen neuen Bereich auf. Sie schufen Arbeitseinheiten, die mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Unfällen in Bildungseinrichtungen und für die Erste Hilfe sorgen. Innerhalb der DGUV entstanden im Fachbereich Bildungswesen gut vernetzte Sachgebiete für den Bereich der SUV.[9]

1. Entstehungsgeschichte

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Jahre 1967 den Fall einer 13-jährigen Schülerin zu entscheiden, die sich im Schulsportunterricht schwer verletzt hatte. Der BGH mahnte eine angemessene öffentlich-rechtliche Entschädigung an anstatt der bisherigen zivilrechtlichen Haftungsansprüche.[10] Bis dahin war nämlich nur die berufliche Ausbildung in Betrieben und Schulen über die Reichsversicherungsordnung (RVO) gesetzlich unfallversichert. Das Risiko von Schulunfällen war in den Bundesländern nur über private Versicherungsverträge abgedeckt, noch dazu mit Leistungshöchstgrenzen. Studierende waren gar nicht gesetzlich unfallversichert, es sei denn, sie besuchten eine Staatliche Ingenieurs- und Höhere Wirtschaftsschule.[11]

In den Gesetzesmaterialien des Deutschen Bundestages war eine Ergänzung um den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz bereits seit 27. November 1968 erkennbar, aber erst der Gesetzentwurf vom 30. Oktober 1970 enthielt konkrete Ausgestaltungsvorschläge.[12] In § 539 Abs. 1 Nr. 14 RVO[13] wurden neben den Lernenden während der beruflichen Aus- und Fortbildung nunmehr auch Schüler und Schülerinnen während des Besuchs allgemeinbildender Schulen sowie Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen genannt. Auf Intervention des Bundesrates kamen noch Kinder während des Besuchs von Kindergärten hinzu. Eine entsprechende Gesetzeserweiterung trat am 1. April 1971 in Kraft. In den Gesetzesmaterialien[14] ging man von neun Millionen Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen aus, die gemessen an der bisherigen Unfallhäufigkeit pro Jahr etwa 170.000 Unfälle haben würden.[15]

Das Datum 1. April 1971 ist die eigentliche Geburtsstunde der Schüler-Unfallversicherung. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen Erweiterungen der SUV. Seit dem 1. Januar 1997 ist der gesetzliche Unfallversicherungsschutz im 7. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)[16] kodifiziert (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 a–c und Nr. 2 SGB VII) und erfasst folgende Personengruppen:

  • gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 die Lernenden während der beruflichen Aus- und Fortbildung,
  • nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen,
  • in § 2 Abs. 1 Nr. 8b die große Gruppe der Schülerinnen und Schüler und
  • in § 2 Abs. 1 Nr. 8c die Studierenden während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen.[17]

Die einzelnen Erweiterungen der Schüler-Unfallversicherung sind gesellschaftlichen Entwicklungen geschuldet. Beispiele für diese gesetzliche Ausdehnung in § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII sind bis dahin nicht versicherte Betreuungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen oder die Betreuung von Kindern durch geeignete Tagespflegepersonen oder die Teilnahme an vorschulischen Sprachförderkursen.[18]

Zum 1. Januar 1997 wurde der versicherte Personenkreis um Kinder in Tageseinrichtungen wie Krippen und Horten erweitert.[19] Damit wurde die bisherige Eingrenzung auf vorrangig vorschulische Bildung aufgegeben. Hinzu kamen dadurch den Versicherungsschutz rechtfertigende Aspekte wie Einbindung in fremde, staatlich regulierte beziehungsweise kontrollierte Verantwortungsorganisation. Fortan standen staatlich organisierte Bildung, Erziehung und Betreuung unter grundsätzlichem Versicherungsschutz.[20]

Nebenbei seien die Erweiterungen der versicherten Tätigkeiten beim Zurücklegen des versicherten Weges gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII erwähnt.[21] Hier sind verschiedene Tatbestände genannt, die auch einen abweichenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit unter gesetzlichen Unfallversicherungsschutz stellen. So wurde auch der Schutzbereich auf Personen ausgedehnt, die ihren Arbeitsweg verlängern, um ihre Kinder in fremde Obhut zu bringen.[22] Der Rückweg der telearbeitenden Eltern eines Kindes zum Homeoffice ist vom Bundessozialgericht (BSG) aufgrund der geltenden Rechtslage als nicht versichert angesehen worden.[23] Um auch für diese Fallgestaltung im Rahmen des Homeoffice Versicherungsschutz herleiten zu können, ist aktuell eine Gesetzeserweiterung im Gespräch.[24] Ebenso sind die Kinder selbst auf den beruflich bedingten Umwegen ihrer Eltern oder deren Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern versichert.[25]

Zum 1. Januar 1997 wurde der versicherte Personenkreis um Kinder in Tageseinrichtungen wie Krippen und Horten erweitert.

2. Entwicklung in der Rechtsprechung

2.1. Kinder in Tageseinrichtungen oder bei Tagespflegepersonen

Bei Kindern in Tageseinrichtungen knüpft der Versicherungsschutz an die Erlaubnis der Träger für den Betrieb der Einrichtung nach § 45 SGB VIII oder einer entsprechenden landesrechtlichen Vorschrift an.

Mehr noch als bei Schülerinnen und Schülern kommt bei Kindern im vorschulischen Alter den Besonderheiten ihres Entwicklungsstandes eine besondere Bedeutung zu. Kinder dieser Altersgruppe bedürfen ständig persönlicher Fürsorge und Obhut. So wurde bei einem Kind, das in die Obhut eines Kindergartens gegeben wird, durch die mit den Eltern geschlossene Vereinbarung eine entsprechende umfassende Obhutspflicht gesehen, die so lange andauert, bis das Kind die Einrichtung in erlaubter Weise wieder verlässt. Wenn das Kind unerlaubterweise die Einrichtung verlässt, dann steht es weiterhin innerhalb der Obhutspflicht und des Verantwortungsbereichs der Einrichtung und damit auch unter Versicherungsschutz. Dies gilt auch für einen grundsätzlich unversicherten häuslichen Bereich (hier: Laubengang des elterlich bewohnten Hochhauses), wenn das Kind noch nicht in die Obhut seiner Personensorgeberechtigten gelangt war.[26] Für den Versicherungsschutz war hier nicht entscheidend, dass der Nachhauseweg unfallfrei zurückgelegt wurde.

Diese vorgenannte BSG-Entscheidung hebt sich damit von der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Rechtsprechung ab. Beispielhaft sei auf eine vergleichbare Entscheidung hinzuweisen, in der ein Kindergartenkind von seiner 16-jährigen Schwester abgeholt wurde und auf einem aus privaten Gründen gewählten Umweg verunfallte.[27] Diesen Umweg musste sich das Kind zurechnen lassen. Die Frage, ob auch dieses Kind infolge der Abholung durch die minderjährige Schwester schon in die Obhut einer oder eines Personensorgeberechtigten gelangt war – was zu bezweifeln ist –, wurde in dieser Entscheidung nicht thematisiert.

Bei den Kindern in Tagespflege hat der Gesetzgeber als Voraussetzung in § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII aufgenommen, dass die „Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches“ erfolgen muss. Von Anfang an war umstritten, wie dieser Verweis auszulegen ist. Bis ins Jahr 2018 wurde die Auffassung vertreten, dass die Feststellung der Eignung der Tagespflegeperson durch das Jugendamt als ausreichender Anknüpfungspunkt für die staatliche Verantwortung und damit den Versicherungsschutz angesehen wurde. Dabei spielte nicht zuletzt auch der Gedanke einer umfassenden Absicherung der Kinder in Tagesbetreuung eine Rolle, zumal damit keine nur schwer nachvollziehbare Unterscheidung beim Versicherungsschutz der in Betreuung einer geeigneten Tagespflegeperson befindlichen Kinder erforderlich wurde.

Das BSG hat allerdings im Jahr 2018[28] entschieden, dass die bis dahin vertretene Auffassung nicht der Rechtslage entspricht. Eine Versicherteneigenschaft der Kinder in Tagespflege besteht grundsätzlich nur dann und insoweit, als der Betreuungsvertrag zwischen Erziehungsberechtigten[29] und der Tagespflegeperson unter Beteiligung des Jugendamtes[30] oder einer von ihm beauftragten Stelle zustande gekommen ist (dreiseitiger Betreuungsvertrag). Auch wenn es in dem vom BSG entschiedenen Fall nicht auf diese Frage ankam, war dem BSG die Feststellung, unter welchen Umständen die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes der Kinder vorliegen, so wichtig, dass es seine Auffassung in diesem Urteil deutlich formuliert hat.[31] Da die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung an die Gesetze und deren von der Rechtsprechung vorgegebene Auslegung gebunden sind, musste die bisher vertretene Auffassung revidiert werden.

Die Möglichkeit der als geeignet anerkannten Kindertagespflegepersonen, Kinder auch ohne Beteiligung oder Kenntnisnahme des Jugendamtes in ihre Betreuung zu nehmen, wird damit nicht beschnitten. Allerdings ist die rechtliche Wirkung dann so, dass diese Kinder nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterliegen. Dass es bei Kindern, die sich in Betreuung derselben geeigneten Tagespflegeperson befinden, zu Unterschieden in der unfallversicherungsrechtlichen Beurteilung kommen kann, wird auch in den Reihen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung kritisch gesehen. Sie lässt sich aber aufgrund der gesetzlichen Regelungen und der sie auslegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vermeiden.

2.2. Schülerinnen und Schüler

Sowohl in der aktuell gültigen Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII als auch in der Vorgängervorschrift des damaligen § 539 Abs. 1 Nr. 14b RVO definiert sich der Versicherungsschutz nicht nur durch die Eigenschaft als „Schüler“, sondern wird ergänzt durch den Zusatz „während des Besuchs allgemein- oder berufsbildender Schulen“.

Dies verdeutlicht, dass nicht alle Tätigkeiten, die der Eigenschaft als Schüler zugerechnet werden können, versichert sein sollen. Vielmehr wurde durch die Ergänzung klargestellt, nur diejenigen Verrichtungen unter Unfallversicherungsschutz stellen zu wollen, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule fallen. Diese grundsätzliche Feststellung, dass beim Besuch der Bildungseinrichtung nicht von einem umfassenden Versicherungsschutz ohne Rücksicht auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der jeweiligen Einrichtung ausgegangen werden kann, ist fester Bestandteil der ständigen Rechtsprechung.[32]

Dieser Verantwortungsbereich erfordert im Regelfall einen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Schulbesuch, der grundsätzlich entfällt, wenn schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet sind.[33]

Dabei ist der Versicherungsschutz nicht nur auf die Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen innerhalb des Schulgebäudes begrenzt. Schon in der Gesetzesbegründung findet sich hierzu: „Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf den Unterricht (einschließlich der Pausen) und andere schulische Veranstaltungen (etwa Schulausflüge, Schulreisen oder die Tätigkeit in der Schülermitverwaltung), sowie auf den Weg zu und von der Schule oder dem Ort, an dem eine Schulveranstaltung stattfindet.“[34]

Durch die Sozialgerichtsbarkeit ist frühzeitig darauf hingewiesen worden, dass für die Zurechnung von Schulunfällen zu Schulbesuch und Schulweg grundsätzlich die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Unfallversicherung, die die Rechtsprechung unter Zustimmung des Schrifttums entwickelt hat, maßgeblich sind; dabei sind aber Besonderheiten des Schulbetriebs und des Schülerverhaltens zu berücksichtigen.[35]

Die Unfallversicherungsträger und die Sozialgerichtsbarkeit standen dabei vor der Herausforderung, das Schülerverhalten, das altersabhängig durch „Spieltrieb“, „Sich-erleben-Wollen“, „Ausprobieren“ und von „gruppentypischem Verhalten“ geprägt sein kann, mit den aufgestellten Rechtsgrundsätzen in Einklang zu bringen. Dabei ist die Rechtsprechung auch ein Spiegelbild des sich wandelnden Schulalltages.[36]

Exemplarisch zur Darstellung der Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen werden folgende Sachverhalte näher betrachtet:

Für die Frage des Unfallversicherungsschutzes ist entscheidend, ob die Hausarbeiten dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zuzurechnen sind.

2.2.1. Hausaufgaben

Unter dieser Begrifflichkeit sind sprachgebräuchlich all jene Tätigkeiten zu subsumieren, die von der Lehrerin, dem Lehrer aufgegeben werden und die die Schülerinnen und Schüler zu Hause erledigen müssen.[37]

Einige Bundesländer verfügen über eigene Regelungen zur Definition und zum Umgang mit Hausarbeiten. So heißt es beispielhaft in einem Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums: „Hausaufgaben müssen aus dem Unterricht erwachsen und in den Unterricht eingebunden sein. Es dürfen nur solche Hausaufgaben gestellt werden, deren selbstständige Erledigung den Schülerinnen und Schülern möglich ist. Die Schule würdigt die bei den Hausaufgaben gezeigten Leistungen der Schülerinnen und Schüler angemessen und fördert auch auf diese Weise deren Motivation. Hausaufgaben dürfen jedoch nicht mit Noten bewertet werden.“[38]

Für die Frage des Unfallversicherungsschutzes ist entscheidend, ob die Hausarbeiten dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zuzurechnen sind. Die Klärung dieser Frage erfolgte höchstrichterlich. In mehreren Entscheidungen hat das BSG klargestellt, dass Schülerinnen und Schüler bei der Anfertigung von Hausaufgaben in ihrer privaten Lebenssphäre (wie zum Beispiel der Anfertigung eines Werkstückes) grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert sind.[39]

Für den Versicherungsschutz positiv beurteilt wurde die Erledigung der Hausaufgaben im Rahmen einer in der Schule stattfindenden Hausaufgabenhilfe, an der die Schule personell und organisatorisch beteiligt war.[40]

In der Vergangenheit haben im Einzelfall auch konkrete Aufträge einer Lehrkraft dazu geführt, dass in diesem Zusammenhang im privaten Bereich zurückgelegte Wege versichert waren (zum Beispiel Besorgen von Tümpelwasser)[41].

Beachtlich ist in diesem Zusammenhang eine aktuelle Entscheidung des BSG.[42] In dieser Entscheidung ging es um Schülerinnen und Schüler einer Realschule, die in Kleingruppen einen Werbeclip zu einem bestimmten Produkt filmen, schneiden, bearbeiten und mit passender Musik unterlegen sollten. Der Werbeclip sollte außerhalb des Schulunterrichts im privaten Bereich gedreht werden. Dabei war nur der Abgabetermin, nicht aber Drehzeit und Drehort vorgegeben. Nach den Dreharbeiten im häuslichen Bereich eines Mitschülers kam es auf dem direkten Weg nach Hause zu einem Unfall. Grundsätzlich bestätigt das Gericht unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung zu Hausaufgaben, weiterhin uneingeschränkt an dieser festzuhalten.

Der aktuellen Entscheidung sind allerdings weitergehende Ausführungen zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zu entnehmen. So kann dieser nur mit Rücksicht auf den „Verantwortungsbereich der Eltern“ bestimmt werden. Unter Hinweis auf die Personensorge[43] treten die Befugnisse der staatlichen Schulen und ihre Einflussmöglichkeiten außerhalb der Schule hinter dem Elternrecht zurück. Der elterliche Verantwortungsbereich setzt ein, sobald der schulische Verantwortungsbereich entfällt. Letztendlich hat der Senat den Versicherungsschutz bejaht, da die im häuslichen Bereich durchgeführte schulisch initiierte Gruppenprojektarbeit in den schulischen Verantwortungsbereich fiel. Die Gründe hierfür waren im Wesentlichen:

  • schulisch veranlasste Gruppenarbeit
  • Die haftungsrechtlichen Belange der betroffenen Lehrkraft dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
  • Die Schule darf ihren Schülerinnen und Schülern den Versicherungsschutz und das Haftungsprivileg nicht dadurch entziehen, dass sie wirksame Aufsichtsmaßnahmen unterlässt und damit selbst eine Situation herbeiführt, in der die gesetzliche Unfallversicherung ihre Schutzfunktion dann nicht mehr wahrnehmen kann.
  • Eine Entscheidung der Sorgeberechtigten über die Teilnahme ihres Kindes hätte die gesamte Projektarbeit und das dahinterstehende pädagogische (Schul-)Konzept infrage gestellt.
  • Der Lernort ist mit Ausnahme des „gastgebenden“ Mitschülers für alle anderen Gruppenmitglieder fremd, und die Gruppenarbeit ist für sie keine im privaten Verantwortungsbereich ihrer Eltern zu erledigende „Hausaufgabe“.

In der Literatur wurde das vorgenannte „Projektarbeit-Urteil“ kommentiert und zum Teil kritisch hinterlegt.[44]

Die aktuelle Coronavirus-Pandemie führt auch in der SUV zu neuen Herausforderungen. Der Versicherungsschutz für virtuelle Unterrichtsangebote ist in Abgrenzung zu den ebenfalls im häuslichen Bereich durchgeführten Hausarbeiten zu beurteilen.

So kann unter anderem das jeweilige Landesrecht den relevanten organisatorischen Verantwortungsbereich einer Schule begründen, wenn sich das digitale Angebot als Ausfluss zur bestehenden Schulpflicht darstellt und geeignet ist, der Präsenzpflicht in der herkömmlichen Unterrichtsgestaltung zu entsprechen. Dies könnte zum Beispiel die verpflichtende Teilnahme am bi-direktionalen digitalen oder webbasiertem Unterricht unter Beteiligung der Lehrenden und Dozierenden sein.

Inzwischen sind bereits einige Urteile zum Homeoffice in der allgemeinen Unfallversicherung bekannt. Hierbei stützen sich die Gerichte auf die bisherigen Grundsätze zum Unfallversicherungsschutz, also auf die Prüfung des sachlichen Zusammenhangs zur versicherten Tätigkeit. Eines „Lex Homeoffice“ bedarf es nicht, um nach bisherigen Grundsätzen zu entscheiden, ob gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht. Genauso verhält es sich bei der Frage, ob Homeschooling gesetzlich unfallversichert ist. Die Antwort findet sich in der positiven oder negativen Beurteilung, ob zum Unfallzeitpunkt eine organisatorische schulische Verantwortung besteht. Diese Frage ist im elterlichen Bereich nicht immer einfach zu beantworten. Wenn jedoch ein Distanzunterricht durchgeführt wird, werden Zweifel am organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule kaum geltend gemacht werden können.

2.2.2. Essen und Trinken

Die Besorgung von Nahrungsmitteln und Getränken ist – wie das Essen und Trinken selbst – in der Regel eine dem persönlichen und daher unversicherten Lebensbereich zuzurechnende Betätigung.[45]

Versicherungsschutz während der Nahrungsaufnahme kann nur dann angenommen werden, wenn der eingetretene Schaden wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht wird. Ein Zusammenhang wurde beispielsweise bejaht bei:

  • betriebsbedingter Hast und Eile[46]
  • der Einnahme von verdorbenen Lebensmitteln in der Kantine[47]
  • schadhaftem Besteck oder schadhaften Einrichtungsgegenständen[48]

Das BSG hat es als mit dem Sinn und Zweck der Unfallversicherung für Schülerinnen und Schüler vereinbar angesehen, die Grundsätze aus der allgemeinen Unfallversicherung für den Versicherungsschutz auf Wegen zur Einnahme von Mahlzeiten und zum Besorgen von Lebensmitteln auch hier anzuwenden.[49] Allerdings sind bei den jungen Versicherten andere Maßstäbe zur rechtlichen Beurteilung anzusetzen. Angefangen in Kindertageseinrichtungen oder bei der Betreuung durch eine Tagespflegeperson, steht bei Kindern circa bis zum sechsten Lebensjahr auch der erzieherische Aspekt im Vordergrund. Hier sollen nicht nur die richtigen Verhaltensweisen bei der Nahrungsaufnahme gelernt werden, sondern auch im pädagogischen Sinne den Kindern der Umgang mit Nahrungsmitteln, die gesunde Ernährung, aber auch unterschiedliche Geschmackserfahrungen vermittelt werden. Ein den eigenwirtschaftlichen und damit nicht versicherten Betätigungen zuzurechnender Bereich ist während der Zeit der Betreuung in der Kindertageseinrichtung kaum denkbar.[50] Die Kinder im Elementarbereich sind grundsätzlich während des gesamten Besuchs der Einrichtung versichert.[51] Dies ist auch höchstrichterlich bestätigt worden.[52]

Bei den Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen ist ein anderer Maßstab anzusetzen. Dort gilt – wie bei erwachsenen Versicherten –, dass die Esseneinnahme als solche eine eigenwirtschaftliche Verrichtung darstellt und vom Versicherungsschutz nicht erfasst wird.[53] Dies gilt auch für Verrichtungen, bei denen Schülerinnen und Schüler sich rein persönlichen Tätigkeiten widmen wie Essen, Trinken und Schlafen oder einem privaten Spaziergang.[54]

Im Unterschied zur allgemeinen Unfallversicherung besteht bei der gemeinsamen Nahrungsaufnahme und dem Trinken in Tageseinrichtungen und in Ganztagsschulen allgemein Versicherungsschutz.[55]

2.2.3. Spielerei/Neckerei

Wer sich noch an seine eigene Schulzeit erinnert oder während einer Schulpause an einem Schulhof vorbeigeht, weiß, dass nicht nur dem Bewegungstrieb, sondern auch dem Spieltrieb – insbesondere im Grundschulbereich – eine große Bedeutung zukommt.

Wesentlich für die Beurteilung von Unfällen im Rahmen von Spiel oder Neckerei ist das Alter der betroffenen Kinder.

Unkritisch ist hierbei der Kreis der Personen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII versichert sind. Bei diesen jungen Versicherten wird die Dauer der Betreuung neben erzieherischen und pädagogischen Elementen auch wesentlich von der kindgemäß-spielerischen Betätigung geprägt.

Auch bei Schulkindern hat das BSG darauf hingewiesen, dass sich diese Gruppe noch in einem Alter befindet, in dem erfahrungsgemäß der Spieltrieb und das Gruppenverhalten eine dieses Alters mitkennzeichnende Bedeutung haben und dem entsprechend auch versicherungsrechtlich Rechnung zu tragen ist.[56]

In der Regel kann jedoch mit Vollendung des 18. Lebensjahres von genügender Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden, sodass grundsätzlich nur bei jüngeren Schülerinnen und Schülern von Besonderheiten gesprochen wird.[57] Aber auch ohne Anwendung einer schematischen Altersgrenze kommt es entscheidend auf die Art der Spielerei und insbesondere auf die Fähigkeit des verunglückten Schülers oder der verunglückten Schülerin an, deren Gefährlichkeit zu erkennen.[58]

Schon für die Frage des Unfallversicherungsschutzes bei Beschäftigten hat das BSG klargestellt, dass der durch einen jugendlichen Arbeitnehmer infolge spielerischen Verhaltens verursachte Unfall nach ständiger Rechtsprechung nicht ohne Weiteres nach den Maßstäben zu beurteilen ist, die für erwachsene Beschäftigte gelten.[59]

Weitere Faktoren können dazu führen, dass grundsätzlich dem eigenwirtschaftlichen (privaten) Bereich zuzurechnende Tätigkeiten dem versicherten Schutzbereich unterfallen. Dies ist der Fall bei einer unzureichenden Beaufsichtigung oder einem sonstigen Versäumnis der Schulleitung.

2.2.4. Schulfahrten, Schulausflüge, Klassenfahrten

Bei Sichtung der Rechtsprechung zur SUV fällt auf, dass Schul- oder Klassenfahrten immer wieder Anlass für sozialgerichtliche Verfahren gegeben haben.

In den einzelnen Bundesländern finden sich Regelungen zur Genehmigung und Durchführung von Schulfahrten. Zur Begrifflichkeit findet sich exemplarisch in Niedersachsen dazu folgende Bestimmung: „Schulfahrten sind Schulveranstaltungen, mit denen definierte Bildungs- und Erziehungsziele verfolgt werden; dazu zählen auch Schüleraustauschfahrten und Schullandheimaufenthalte.“[60]

Auch das BSG hat deutlich gemacht, dass ein „Besuch der Schule“, wie ihn § 2 Abs. 1 Nr. 8b Alt. 1 SGB VII tatbestandlich voraussetzt, folglich nicht ausschließlich im Schulgebäude und auf dem Schulgelände stattfindet.[61]

Schon 1976 ist höchstrichterlich entschieden worden, dass zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule auch eine unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrt gehört.[62]

In der Regel wird der organisatorische Verantwortungsbereich zu bejahen sein, wenn die Klassenfahrt von der Schulaufsichtsbehörde genehmigt worden ist. Aber selbst bei der unterlassenen Einholung einer Genehmigung kann es sich um eine versicherte Schulveranstaltung handeln.

In einem konkreten Fall hatte ein Oberstudienrat im Januar 1976 unter anderem mit einem Anschlag am „Schwarzen Brett“ der Schule für eine von ihm organisierte 16-tägige Veranstaltung in den Osterferien geworben. Die Schulleitung hatte keine Genehmigung als Schulveranstaltung beantragt. Trotzdem wurde diese Schulfahrt unter Unfallversicherungsschutz gestellt.[63] In seiner Entscheidung hierzu führt der Senat aus, dass der innere Zusammenhang mit dem Besuch der Schule nicht entfällt, wenn die Schule eine Veranstaltung durchführt und dabei nicht die hierfür erlassenen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beachtet.

Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an einer von der Schule durchgeführten Veranstaltung muss wesentlich durch den Besuch der Schule bedingt sein. Das ist auch dann der Fall, wenn die im inneren Zusammenhang mit der Ausbildung stehende Veranstaltung nicht schulrechtlichen Vorschriften entspricht. Für Eltern, Schülerinnen und Schüler ist es regelmäßig nicht erkennbar, ob eine Veranstaltung der Schule die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere ob die Veranstaltung von der hierfür zuständigen Behörde als Schulveranstaltung hätte genehmigt werden müssen und ob diese Genehmigung gegebenenfalls erteilt wurde. In jedem Falle ist versicherungsrechtlich bei nicht in den Lehrplan aufgenommenen Veranstaltungen entscheidend, dass die Schülerinnen und Schüler an der Veranstaltung deshalb teilnehmen, weil sie von ihrer Schule durchgeführt wird. Ob die Teilnahme an einer Veranstaltung der Schule im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch steht, richtet sich danach, ob die beteiligten Eltern und auch die Lernenden davon ausgehen konnten, dass es sich um eine organisatorisch von der Schule als Schulveranstaltung getragene Schulfahrt handelt.

Allerdings besteht Versicherungsschutz nicht schlechthin während der gesamten Dauer der Klassenfahrt für jedwede Betätigung der Personen, die an der Reise teilnehmen.[64] Allein aus der organisatorischen Verantwortlichkeit der Schule kann kein Versicherungsschutz „rund um die Uhr“ hergeleitet werden.[65]

Bei der Befriedigung privater Bedürfnisse besteht kein Versicherungsschutz. Allerdings können hierbei Umstände, die durch die Klassenfahrt bedingt sind, hinzukommen, die dazu führen, einen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu bejahen.[66]

Zu solchen Handlungen, die zur Gefährdung führen können und deshalb bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sind, gehören neben den auf natürlichem Spieltrieb ebenso die auf typischem Gruppenverhalten beruhenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen.[67]

So wird als typisches Gruppenverhalten gewertet, dass Kinder und Jugendliche bei Auseinandersetzungen das Schubsen dem sachlichen Gespräch vorziehen und ihr Verhalten hierbei in eine Rangelei, sogar Schlägerei hineingleiten kann.[68]

Unabhängig von den vorgenannten Verhaltensweisen ist bei der Durchführung von rein persönlichen Tätigkeiten eine Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit anzunehmen, wenn die Schülerin oder der Schüler eine von der Aufsicht führenden Lehrkraft ausdrücklich verbotene Tätigkeit (Sprung von einer Sprungschanze, Fahrt mit einem Motorroller) ausübe.[69]

Ein den eigenwirtschaftlichen und damit nicht versicherten Betätigungen zuzurechnender Bereich ist während der Zeit der Betreuung in der Kindertageseinrichtung kaum denkbar.

2.3. Studentinnen und Studenten

Während der Aus- und Fortbildung besteht für immatrikulierte Studierende gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei studienbezogenen Tätigkeiten im organisatorischen Verantwortungsbereich ihrer Einschreibungshochschule.[70]

2.3.1. Hochschulsport

Anders als beim Schulbesuch gehört bei den Studierenden die Ausübung von Sport nicht zu einem fest vorgeschriebenen Leistungsfach (mit Ausnahme der Sportstudierenden), sondern kann auf freiwilliger Basis neben dem Studienfach ausgeübt werden.

Die Grundlage hierfür findet sich im Hochschulrahmengesetz (HRG). Danach fördern die Hochschulen in ihrem Bereich den Sport.[71]

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat in ihrem Beschluss vom 9. November 1990 die Aufgaben des Hochschulsports genauer beschrieben.[72] So habe der allgemeine Hochschulsport eine „wichtige gesundheitliche, soziale und persönlichkeitsbildende Aufgabe“ zu erfüllen. Er soll insbesondere einen gesundheitlichen Ausgleich zur einseitigen Belastung bieten, einer sinnvollen Freizeitgestaltung und der Erholung dienen, ein Feld gegenseitigen Kennenlernens beim gemeinsamen Sporttreiben eröffnen, die Integration der verschiedenen Hochschulgruppen durch gemeinsame Sportaktivitäten und Geselligkeit fördern, die Identifikation der Hochschulangehörigen mit ihrer Hochschule positiv beeinflussen, die integrativen Möglichkeiten des Sports auch behinderten und ausländischen Hochschulangehörigen erschließen und Anreiz zum selbstständigen Sporttreiben schaffen.

Diese Bildungsziele rechtfertigen es, die sportliche Betätigung Studierender unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, wenn die Hochschule in ihrem organisatorischen Verantwortungsbereich Sportveranstaltungen durchführt, um ihren landesgesetzlichen Sportförderungsauftrag zu erfüllen.[73]

Eine Immatrikulation an der Hochschule ist dabei zwingende Voraussetzung für die Begründung eines Unfallversicherungsschutzes.[74] Dies gilt nicht nur für den Besuch von Vorlesungen, sondern auch für die Teilnahme am Hochschulsport.[75]

Die erforderliche Studienbezogenheit ist grundsätzlich auch während der sportlichen Betätigung im Rahmen des Hochschulsportes gegeben.[76]

Da die jeweilige Sportveranstaltung zum Zweck der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags der Sportförderung der Hochschule durchgeführt werden muss, hat sich der Kreis der Teilnehmenden grundsätzlich im Wesentlichen auf die Studierenden zu beschränken. Dies schließt aber nicht aus, dass auch andere Hochschulangehörige an diesem Sportangebot der Hochschule teilnehmen. Bietet dagegen die Universität einen Kurs an, an dem unbeschränkt alle teilnehmen können, liegt keine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Sportveranstaltung vor, selbst wenn der Sportkurs im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule durchgeführt wird.[77]

Ebenso wie beim Besuch allgemeinbildender Schulen ist der Versicherungsschutz während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen, zur Abgrenzung vom eigenwirtschaftlichen Bereich der Studierenden, auf Tätigkeiten innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Hochschule beschränkt.[78]

Dieser Verantwortungsbereich der Hochschule erfordert grundsätzlich, dass ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang der Sportveranstaltung zur Hochschule besteht. Der besteht zum Beispiel nicht mehr, wenn keine Aufsicht durch die Universität gestellt wird.[79]

Der organisatorische Verantwortungsbereich ist aber auch dann gegeben, wenn die Hochschule zumindest eine organisatorische Mitverantwortung für die Teilnahme an der Veranstaltung trägt. Das heißt, die Studierenden sind in der Ausgestaltung des Sports nicht völlig frei und die Tätigkeit der Hochschule beschränkt sich nicht auf reine Unterstützungsleistungen.[80]

Allein die Nutzung der Hochschulsportanlage durch Studierende begründet für sich allein betrachtet nicht den organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule.

Da die zum Betriebssport von Beschäftigten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII entwickelten Grundsätze nicht auf Studierende übertragbar sind, kann auch der sportliche Wettkampf unter Versicherungsschutz stehen, wenn er als Fortsetzung des Hochschulsports zu sehen ist. Dies ist der Fall, wenn die am Wettkampf teilnehmenden Personen aus dem Kreis der am Hochschulsport teilnehmenden Studierenden kommen, sodass sich die Hochschulmannschaft aus den (besten) Studierenden des Hochschulsports zusammensetzt.[81]

2.4. Wegeunfälle

Bevor wir einen Blick auf die rechtlichen Besonderheiten werfen, lohnt es sich, das Unfallgeschehen in der SUV[82][82] in Bezug auf die Zurücklegung des Weges genauer zu betrachten. Von den 2019 erfassten meldepflichtigen Schulunfällen im Straßenverkehr wurde der Weg in folgender Weise zurückgelegt:

  • 14,93 Prozent ohne Verkehrsmittel
  • 70,83 Prozent privates Verkehrsmittel (führend dabei das Fahrrad mit 48,16 Prozent)
  • 7,91 Prozent öffentliches Verkehrsmittel
  • 6,33 Prozent sonstige/keine Angabe

Die Art des gewählten Fortbewegungsmittels spielt für den Versicherungsschutz keine Rolle.[83] So ist es völlig unerheblich, ob der Weg mit dem Roller, dem Skateboard, dem Inliner oder dem Fahrrad zurückgelegt wird. Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen zum Beispiel von einer Grundschule den Schülerinnen und Schülern das Zurücklegen des Weges mit dem Fahrrad nicht empfohlen wird. Insbesondere infolge des Anstiegs von Fahrradunfällen gilt aber, dass Kinder und Jugendliche den Weg zur Kindertagesbetreuung oder Schule mit Roller oder Fahrrad erst zurücklegen sollten, wenn sie sowohl den Umgang mit dem Fahrzeug als auch den Weg sicher beherrschen. Weiterhin wird dringend empfohlen: Allein Fahrrad fahren erst mit Bestehen des sogenannten Fahrradführerscheins und immer mit Helm.[84]

Die vor Einführung der SUV ergangene Rechtsprechung findet auch für die Wegeunfälle Anwendung. Allerdings sind die altersbedingten Besonderheiten zu berücksichtigen.

Beim Schulweg ist dem Spieltrieb von Schulkindern Rechnung zu tragen.[85]

Ein Umweg, der durch Bummeln, Verlaufen, durch Spieltrieb oder Neugier bedingtes geringfügiges Abweichen entstanden ist, kann deshalb möglicherweise als versichert angesehen werden.[86]

Allerdings ist dabei nicht jede Tätigkeit dem Spieltrieb zuzurechnen. So wurde der Unfallversicherungsschutz für einen 14½-jährigen Schüler, der auf dem Schulweg mit explosiven Chemikalien experimentierte, abgelehnt. Es habe sich hierbei keinesfalls um eine Spielerei gehandelt, die ihrer Art nach zu denen gehört, die üblicherweise von gleichaltrigen Schülerinnen und Schülern auf dem Schulweg durchgeführt werden.[87]

Eine Frage, die in der Praxis mit der Zurücklegung von Wegen immer wieder aufkommt, ist die Frage nach dem Fortbestehen des Unfallversicherungsschutzes beim Verlassen des Schulgeländes zum Beispiel in der Pause. Grundsätzlich unterliegen Kinder beim Verlassen des Schulgeländes nicht mehr dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Es kommt entscheidend darauf an, welches Ziel sie mit dem Zurücklegen des Weges verfolgen. Dient der Weg privaten Interessen wie der Erledigung privater Besorgungen, einer privaten Verabredung oder einem Stadtbummel, dann besteht kein Versicherungsschutz. Wurde das Schulgelände verlassen, um einen Weg zur Nahrungsaufnahme zurückzulegen, kann der Weg versichert sein.

Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an einer von der Schule durchgeführten Veranstaltung muss wesentlich durch den Besuch der Schule bedingt sein.

2.5. Arbeitsgerät

Unter den Schutz der UV fallen auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung des Unternehmers oder der Unternehmerin erfolgen.[88] Diese Norm gilt auch für die SUV. Dabei stellte sich aber zunächst die Frage, ob es in diesem Bereich überhaupt Arbeitsgeräte geben kann. Hierzu hat das BSG deutlich gemacht, dass nicht jeder Gegenstand, nur weil er zur Verrichtung einer betrieblichen Arbeit gebraucht werden kann, ein Arbeitsgerät im Sinne des § 549 RVO a. F. ist.[89] Erforderlich ist in erster Linie, dass das Arbeitsgerät zur Verrichtung versicherter Tätigkeiten gebraucht wird.[90] Als Beispiele für Arbeitsgeräte im Schulbereich werden in der oben angeführten Entscheidung Bücher, Schreibhefte, Schreibmaterial und Zirkel genannt.

Auch ein Malkasten ist ein Arbeitsgerät im Sinne der obigen Vorschrift. Selbst wenn dieser auch im außerschulischen Bereich genutzt werden kann, ist abzustellen auf die hauptsächliche Zweckbestimmung für den Schulunterricht.[91] Abweichend beurteilt wurde der Kauf einer für den Schwimmunterricht benötigten Badekappe mit der Begründung, dass auch von Schulkindern Bademützen nicht nur während des Schwimmunterrichts, sondern allgemein beim Besuch von Schwimmbädern getragen werden müssen.[92]

Grundsätzlich zu entscheiden war auch die Frage, ob es sich um eine Erst- oder Ersatzbeschaffung handelt, wenn bei einem Klassenwechsel üblicherweise neue Schulbücher zu beschaffen sind. Die Auffassung, es handele sich in einem solchen Fall um eine Erstbeschaffung, berücksichtigt nicht genügend, dass es bei Schulbüchern auf den Inhalt und darauf ankommt, ob der Inhalt bisheriger Schulbücher noch verwendet werden kann. Auch eine Maurerkelle wird nicht nur erneuert, wenn sie zu schadhaft geworden ist, sondern auch dann, wenn sie durch eine – technische – Weiterentwicklung überholt ist.[93]

Bei einem Schulbuch ist der Begriff der Erneuerung nicht eng, sondern unter Berücksichtigung des Schulbesuches auszulegen. So ist ein „Verbrauchen“ eines Arbeitsgerätes auch anzunehmen, wenn ein Arbeitsgerät, wie hier ein Schulbuch, nicht mehr benutzt werden kann, weil es seinem Inhalt nach nicht mehr verwertbar ist, und deshalb ein anderes Buch beschafft werden muss. Dies gilt nicht nur bei einem Klassenwechsel innerhalb einer Schulart, sondern wird auch zum Beispiel bei einem Übergang von der Hauptschule zum Berufsgrundbildungsjahr bejaht, wenn das jeweilige Fach bereits Gegenstand des Unterrichts an der vorherigen Schulform war.[94]

Erstmals zum 1. Januar 2013 haben explizit kindliche Verletzungen Aufnahme in das Verletzungsartenverzeichnis gefunden.

3. Auswirkungen auf die medizinische Versorgung

„Unfallverletzten Kindern kommen nunmehr die neuesten medizinischen Behandlungs-methoden zugute, die die gesetzlichen Unfallversicherungsträger im Zusammenwirken mit den Ärzten entwickelt haben“, hieß es schon unmittelbar nach Einführung der Schüler-Unfallversicherung.[95] Damit war unter anderem auch das in der Unfallversicherung bereits seit 1921 existierende Durchgangsarztverfahren[96] gemeint.

In den Anfangsjahren der SUV wurde das bereits für Erwachsene vorhandene medizinische Versorgungssystem vollständig auch für Kinder und Jugendliche genutzt.

Schon früh wurde aber deutlich, dass aufgrund der Verletzungsbilder, aber auch der notwendigen medizinischen Versorgung weitere Fachdisziplinensowie andere Behandlungsarten notwendig waren. So finden sich bei diesem Personenkreis beispielhaft gehäuft Zahnverletzungen, aber auch Knochenbrüche mit Beteiligung der Wachstumsfugen mit der Gefahr – je nach durchgeführter Versorgung – von dauerhaft bleibenden Veränderungen. Gerade bei den zuletzt genannten Verletzungsarten war und ist es notwendig, in der Versorgung nicht vollständig den bei Erwachsenen geltenden Maßstab anzusetzen. Die Binsenweisheit, dass „Kinder keine kleinen Erwachsenen sind“, ist nicht nur dem Standardwerk der Kindertraumatologie[97] zu entnehmen, sondern hat mittlerweile auch in der Praxis der ärztlichen Versorgung Eingang gefunden.

Dass besondere kindliche Verletzungsarten auch eine speziell Versorgung benötigen, wird deutlich bei einem Blick in das aktuell geltende Verletzungsartenverfahren (VAV).[98] Erstmals zum 1. Januar 2013 haben explizit kindliche Verletzungen Aufnahme in das VAV gefunden.

Seit diesem Zeitpunkt müssen auch die zum Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) zugelassenen Kliniken eine besondere kindertraumatologische Kompetenz vorweisen (Ziffer 2.3.4).[99] Auch die zum Verletzungsartenverzeichnis zuzurechnenden Kliniken müssen über eine Chefärztin oder einen Chefarzt oder eine ständige Vertretung mit Erfahrungen in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen verfügen.[100] In der Fortbildung der D-Ärztinnen und D-Ärzte ist der Bereich der Kindertraumatologie (Ziffer 5.12) mittlerweile ebenfalls fest verankert.[101]

Darüber hinaus haben aber auch Kinderkliniken die Möglichkeit, sich zum VAV-Kind zertifizieren zu lassen.[102]

Im Rahmen der ambulanten Heilbehandlung können sich seit dem 1. Juli 2012 auch Kinderchirurginnen und Kinderchirurgen am Durchgangsarztverfahren beteiligen.[103]

In der Weiterentwicklung der Steuerung des Heilverfahrens wurden 2008 Eckpunkte für ein gemeinsames Reha-Management in der gesetzlichen Unfallversicherung aufgestellt. In dem sich hieraus ergebenden Handlungsleitfaden zum Reha-Management der gesetzlichen Unfallversicherung[104] ist den Kindern ein gesondertes Kapitel gewidmet. Auch hier spielen die kindlichen Verletzungen neben anderen Einsteuerungskriterien eine wichtige Rolle. Die wesentlichen Akteurinnen und Akteure der Reha-Planung sind neben den Ärztinnen und Ärzten sowie den Versicherten auch die Eltern, die aktiv in die Planung und Durchführung der Rehabilitation einbezogen werden. Dabei ist auch daran zu denken, dass bereits mit Vollendung des 15. Lebensjahres in der Sozialversicherung die Handlungsfähigkeit beginnt. Minderjährige haben Mitspracherecht.[105]

In den Anfängen der SUV führte der gestiegene Anteil der schweren Schädel-Hirn-Verletzungen dazu, dass im Anschluss an die Akutversorgung spezielle Rehabilitationseinrichtungen für diesen Personenkreis benötigt wurden. Bereits mit der Gründung der Schüler-Unfallversicherung wurde den Unfallversicherungsträgern auch die Möglichkeit gegeben, besondere Einrichtungen für die medizinische und berufliche Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen zu schaffen.[106]

Nachdem im süddeutschen Raum das Rehabilitationszentrum Gailingen seit 1972 als bundesweite Modelleinrichtung speziell für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stand, wurden im norddeutschen Bereich in den 1980er-Jahren die Neurologische Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche in Geesthacht und das Neurologische Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche Friedehorst in Bremen-Lesum gegründet.

Spezielle Leistungsangebote waren auch im Rahmen der schulischen Rehabilitation notwendig, um beispielsweise mit Nachhilfeunterricht oder der Übernahme von Fahrten zur Schule Unterrichtsausfall auszugleichen oder zu verhindern.

Während in der Literatur unmittelbar nach der Einführung der SUV davon gesprochen wurde, dass im Sinne einer Primarstufe der Berufshilfe das Ziel darin bestünde, die vorschulische oder schulische Ausbildung zu absolvieren[107], stehen heute auch frühzeitig Überlegungen zur Berufswegeplanung im Vordergrund. Zwischen dem Unfallereignis und einer eventuellen Berufstätigkeit oder möglichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben liegt bei Kindern und Jugendlichen oft eine Zeitspanne von mehreren Jahren. Daher ist die Berufswegeplanung langfristig anzulegen. Die Reha-Managerinnen und Reha-Manager  stellen hier sicher, dass die Beteiligten zur richtigen Berufswahl qualifiziert beraten oder Assessments in Zusammenarbeit mit geeigneten Fachleuten durchgeführt werden.[108]

In den Anfängen der Schülerunfallversicherung führte der gestiegene Anteil der schweren Schädel-Hirn-Verletzungen dazu, dass im Anschluss an die Akutversorgung spezielle Rehabilitationseinrichtungen für diesen Personenkreis benötigt wurden.

4. Auswirkungen auf den Leistungsbereich

Kinder und Jugendliche haben im Regelfall kein eigenes Entgelt oder Einkommen. Versicherte in der SUV werden auch bei erheblichen Unfallfolgen nicht arbeitsunfähig.[109] Arbeitsunfähigkeit setzt nämlich eine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit voraus. Aus diesem Grund besteht bei der Unfähigkeit, aufgrund von Unfallfolgen nicht die Kita, Schule oder Hochschule besuchen zu können, kein Anspruch auf Verletztengeld. Der zuweilen benutzte Begriff der Schulunfähigkeit oder Schulsportunfähigkeit besitzt rechtlich keine Bedeutung für das Verletztengeld. Wenn Schüler oder Schülerinnen im Ausnahmefall einer Erwerbstätigkeit nachgehen, zum Beispiel Zeitungen austragen und dafür einen Verdienst erlangen, besteht wie in der AUV ein Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit der Unfähigkeit der Ausübung der zuvor ausgeübten Beschäftigung.

Auch Kinder und Jugendliche haben bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 Prozent Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die Unfallfolgen über ein halbes Jahr hinweg in dieser Höhe bestehen.[110] Bei jugendlichen Versicherten wird die MdE nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden.[111] Kinder und Jugendliche sollen hinsichtlich der MdE-Feststellung keine Nachteile gegenüber Erwachsenen haben. Die MdE ist wie bei Erwachsenen zwar konkret und individuell zu ermitteln, die Bemessung des Gesundheitsschadens ist jedoch in doppelter Hinsicht abstrakt. Einerseits ist die MdE-Ermittlung in der UV stets abstrakt, weil auf den Gesamtbereich des Erwerbslebens abgestellt wird (nicht nur auf das vor dem Unfall ausgeübte Berufsfeld). Andererseits ist eine weitere Abstraktionsebene zu berücksichtigen: Kinder und Jugendliche haben im Regelfall vor dem Versicherungsfall noch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Deshalb wird nicht auf den tatsächlichen Schaden abgestellt, sondern allein auf den abstrakt bemessenen Verlust von Erwerbsmöglichkeiten. Kinder und Jugendliche werden rechtlich also so gestellt, als ob sie sich schon im Erwerbsleben befänden.

Bei der Verletzung von Kindern ist zu berücksichtigen, dass sich die Beeinträchtigungen auf einen noch nicht voll entwickelten Körper auswirken, die geistige Entwicklung beeinträchtigt werden kann oder besondere psychische Begleiterscheinungen zu erwarten sind. Da die etwaigen Renten für jugendliche Versicherte im Regelfall gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII mit dem Tag nach dem Versicherungsfall beginnen, ist von besonderer Bedeutung, dass die dem Versicherungsfall unmittelbar folgenden Zeiten der stationären Erstbehandlung und eventueller stationärer Folgebehandlungen mit einer MdE von 100 Prozent zu belegen sind. Im Unterschied hierzu sind erwachsene Versicherte im Regelfall nach dem Versicherungsfall zunächst arbeitsunfähig, sodass sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Verletztengeld haben und die Rente gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erst mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit beginnt.

Je nach vorhandener Funktionseinschränkung und durchgeführter Versorgung sind MdE- Erfahrungswerte erarbeitet worden.[112] Auch für Schädel-Hirn-Traumen und deren Spätfolgen sind diese in der Literatur zu finden.[113]

Für die Rente in der UV ist neben der Höhe der MdE ein zweiter Berechnungsfaktor heranzuziehen, nämlich der Jahresarbeitsverdienst (JAV), also der Verdienst im Jahr vor dem Unfall.[114] Da der Verdienst von Kindern und Jugendlichen oft gegen null geht, wird ein sogenannter Mindest-JAV nach Altersstufen angesetzt. Die Rente berechnet sich pauschal, entsprechend der Höhe der MdE und dem steigenden Lebensalter.

Ereignete sich der Unfall während der Schul- oder Berufsausbildung, war bisher eine Neufeststellung der Rente von dem Zeitpunkt an vorzunehmen, zu dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre oder bei einem regelmäßigen Verlauf der Ausbildung tatsächlich beendet worden ist.[115] Diese fiktive Berufswahlbestimmung hatte zur Folge, dass in vielen Fällen eine schwierige und zuweilen streitige, jedenfalls aufwendige JAV-Berechnung durchzuführen war. Ab Neufeststellungen aufgrund der Ansprüche ab dem Jahre 2021 werden diese Fälle vereinfacht[116], indem der JAV für die vorgenannte Personengruppe vollständig pauschalisiert wird. In Fortentwicklung des alten Rechts werden Prozentsätze der Durchschnittsentgelte[117] von 25 bis 100 herangezogen; die Neufeststellung wird nach Altersstufen berechnet und für Fälle von Versicherten in Schul- oder Berufsausbildung gelten weitere Pauschalierungen bis zu 120 Prozent der Bezugsgröße.

Zur Sicherstellung des Erfolgs der Rehabilitation und der Teilhabe sind vielfältige individuelle Leistungsvarianten denkbar. In der SUV stehen spezifische medizinische und schulische Förderungen im Vordergrund. Anders als in anderen Zweigen der Sozialversicherung soll „mit allen geeigneten Mitteln“[118] geleistet werden. So besteht beispielsweise ein Anspruch auf eine ergänzende Leistung für die Fallgruppe der Betreuung verletzter Kinder über die Leistung auf Kinderpflege-Verletztengeld gemäß § 45 Abs. 4 SGB VII hinaus.[119]

Die Einführung und Umsetzung der Schülerunfallversicherung ist gelungen. Die in dem BGH-Urteil aus dem Jahre 1967 eingeforderte soziale Absicherung der Schülerunfallversicherung wurde hergestellt.

5. Zusammenfassung

Die Einführung und Umsetzung der SUV ist gelungen. Die in dem BGH-Urteil aus dem Jahre 1967[120] eingeforderte soziale Absicherung der SUV wurde hergestellt. Seitdem herrscht sozialer Frieden. Leistungsansprüche bestehen seitdem gegen den gesetzlichen Unfallversicherungsträger – wie in der AUV. Erzieherinnen, Erzieher und Lehrpersonal sind von der Haftung wegen Personenschäden abgelöst, genauso wie Mitschülerinnen und Mitschüler.[121]

Die Anwendbarkeit der durch die Rechtsprechung vor Einführung der SUV aufgestellten und weiterentwickelten Rechtsgrundsätze hat die Umsetzung erleichtert. Wie in den vergangenen Jahrzehnten häufiger festgestellt, musste die gesetzliche Unfallversicherung nicht neu geschrieben werden, wenn neue Sachverhalte hinzukamen. Die Grundfesten der Unternehmerhaftpflichtablösung und der Leistungen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichten eine Integration der SUV mit all ihren Facetten. Neben den daraus resultierenden Vorteilen für die Versichertengemeinschaft wird eine von Laien zuweilen breit gefächerte Kasuistik kritisiert.

Die Praxis der zuständigen Träger der SUV und die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit haben sich den SUV-typischen Besonderheiten und sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gut angepasst.

Sowohl die aktive Mitarbeit der zuständigen Träger der SUV in den unterschiedlichen Gremien der DGUV als auch die Einbindung ärztlichen Sachverstandes der Sektion Kindertraumatologie der DGU[122] haben dazu geführt, dass für die Kinder und Jugendlichen mittlerweile passgenaue Strukturen geschaffen werden konnten. Diese sichern nicht nur eine optimale Akutbehandlung, sondern auch eine rehabilitative Weiterversorgung und stellen damit im Einzelfall auch den lebenslangen Versorgungsauftrag sicher.

Ein heute zehnjähriger Versicherter mit gravierenden lebenslangen Unfallfolgen wird mindestens die nächsten 70 Jahre von seiner Unfallkasse oder Gemeinde-Unfallversicherungsverband zu betreuen sein. Alles aus einer Hand: Heilbehandlung, Rehabilitation; schulische, berufliche und soziale Teilhabe – und das mit allen geeigneten Mitteln.

Die berechtigten Interessen der Kinder und Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten werden Ansporn sein, sich weiterhin mit Spezialwissen diesen Interessen zu widmen.“

6. Ausblick

Die guten Erfahrungen der vergangenen 50 Jahre zeigen, dass es auch in Zukunft gelingen wird, sich den verändernden Rahmenbedingungen zu stellen und diese positiv zu gestalten. In der Politik ist die Arbeit der Unfallkassen nicht unbemerkt geblieben. Dies zeigt sich in der Stellungnahme des Bundesrates zu einem ganz anderen Thema, dem Gesetzgebungsverfahren zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, also unter anderem für Opfer von Gewalttaten. In der Beschlussfassung spricht sich der Bundesrat dafür aus, eine Übertragung der Leistungsbereiche der Krankenbehandlung und Pflege auf die gesetzlichen Unfallkassen der Länder nach den Leistungsvorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vorzunehmen.[123]

Konkret heißt es hierzu: „Die Unfallversicherungsträger betreiben mit dem Rehabilitationsmanagement bereits seit langem ein Fallmanagement, sie erbringen schon immer auch Leistungen der beruflichen Teilhabe, sind erfahren in der Anwendung und Prüfung von Kausalitätsfragen und kennen im Bereich der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand einen Betroffenenkreis vom Kleinkind bis zur hochbetagten Person.“

Die berechtigten Interessen der Kinder und Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten werden Ansporn sein, sich weiterhin mit Spezialwissen diesen Interessen zu widmen. Dazu gehört die kindgerechte medizinische Versorgung genauso wie ein offenes Ohr der Verwaltung.

Mit Blick auf die immer älter werdende Elterngeneration, die schon Jahrzehnte ein im Kindesalter verunfalltes Kind pflegen, sind Lösungen anzubieten, die eine gute Versorgung sicherstellen, wenn die Eltern dazu nicht mehr in der Lage sind.

Ständige Aufgabe wird die Sicherstellung einer umfassenden Heilbehandlung und Nachsorge sein. Es muss vermieden werden, dass Kinder im Klinikalltag nur „mitlaufen“, weil zur kindgerechten Versorgung auch ein kindgerechtes Umfeld gehört. Die BG Kliniken und kindertraumatologisch ausgerichteten Krankenhausabteilungen sowie spezielle Kinderkliniken bieten ein optimales Umfeld für eine gute Unfallbehandlung.

Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Auf eine gute Zukunft.