Recht auf Gesetzesinitiativen – Einfluss der Europaabgeordneten auf die EU-Kommission

Wenn es um das Initiativrecht auf EU-Ebene geht, hat die Europäische Kommission fast eine Monopolstellung. Denn anders als in den Mitgliedstaaten hat das Europäische Parlament kein Recht auf Gesetzesinitiativen. Dennoch haben die Europaabgeordneten die Möglichkeit, die Kommission aufzufordern, einen Legislativvorschlag zu einem bestimmten Thema vorzulegen. Dieser Prozess ist fest in den EU-Verträgen verankert. An Gewicht gewann er jedoch erst vor einigen Jahren.

In ihrer ersten Rede vor dem neu gewählten Parlament im Juli 2019 hatte sich die damalige Kandidatin für die Kommissionspräsidentschaft, Dr. Ursula von der Leyen, nachdrücklich für das Initiativrecht des Europäischen Parlaments ausgesprochen und sich dazu verpflichtet, darauf zu regieren. In ihrer ersten Amtszeit nahmen die Europaabgeordneten sie beim Wort und forderten in 25 der 29 von ihnen vorgelegten Initiativberichten dazu auf, einen Legislativvorschlag zu unterbreiten. Auf 18 dieser Berichte folgten ein oder mehrere Legislativvorschläge, so zum Beispiel die Änderung der Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmenden gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz oder der Vorschlag einer Richtlinie zur Verbesserung und Durchsetzung der Arbeitsbedingungen von Praktikantinnen und Praktikanten sowie zur Bekämpfung von Scheinpraktika.

Auch in dieser Legislaturperiode werden die Initiativberichte des Europäischen Parlaments wieder eine bedeutsame Rolle einnehmen. Zwar möchte die Europäische Kommission, im Einklang mit von der Leyens Vereinfachungsplänen, dass die EU nur dort und in dem Maße gesetzgeberisch tätig wird, wo es notwendig ist und EU-Maßnahmen zusätzlichen Nutzen bringen. Dennoch hat sie sich gemäß einer zwischen der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament getroffenen Vereinbarung dazu verpflichtet, Aufforderungen aus Initiativberichten nachzukommen beziehungsweise zu erläutern, warum sie dies nicht tun wird.

Insbesondere der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) hat sich bereits zu mehreren legislativen und nicht legislativen Initiativberichten verständigt. Im Fokus stehen dabei die Auswirkungen von extremen Temperaturen am Arbeitsplatz auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmenden, die Gestaltung der Zukunft der Arbeit im Hinblick auf Digitalisierung, künstliche Intelligenz und algorithmisches Management am Arbeitsplatz, die EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach 2024 oder psychosoziale Risiken, Stress und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz.

Zu vielen dieser Themen wurde die Arbeit vom EMPL noch nicht offiziell aufgenommen, dennoch hat die Deutsche Sozialversicherung Europavertretung (DSV) bereits erste Schritte unternommen, um den Prozessen für Initiativberichte zu folgen, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Interessen der gesetzlichen Unfallversicherung haben. Denn Positionen platziert man in Brüssel nicht nur im Gesetzgebungsverfahren, sondern frühzeitig in Initiativen, die dieses beeinflussen. Daher pflegt die DSV ein enges Verhältnis zu den Europaabgeordneten. Sie fungiert dabei als Informationsquelle für diejenigen, die die Entscheidungen fällen, welche aber oft in den verschiedenen Bereichen, die sie bearbeiten, keine Fachleute sind.