Spezialisierte Fachkräfte für die Überwachung

Die Anforderungen an die Präventionsdienste der Unfallversicherungsträger, professionelle und maßgeschneiderte Überwachungs- und Beratungsleistungen zu erbringen, sind hoch. Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen müssen über ein breites Repertoire an Kompetenzen verfügen. Ein qualitätsgesicherter Kompetenzentwicklungsprozess bildet hierfür die Grundlage.

Die Unfallversicherungsträger beschäftigen eigens für die Überwachung und Beratung ihrer Mitgliedsunternehmen/Einrichtungen ausgebildete und unabhängig geprüfte Aufsichtspersonen (§ 18 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Ausbildungsvoraussetzung dieser spezialisierten Fachkräfte sind umfangreiche Berufserfahrungen.

Die Präventionsleistung „Überwachung“ stellt hohe Anforderungen an die Aufsichtspersonen (AP). Sie benötigen vielfältige Kompetenzen und Fähigkeiten, um die situationsabhängigen Anforderungen in Unternehmen und Organisationen erfüllen zu können. Dementsprechend muss die Ausbildung der Aufsichtspersonen als ein Kompetenzentwicklungsprozess verstanden werden, bei dem sowohl branchenübergreifendes Fachwissen als auch branchenspezifisches Spezialwissen in rechtssichere Handlungsschritte eingebunden werden. Kompetenzentwicklungsprozesse sind einerseits eng an das Individuum gebunden, sie sind anderseits verknüpft mit institutionellen und organisatorischen Kontexten. Die Ausbildung verbindet die Kontexte, um den Aufsichtspersonen ein größtmögliches Maß an Handlungskompetenz zu vermitteln.

AP-Ausbildung als Konzept des Kompetenzerwerbs

Die Ausbildung der Aufsichtspersonen orientiert sich an dem gesetzlichen Auftrag sowie dem aktuellen Präventionsverständnis.

Das pädagogische Fundament stellt dabei das Handlungslernen dar. Die Aufsichtsperson im Vorbereitungsdienst (AP i. V.) soll sich im Laufe der Ausbildung ausreichend Kenntnisse und Kompetenzen aneignen können, damit sie in unterschiedlichen Kontexten rechtssicher, angemessen und ergebnisorientiert handeln kann. Im Kontext der Überwachung bedeutet Handlungskompetenz, dass die Aufsichtsperson einen Mangel erkennt, ihn zutreffend bewertet, sachgerechte Schutzmaßnahmen ableitet, Unternehmen bei ihrer Umsetzung zielführend berät.

Kompetenzentwicklungsprozesse setzen eine Lernfähigkeit des Individuums voraus. Darunter werden die Bereitschaft und Fähigkeit verstanden, Ausbildungsinhalte eigenständig und langfristig aufzunehmen, logisch zu ordnen, zu verarbeiten und aus eigenen Fehlern zu lernen. Die Prüfungsordnungen für Aufsichtspersonen definieren die Lernfähigkeit als eine Zugangsvoraussetzung zur AP-Ausbildung. Sie legen außerdem fest, dass Aufsichtspersonen vor Aufnahme ihrer Ausbildung mindestens 24 Monate berufliche Erfahrungen in ihrem Beruf vorweisen müssen. Die intensive Vorbereitungszeit während der Ausbildung, die damit verbundenen Dienstreisen sowie die umfangreiche Abschlussprüfung vor einem externen Prüfungsausschuss stellen große Herausforderungen dar. Es kann daher eine überdurchschnittliche Lernbereitschaft vorausgesetzt werden, wenn sich Menschen trotz abgeschlossener Ausbildung und beruflicher Erfahrungen diesen Herausforderungen stellen und die Ausbildung zur Aufsichtsperson beginnen wollen.

Neben diesem individuellen Kontext benötigen Kompetenzentwicklungsprozesse einen institutionellen und organisatorischen Rahmen. Dieser wird trägerübergreifend in den Prüfungsordnungen festgehalten, die von den Unfallversicherungsträgern erlassen werden. Das mit allen Unfallversicherungsträgern abgestimmte Ausbildungskonzept „Die Ausbildung der Aufsichtsperson“ untersetzt die Prüfungsordnung und ist gleichzeitig die organisatorische Grundlage. Demnach besteht die Ausbildung zur Aufsichtsperson aus einem trägerspezifischen Teil beim Unfallversicherungsträger und einem trägerübergreifenden Teil, der am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) durchgeführt wird.

Abgeschlossen wird die Ausbildung mit einer schriftlichen, praktischen und mündlichen Prüfung. Sie wird vor einem unabhängigen Prüfungsausschuss abgenommen und dokumentiert die Befähigung zur wirksamen Wahrnehmung der zentralen Aufgaben einer Aufsichtsperson nach § 18 SGB VII. Durch standardisierte Prüfkriterien stellt die AP-Prüfung ein Qualitätssiegel dar, das ein einheitliches Verwaltungshandeln im Rahmen der Überwachung gewährleistet.

Die trägerspezifische Ausbildung, also die Ausbildung der Aufsichtspersonen bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, stellt den Schwerpunkt der AP-Ausbildung dar. Sie bildet die Grundlage des Handlungslernens mit größtmöglichem Praxisbezug. Die Ausbildung findet, von wenigen theoretischen Grundlagen abgesehen, unmittelbar in der realen Überwachungspraxis in Unternehmen und Organisationen statt. Zunächst begleitet die Aufsichtsperson im Vorbereitungsdienst erfahrene Kolleginnen und Kollegen. Sie lernt, Besichtigungen vor- und nachzubereiten und die Befugnisse einer Aufsichtsperson zielgerichtet einzusetzen. Mit der Übernahme erster eigener Besichtigungen im Beisein von Kolleginnen und Kollegen fließen im Vorbereitungsdienst einerseits Erfahrungen aus der eigenen Biografie ein und anderseits werden „neue“ Erfahrungen gesammelt. Auf diese Art und Weise durchlaufen die Aufsichtspersonen einen vollständigen Handlungsbogen von der Vorbereitung über die Durchführung bis hin zur Kontrolle und Bewertung der Handlungsergebnisse.

Eng verzahnt und chronologisch an die trägerspezifische Ausbildung angepasst, findet am IAG die trägerübergreifende Ausbildung statt. Fachleute der Unfallversicherungsträger und erfahrene Aufsichtspersonen mit einer speziellen didaktischen Ausbildung führen die Teilnehmenden durch neun Lernfelder, die Grundlagenwissen und branchenübergreifende Themenstellungen vermitteln. Ein Merkmal der Lernfelder ist die sogenannte enge Verzahnung: Die Aufsichtspersonen im Vorbereitungsdienst bereiten sich auf die Lernfelder vor und wenden nach den erfolgreich absolvierten Lernfeldern das Erlernte in der Praxis an. Die Durchführung der Ausbildung am IAG bietet für die Aufsichtspersonen im Vorbereitungsdienst die Möglichkeit des informellen Austauschs und für die Unfallversicherungsträger-übergreifende Vernetzung.

Hospitationen bei anderen Unfallversicherungsträgern oder bei den für die staatliche Aufsicht zuständigen Stellen während der Ausbildung ermöglichen eine vertiefte Reflexion der eigenen Vorgehensweise.

Die Weiterentwicklung von Präventionsansätzen, -strategien und -maßnahmen hat schon vor vielen Jahren zu einer Diskussion über eine erweiterte personelle Zusammensetzung in den Präventionsabteilungen geführt. Mit Blick auf den zukünftigen Einsatzbereich des Personals wurden die Ausbildungsvoraussetzungen von Aufsichtspersonen ausgeweitet. Heute bereichern Menschen mit sozial- oder sportwissenschaftlichen Ausbildungen ganz selbstverständlich die ehemals typischerweise vornehmlich natur- oder ingenieurwissenschaftlich geprägten Präventionsabteilungen. Der damit verbundene interdisziplinäre Austausch vergrößert den eigenen Wissens- und Erfahrungshintergrund und kann bei der Überwachung optimal genutzt werden.

Fazit

Bei der Ausbildung der Aufsichtspersonen handelt es sich um einen Kompetenzentwicklungsprozess. Dabei werden aufbauend auf der individuellen Bildungsbiografie von Aufsichtspersonen im Vorbereitungsdienst branchenspezifisches Spezialwissen und branchenübergreifendes Fachwissen durch praktisches Anwenden in realen Situationen in Handlungskompetenz überführt. Die Inhalte stellen dabei kein abgeschlossenes Curriculum dar, sondern sie unterliegen – wie die Arbeitswelt – kontinuierlichen Veränderungen. Durch die Kompetenzorientierung und den ständigen Abgleich mit der betrieblichen Praxis ist die Ausbildung der Aufsichtspersonen auch in Zukunft ein Garant für spezialisierte und kompetente Fachkräfte der Überwachung.