Das BEM zwischen Unternehmenskultur und Arbeitsrecht
Ziel des BEM-Verfahrens ist es, durch eine geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern und die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmenden langfristig zu erhalten. Die Rechtsprechung hat das BEM-Verfahren als einen ergebnisoffenen Suchprozess bezeichnet. Wie kann dieser Prozess rechtskonform ausgestaltet werden?
Nach dem Willen des Gesetzgebers haben der Arbeitgeber und die Arbeitgeberin für alle Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkranken, unabhängig von einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Sinne des § 151 Sozialgesetzbuch (SGB) IX oder Teilzeitbeschäftigung, ein BEM-Verfahren in der Organisation anzubieten und mit Einwilligung der Betroffenen durchzuführen.[1] Das BEM-Verfahren ist nicht nur bei privaten, sondern auch bei öffentlichen Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen anwendbar. Die Literatur und die Rechtsprechung vertreten die Auffassung, dass § 167 Abs. 2 SGB IX auch auf Beamte und Beamtinnen anwendbar ist.[2]
1. Ziele und rechtlicher Rahmen des BEM-Verfahrens
Die Ziele des BEM im Sinne von § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind,
- festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten bei Beschäftigten gekommen ist, und
- Veränderungen zu identifizieren, um Zeiten von zukünftiger Arbeitsunfähigkeit zu verringern oder zu vermeiden.[3]
Die Zielrichtung ist die Vorbeugung und Erhaltung der Gesundheit (Prävention), die Überwindung von Arbeitsunfähigkeit und das Aufzeigen von Beschäftigungsmöglichkeiten. Frühzeitige mögliche Gefährdungen des Beschäftigungsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen sollen erkannt und vermieden oder verringert werden.[4] Die gesetzliche Regelung des BEM soll der Gesundheitsprävention im Beschäftigungsverhältnis einen stärkeren Stellenwert verschaffen.[5] Während des BEM-Verfahrens können Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb erkannt und entwickelt werden mit dem Ziel, das Beschäftigungsverhältnis zu erhalten.[6] Im Rahmen des BEM-Verfahrens können unter anderem Qualifizierungsmaßnahmen abgeleitet werden. Diese sind im Sinne des § 5 Abs. 3 Berufsgenossenschaftlicher Angestelltentarifvertrag (BG-AT) Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung (Qualifizierung für eine andere Tätigkeit) und auch zur Einarbeitung bei oder nach längerer Abwesenheit (Wiedereinstiegsqualifizierung). Die beamtenrechtlichen Regelungen umfassen Qualifizierungsmaßnahmen für Beamte und Beamtinnen nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 Bundeslaufbahnverordnung (BLV) zur Erhaltung und Fortentwicklung der Fach-, Methoden- und sozialen Kompetenzen für die Aufgaben des übertragenen Dienstpostens.
Das BEM im Sinne von § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX wird als ein rechtlich regulierter „verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess“ beurteilt, in dem individuell angepasste Lösungen für die betroffenen Beschäftigten zur Vermeidung zukünftiger Ausfallzeiten entwickelt werden. Dieser Suchprozess beschreibt eine Verfahrensregelung zur Klärung von Möglichkeiten, wie Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und das Beschäftigungsverhältnis erhalten werden kann. Er begründet aber keinen Individualanspruch nach § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der betroffenen Beschäftigten auf Einleitung und Durchführung eines BEM-Verfahrens.[7]
Die Abwesenheitsquote und insbesondere die Krankheitsquote von Beschäftigten einer Organisation lassen sich anhand von Kennzahlen ermitteln. Die Interpretation der Kennzahlen erfordert ein tieferes Verständnis der sichtbaren und nicht sichtbaren Aspekte und Auswirkungen für die Organisationen. Nach Seider/Ramm stellt die Krankheitsquote lediglich den sichtbaren Eisberg über der Wasseroberfläche dar und umfasst die direkt messbaren monetären Kennzahlen, wie zum Beispiel die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers und der Arbeitgeberin in Form der unabdingbaren Entgeltfortzahlungskosten für die Dauer von sechs Wochen nach §§ 3, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).[8] Zusätzlich können sich Mehraufwandskosten für den kurzfristigen Einsatz von Ersatzpersonal oder aufgrund gestörter betrieblicher Abläufe und Prozesse ergeben. Unter der Wasseroberfläche ist das eingebrachte Leistungspotenzial der Beschäftigten zu beachten. Dieses wiederum wird beeinflusst von Faktoren wie der Motivation und Arbeitszufriedenheit, die durch hohe Fehlzeitenquoten und damit ungleiche oder gesteigerte Arbeitsbelastung von anwesenden Beschäftigten innerhalb einer Organisation negativ beeinflusst werden können. Aufgrund der Situation kündigen anwesende Beschäftigte nicht sichtbar innerlich. Diese Faktoren verursachen indirekte Kosten einer hohen Fehlzeitenquote. Bei erfolgreicher Umsetzung der Zielstellung des BEM können direkte und indirekte Kosten einer hohen Anzahl von Arbeitsunfähigkeitstagen, wie beispielsweise Überstunden und erhöhte Aufgabenbelastungen für andere Beschäftigte sowie eine Kostenbelastung der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen durch Entgeltfortzahlungen ohne Arbeitsleistung, reduziert werden.
2. Integration des BEM in die Unternehmenskultur
Mit der Einführung eines BEM-Verfahrens in die Organisation ist neben der Beachtung der gesetzlichen Regelungen die Einbeziehung interner und externer Partner und Partnerinnen ein wichtiger Baustein. Transparente und klare Kommunikation der Beschäftigten über die Ziele des BEM und die Sensibilisierung der Führungskräfte unterstützen die BEM-Integration. Die Akzeptanz bei Beschäftigten und Führungskräften innerhalb der Organisation ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Beschäftigten das BEM-Angebot annehmen. Mit nur formal etablierten Strukturen für das BEM-Verfahren werden Akzeptanz und Vertrauen nicht erreichbar sein. Die zweite Ebene der Unternehmenskultur, beispielsweise die gelebten kulturell geprägten, ungeschriebenen und unbewussten Normen und Werte, sind latent vorhanden und kein Teil des formalen Regelwerkes.[9] Nach Luhmann besteht die Funktion der zweiten Ebene in der Problemlösung.[10] Die Verbindung beider Ebenen ist der soziale Mechanismus, der das institutionalisierte Vertrauen fördert. Mit Vertrauen können sich Beschäftigte auf Kooperation einlassen. Der Zweck von Vertrauen beinhaltet auf der einen Seite eine riskante Vorleistung, dient aber auf der anderen Seite der Reduktion von sozialer Komplexität innerhalb von Organisationen.[11] Innerhalb einer gelebten Vertrauenskultur in der Organisation wird die Integration eines BEM-Verfahrens auf eine größere und gewollte Akzeptanz der Beschäftigten treffen.
Beteiligte Akteure und Akteurinnen im BEM-Verfahren
Entscheidend für den Erfolg des BEM-Verfahrens ist ein ganzheitlicher Ansatz. Auf der einen Seite sollen Fachgebiete wie das Personalmanagement, die Arbeitswissenschaft und -medizin, die Arbeits- und Organisationspsychologie sowie die Rechtswissenschaft miteinander verbunden werden, auf der anderen Seite sollen nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX interne und externe Experten und Expertinnen sowie die Interessenvertretungen eingebunden werden, um zur Klärung geeigneter Maßnahmen beizutragen.
An erster Stelle stehen die von Arbeitsunfähigkeit betroffenen Beschäftigten im BEM-Verfahren. Diese können als BEM-Nehmer und BEM-Nehmerinnen bezeichnet werden. Hat der BEM-Nehmer oder die BEM-Nehmerin in das BEM-Verfahren eingewilligt, klärt er oder sie mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin oder mit einer benannten Stellvertretung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann. Dabei sind in § 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX der Betriebsarzt und die Betriebsärztin erwähnt, der oder die bei Erforderlichkeit hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes oder der Ärztin, den Arbeitgeber beziehungsweise die Arbeitgeberin beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (vgl. § 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG). Die Inanspruchnahme des Sachverstands eines Betriebsarztes oder einer Betriebsärztin kann beispielsweise der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin ausgehen und wie diese künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (vgl. § 3 Abs. 1 ASiG).[12]
Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ziehen mit Einwilligung der betroffenen Person die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176 SGB IX, den Betriebs- oder Personalrat, bei Beschäftigten mit Schwerbehinderung die Schwerbehindertenvertretung in das Verfahren ein. Dabei ist der Betriebs- oder Personalrat nach § 167 Abs. 2 in Verbindung mit § 176 SGB IX zu beteiligen, bevor der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die betroffene Person auffordert mitzuteilen, ob diese einem BEM-Verfahren zustimmen würde.[13] Bei der Frage, „ob“ ein BEM-Verfahren für die betroffenen Beschäftigten durchgeführt wird, ergibt sich kein Mitbestimmungsrecht des Personal- und Betriebsrats, da die Einleitung gesetzlich geregelt ist. Das Mitbestimmungsrecht des Personal- und Betriebsrats kann aber bei einer konkreten Ausgestaltung des BEM-Verfahrens, zum Beispiel bei der Einführung von Verfahrensregelungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), gegeben sein.[14] Die betroffene Person kann zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Geht es um die Abklärung von Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben, werden die Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 SGB IX oder bei schwerbehinderten Beschäftigten die Integrationsämter § 184, § 185 Abs. 1 SGB IX hinzugezogen.
Die Vorschrift des § 167 Abs. 2 SGB IX benennt somit die wichtigsten Akteure und Akteurinnen des BEM-Verfahrens. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend. In der betrieblichen Praxis werden weiterhin zum Beispiel BEM-Beauftragte oder BEM-Berater und BEM-Beraterinnen benannt, die das Verfahren einleiten, durchführen oder auch nur begleiten sollen. Die Rolle der BEM-Beauftragten ist eher unterstützend und beratend. Die BEM-Beauftragten oder BEM-Berater und BEM-Beraterinnen bilden zusammen mit anderen beteiligten Personen das BEM-Team, das aber nicht die Zuständigkeit zur Durchführung des BEM, abweichend von § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, übernehmen darf. Das wäre nur auf Grundlage einer freiwilligen Betriebsvereinbarung möglich.[15] Es ist zielführend, die Personalabteilung in das BEM-Verfahren einzubeziehen, wenn es beispielsweise um die Prüfung der Möglichkeiten der Wiedereingliederung geht. Durch die Einbeziehung und Anstrengung aller Akteure und Akteurinnen soll das BEM-Verfahren so gestaltet sein, dass durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert bleibt.[16]
Voraussetzungen für das BEM-Verfahren
Die Voraussetzung für die Einleitung des BEM-Verfahrens ist eine länger als sechs Wochen ununterbrochen andauernde oder wiederholte Arbeitsunfähigkeit der betroffenen Beschäftigten binnen eines Jahres. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX entspricht dem Begriff des § 3 Abs. 1 EFZG. Nach dem Bundessozialgericht (BSG) liegt Arbeitsunfähigkeit von Beschäftigten vor, wenn die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllt werden können.[17] Dabei ist der gesetzliche Jahreszeitraum „binnen eines Jahres“ kein Kalenderjahr, sondern umfasst die jeweils zurückliegenden letzten zwölf Monate.[18] Der Arbeitgeber und die Arbeitgeberin dürfen mit der Einleitung des Verfahrens nicht warten. Den betroffenen Beschäftigten ist unverzüglich ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Das Ende einer laufenden Arbeitsunfähigkeit ist nicht abzuwarten. Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist das Einverständnis der Betroffenen. Mit dem Angebot hat der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die datenschutzrechtliche Einwilligung nach § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) der betroffenen Person vor dem Beginn des BEM-Verfahrens einzuholen. Nach § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist die betroffene Person vor Durchführung des BEM mit einem regelkonformen Ersuchen um Zustimmung und auf die Ziele des Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen.
Den betroffenen Beschäftigten soll die Entscheidung ermöglicht werden, zuzustimmen oder nicht.[19] § 167 Abs. 2 SGB IX sieht aber die schriftliche Zustimmung der betroffenen Beschäftigten in die Verarbeitung seiner im Rahmen eines BEM erhobenen personenbezogenen Daten und Gesundheitsdaten nicht als tatbestandliche Voraussetzung für die Durchführung eines BEM vor. § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX regelt nur eine Hinweispflicht über Art und Umfang der im konkreten BEM zu verarbeitenden Daten.[20] Somit ist es dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin auch ohne vorherige datenschutzrechtliche Einwilligung möglich und zumutbar, zunächst mit dem BEM-Verfahren zu beginnen und in einem Erstgespräch den möglichen Verfahrensablauf zu besprechen. Die Einleitung des BEM-Verfahrens ist nicht nur eine Pflicht des Arbeitgebers und der Arbeitgeberin, sondern damit ein Recht des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin. So kann eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin wegen unzureichender Durchführung und nicht rechtzeitiger Einleitung des BEM zu Schadensersatzansprüchen von Beschäftigten nach § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 167 Abs. 2 SGB IX führen.[21]
§ 167 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Hat die betroffene Person eingewilligt, sollte ein geschützter Raum für ein vertrauliches Gespräch eröffnet werden; „denn der Arbeitnehmer, der sich für eine Teilnahme daran entscheidet, soll sich öffnen und soll sich bei der Suche nach Möglichkeiten zur Überwindung seiner Arbeitsunfähigkeit einbringen.[22] Den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin trifft eine Verfahrenspflicht, einen innerbetrieblichen „Suchprozess“ zu organisieren und zu diesem Zweck internen und externen Sachverstand zu mobilisieren. Den Beteiligten wird jeder denkbare Spielraum überlassen. Die Beteiligten, insbesondere die betroffenen Personen, erhalten die Möglichkeit, alle sinnvoll erscheinenden Gesichtspunkte und Lösungsmöglichkeiten in das Gespräch einzubringen.[23]
3. Das BEM als verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess
Das Gesetz regelt nur einen Rahmen für das BEM-Verfahren. Damit soll erreicht werden, dass ein verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess eingeleitet wird, der individuell angepasste Lösungen wie auch außerbetriebliche Therapiemöglichkeiten zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Innerhalb dieses Suchprozesses sollen Möglichkeiten für eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – gegebenenfalls durch Umsetzungen frei zu machenden – Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden.[24] Ergebnisoffen meint, dass ein BEM-Verfahren mit einem negativen oder positiven Ergebnis enden kann. Endet der Suchprozess mit einem positiven Ergebnis, ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin grundsätzlich verpflichtet, die empfohlene Maßnahme umzusetzen.[25] So kann ein positives Ergebnis des BEM sein, die betroffene Person neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung auf eine Maßnahme mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Sinne von § 26 SGB IX zu verweisen.[26] Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin kann dafür der betroffenen Person eine Frist setzen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden.[27]
Führt der Suchprozess zu der Erkenntnis, es gebe keine Möglichkeiten, die Arbeitsunfähigkeit der betroffenen Beschäftigten zu überwinden oder künftig zu vermeiden, ist mit einem negativen Ergebnis zu rechnen. Die Rechtsprechung verpflichtet den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin, die Verhältnismäßigkeit bei einer negativen Lösung für die BEM-berechtigte Person zu beachten. So kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin ergeben, es den betroffenen Beschäftigten vor einer Kündigung zu ermöglichen, gegebenenfalls spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch künftige Fehlzeiten auszuschließen oder zumindest signifikant zu verringern.[28] Dies beinhaltet auch die Verpflichtung, grundsätzlich ein neuerliches BEM-Verfahren durchzuführen, wenn die BEM-berechtigte Person innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines BEM-Verfahrens erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.[29] Ein Suchprozess kann erst beendet sein, wenn eine Lösung für den BEM-Nehmer oder die BEM-Nehmerin gefundenen ist. Dies kann bedeuten, dass auch mehrere Suchläufe durchlaufen werden müssen. Abgeschlossen ist der Prozess, wenn eine positive oder negative Lösung für die betroffenen Beschäftigten gefunden ist und sich der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin und die betroffene Person einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt ist oder nicht weiter durchgeführt werden soll.
Nachdem nun deutlich geworden ist, dass das „Wie“ des BEM-Verfahrens gesetzlich nicht geregelt ist, sollte die Vorgehensweise klaren Regeln folgen und somit Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Bei der Einführung des BEM handelt es sich um eine Maßnahme, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.[30] In der BEM-Betriebsvereinbarung können der Leitgedanke und die Ziele des BEM, die Mitglieder des BEM-Teams, die Zuständigkeiten, die Einleitung des BEM-Verfahrens, ein Muster des Einladungsschreibens an die betroffene Person, die Kommunikation, der Ablauf des Erstgesprächs und mögliche Einzelfallmaßnahmen, die Beendigung, der vorzeitige Abbruch des BEM-Verfahrens durch die betroffene Person, die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Gesundheitsdaten der Beschäftigten und die Aufbewahrungsfristen dieser Daten, Zugriffsbefugnisse, Umgang mit der BEM-Akte und die Dokumentation und Evaluation geregelt werden.
4. Erfolgsfaktoren für ein BEM-Verfahren
Gelingen kann ein BEM-Verfahren mit positivem Ergebnis für die betroffenen Beschäftigten, wenn das Verfahren in eine gelebte Vertrauenskultur in die Organisation integriert wird und das Bewusstsein auch bei den Führungskräften über die bloße Arbeitsleistung hinausgeht sowie der Wille zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit vorhanden ist. Der BEM-Nehmer oder die BEM-Nehmerin sollte jederzeit „Herr oder Frau des Verfahrens“ sein und auf die freiwillige Teilnahme hingewiesen werden.[31] Dazu bedarf es eines rechtskonformen BEM-Verfahrens, das beteiligungsorientiert mit Hinzuziehung der gesetzlich vorgeschriebenen, aber auch fakultativen geeigneten internen und externen Experten und Expertinnen und Dienste durchgeführt wird, um in einem ergebnisoffenen Suchprozess die bestmögliche Lösung für die betroffene Person zu finden. Die Lösungen und Vorgehensweisen aus dem BEM-Verfahren sollten nachhaltig an der Praxis orientiert sein. Es genügt nicht, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, es muss erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden. Da das Gesetz das BEM-Verfahren nur rahmenmäßig regelt, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum „Wie“ der Durchführung des Verfahrens hilfreich. Diese Vereinbarung erhöht die Transparenz des Verfahrens und gewinnt mit Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen, der Dokumentation, Evaluation und kontinuierlichen Weiterentwicklung das Vertrauen aller Beschäftigten in das BEM-Verfahren.