Grob fahrlässige Herbeiführung einer Explosion bei Teppich-Klebearbeiten

Werden Teppich-Klebearbeiten mit einem lösemittelhaltigen Gefahrstoff ausgeführt, obwohl im Nebenraum ein an einer Propangasflasche angeschlossener Ofen mit offener Flamme betrieben wird, und kommt es dadurch zu einer Explosion mit Verletzten, kann die Berufsgenossenschaft den Arbeitgeber und Arbeitgebervertreter erfolgreich gemäß §§ 110 f. SGB VII in Regress nehmen.

§ LG München II, Urteil vom 17.09.2024 – 14 O 4947/20 und Hinweisbeschluss des OLG München vom 03.03.2025 – 19 U 3486/24 e

Im Keller eines Hauses sollte Teppich verklebt werden. Dies erfolgte sowohl durch den Geschäftsführer einer auf Bodenlegearbeiten aller Art spezialisierten GmbH als auch durch einen bei diesem Unternehmen beschäftigten Parkettleger und einen Schülerpraktikanten. Sämtliche Personen wurden durch eine Explosion schwer verletzt. Bei den Teppich-Klebearbeiten wurde ein lösemittelhaltiger Klebstoff verwendet, der entsprechend den Sicherheitshinweisen auf der Kleberverpackung leicht entzündlich war und deswegen von Zündquellen ferngehalten und nur in ausreichend belüfteten Bereichen verarbeitet werden sollte. Im Kellernebenraum war während der Verklebearbeiten ein Heizofen in Betrieb, der an eine Propangasflasche angeschlossen war und eine offene Flamme erzeugte. Der Geschäftsführer der GmbH hatte Kenntnis vom Vorhandensein des Ofens, hatte sich aber nicht vergewissert, ob dieser an- oder ausgeschaltet war. Sämtliche Kellerfenster waren zu diesem Zeitpunkt geschlossen oder lediglich gekippt. Aufgrund der Dämpfe des verwendeten leicht entzündlichen Klebers und der Flamme des Ofens kam es zu einer schweren Explosion, durch die sich sämtliche Beteiligte schwerste Verbrennungen zuzogen.

Die zuständige Berufsgenossenschaft erkannte für den Arbeiter und den Schülerpraktikanten Versicherungsfälle an und nahm den Geschäftsführer gemäß § 110 Sozialgesetzbuch (SGB) VII und die GmbH als Arbeitgeberin gemäß § 111 SGB VII in Regress. Sowohl das Landgericht (LG) München II als auch das Oberlandesgericht (OLG) München sahen eine grob fahrlässige Herbeiführung der Explosion und der beiden Versicherungsfälle als nachgewiesen an und bejahten einen Regressanspruch der Berufsgenossenschaft aus den genannten Normen – ohne jegliches Mitverschulden des Arbeiters und des Schülerpraktikanten.

Die im Streitfall einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften des § 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 – Grundsätze der Prävention – in Verbindung mit § 7 Abs. 4 Satz 1, 3, 4 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) haben elementare Sicherungspflichten zum Inhalt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Beschäftigten (auch) vor tödlichen Gefahren befassen. Diese Normen wurden in objektiv schwerwiegender Art und Weise verletzt, weil sämtliche Fenster im Keller zum Zeitpunkt der Durchführung der Verklebearbeiten mit dem leicht entzündbaren Klebstoff entgegen allen für diesen Kleber einschlägigen Sicherheitshinweisen geschlossen oder lediglich gekippt waren. Des Weiteren befand sich unbestritten im anliegenden Kellerraum ein Katalyt-Heizofen, der an eine Propangasflasche angeschlossen war und zum Vorfallszeitpunkt mit einer Flamme betrieben wurde, obwohl der Klebstoff von Zündquellen ferngehalten werden musste. Damit wurde einerseits nicht für eine ausreichende und auch mögliche Be- und Entlüftung gesorgt, andererseits nicht eine potenzielle Zündquelle entfernt, was gerade erst die Bedingung dafür schuf, die Explosion auszulösen.

Auch in subjektiver Hinsicht war dem GmbH-Geschäftsführer ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit deutlich gesteigerter Schuldvorwurf zu machen, weil dieser die von dem lösemittelhaltigen Klebstoff ausgehende Gefahr kannte und wusste, welche Gefahrzeichen sich auf diesem Produkt befanden. Zudem hatte er seine Familie unter Hinweis auf den giftigen Kleber kurz vor dem Vorfall weggeschickt, sodass sich das vorhandene Gefahrenbewusstsein nur auf seine Familie, nicht aber auf seine eigenen Mitarbeiter bezog. Über die Gefahren bei der Anwendung des verwendeten Klebstoffes hatte der GmbH-Geschäftsführer weder den Schülerpraktikanten aufgeklärt noch seinen eigenen Mitarbeiter, den er lediglich darauf hingewiesen hatte, dass nicht mehr im Keller geraucht werden dürfe. Warum er trotz Kenntnis vom Vorhandensein des Ofens keine Prüfung durchführte, ob dieser genutzt wurde oder ausgeschaltet war, erschloss sich weder dem LG noch dem OLG München. Der Umstand, dass der GmbH-Geschäftsführer sich auch selbst in Gefahr gebracht hatte, entlastete ihn weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht.

Das OLG München erläutert auch sehr ausführlich, weshalb das Verhalten des GmbH-Geschäftsführers sich nicht als sogenanntes Augenblicksversagen darstellt. Ein solches Augenblicksversagen unterstellt, wäre damit keineswegs eine Herabstufung des Schuldvorwurfs in objektiver Hinsicht verbunden, sondern allenfalls in subjektiver Hinsicht. Zu Recht weist das OLG München aber darauf hin, dass hierbei vor allem die Gefährlichkeit der Handlung eine Rolle spielt. Mit der Größe der möglichen Gefahr wächst auch das Maß der zu erwartenden Sorgfalt. In dieser Hinsicht konnte der GmbH-Geschäftsführer nichts Entlastendes für sich vorbringen.

Zudem weist das OLG explizit darauf hin, dass die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden, ein Ermittlungsverfahren nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) einzustellen, was aus strafrechtlicher Sicht nur bei geringer Schuld des Angeklagten möglich sei und deshalb, so der GmbH-Geschäftsführer, doch für eine leichte Fahrlässigkeit spreche, für die zivilgerichtliche Beurteilung der Frage, ob eine grob fahrlässige Verursachung des Unfalls vorliegt, nicht maßgeblich ist. Besonders letzterer Aspekt ist hervorzuheben. Denn wegen der Überlastung der Strafjustiz und Staatsanwaltschaften werden viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt, obwohl die Schuld nicht wirklich als gering zu erachten ist. Soweit dann im Zivilverfahren vonseiten der Schädiger und der hinter ihnen stehenden Betriebshaftpflichtversicherer argumentiert wird, dass wegen der strafrechtlichen Entscheidung/Einstellung zivilrechtlich nie eine grobe Fahrlässigkeit mit der Folge eines Aufwendungsersatzes nach §§ 110 f. SGB VII bejaht werden könnte, ist dies stets falsch gewesen. Aber nun ist dies vom OLG München explizit verschriftlicht worden, was den Sozialversicherungsträgern bei der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche weiterhelfen wird. 

Die Inhalte dieser Rechtskolumne stellen allein die Einschätzungen des Autors/der Autorin dar.